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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Gravierende Auswirkungen Trumps Plan geht nach hinten los

Mit seinen Zöllen wollte Donald Trump erklärtermaßen die heimische Wirtschaft stärken. Doch Experten fürchten, dass der Präsident sein Land stattdessen in eine Stagflation führt. Das hätte auch Folgen für Deutschland.
US-Präsident Donald Trump hält mit seiner erratischen Politik die Weltwirtschaft in Atem. Und auch wenn er selbst wiederholt das Gegenteil verspricht, zeigt sich mittlerweile deutlich: Nicht einmal seine heimischen Unternehmen profitieren.
Jüngste Zahlen markieren einen deutlichen Einbruch der amerikanischen Wirtschaftsleistung. Auf das Jahr hochgerechnet fiel das Bruttoinlandsprodukt der Vereinigten Staaten im ersten Quartal um 0,3 Prozent.
Bereits seit einigen Wochen warnen Wirtschaftsexperten auf beiden Seiten des Atlantiks vor gravierenden Auswirkungen der protektionistischen Zölle. Denn es ist ein gefährlicher Teufelskreis, in den Trump sein Land manövriert. Auch andere Länder, darunter Deutschland, könnten mit hineingezogen werden. Das Wort, vor dem sich aktuell amerikanische wie auch deutsche Ökonomen fürchten, lautet: Stagflation.
- Trumps Zollpolitik: Deshalb deutet vieles auf eine Stagflation hin
So warnte etwa der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, "die USA könnten Deutschland und den Rest der Welt mit in einen schmerzvollen Abschwung ziehen", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Die Sorge ist groß, dass der deutschen Wirtschaft dadurch permanenter Schaden entsteht. Die neue Bundesregierung muss dringend eine bessere Antwort auf die wirtschaftliche Bedrohung durch die USA finden und insbesondere Europa stärken", so der DIW-Chef weiter.
Verbraucher und Anleger betroffen
Stagflation bezeichnet, wie das Wort bereits vermuten lässt, eine Phase wirtschaftlicher Entwicklung, in der Stagnation beim Wachstum auf eine hohe Inflation trifft. Das ist insofern ungewöhnlich, weil hohe Inflation in der Regel eine Begleiterscheinung von wirtschaftlichem Aufschwung ist. Mehr zur Definition von Stagflation und den Hintergründen lesen Sie hier.
Für die Bevölkerung macht sich eine Stagflation durch steigende Preise bemerkbar. Durch die hohe Inflation wird das Geld de facto weniger wert. Denn Bürger können sich für das gleiche Geld weniger leisten als vorher.
Durch die steigenden Preise kann es sein, dass bestimmte Produkte nicht mehr produziert werden. Die Zölle dürften ihr Übriges dazu tun, dass gewisse Produkte nur unter sehr hohem finanziellen Aufwand erhältlich sein werden. Wenn Firmen ihre Produktion zurückfahren, wollen sie Kosten sparen, was in Kurzarbeit oder gar in Stellenabbau münden kann.
Auch für Anleger ist eine Stagflation eine schwierige Phase. Durch die steigende Inflation werden die niedrigen Anlagezinsen auf Girokonten aufgefressen, Ähnliches gilt für Anleihen. Inwiefern sich Aktien lohnen, hängt sehr von der Entwicklung der einzelnen Unternehmen ab. In den vergangenen Wochen klagten viele Anleger über hohe Verluste bei ihren ETF-Sparplänen, da die undurchsichtige US-Politik die Börsen verunsichert und so starke Kursverluste ausgelöst hatte.
Powell in der Zwickmühle
Der Schlüssel, um ein Land aus der Stagnationsfalle zu befreien, liegt in den Inflationserwartungen. Das heißt, dass die Arbeitnehmer daran glauben müssen, dass die Teuerungsrate in Zukunft stabil bleibt und sie deshalb keine übermäßigen Gehaltsforderungen stellen. Unternehmen brauchen zudem ein Vertrauen in eine gewisse Preisstabilität, um weiter Investitionen zu tätigen. Genau dieses Gefüge gerät bei der Stagflation aber ins Wanken, da die Inflation ja weiter steigt.
An dieser Stelle kommen die Zentralbanken ins Spiel, denn sie haben die Möglichkeit, mit ihrer Geldpolitik Sicherheit zu vermitteln. Wenn die US-amerikanische Notenbank Fed das Vertrauen schaffen kann, dass die Preise künftig nicht weiter steigen und sie die Inflation effektiv bekämpft, stellen die Firmen vor Ort wieder mehr ein und investieren. Das wiederum kurbelt die Nachfrage an.
Doch die Notenbanken befinden sich bei einer Stagflation in einer Zwickmühle. Erhöhen sie die Zinsen – ein probates Mittel, um die Inflation zu bekämpfen –, schadet das der Wirtschaftserholung. Denn Kredite für Unternehmen werden dadurch plötzlich sehr teuer. Auch Staaten, die hohe Schulden haben, würde eine Zinsanhebung empfindlich treffen. Belässt die Zentralbank die Zinsen aber auf niedrigem Niveau, steigt die Inflation weiter.
Ein Drahtseilakt für Fed-Chef Jerome Powell, mit dem aktuell wahrscheinlich ohnehin nur wenige den Job tauschen würden. Denn Powell hat keinerlei Rückendeckung von Trump, gilt bereits als angezählt. Mehrfach hat der US-Präsident gedroht, ihn zu entlassen, weil ihm die Haltung des Fed nicht passte.
Auf einer Veranstaltung des Economic Club of Chicago sagte Powell kürzlich, dass "das Ausmaß der bisher angekündigten Zollerhöhungen deutlich größer ist als erwartet" und die anhaltende Unsicherheit durch die Zölle der Wirtschaft dauerhaften Schaden zufügen könnte.
Das Wort "Stagflation" nutzte er in diesem Zusammenhang nicht, sagte aber, dass es zu einem herausfordernden Szenario kommen könnte, "in dem unsere beiden Mandatsziele in Spannung stehen". Deutlicher wurde Nobelpreisträger Joseph Stiglitz. Er warnte im Interview mit t-online vor großem wirtschaftlichem Chaos während der laufenden Regierungszeit von Trump und erwarte, dass der US-Präsident das Land in eine "verheerende Stagflation" treiben wird.
- Interview mit Nobelpreisträger Stiglitz: "Nun gebärdet Trump sich noch aggressiver"
EZB-Ratsmitglied: "Es ist ein stagflationärer Schock"
Auch die Europäische Zentralbank (EZB) wird auf die Entwicklungen in den USA reagieren müssen. Experten rechnen mit einer erneuten Zinssenkung. Aus Sicht von EZB-Ratsmitglied Klaas Knot drohen langfristig gravierende Folgen für die Wirtschaft: "Im Laufe der Zeit müssen wir uns mit der Tatsache abfinden, dass ein Handelskrieg einen negativen Angebotsschock darstellt. Es ist ein stagflationärer Schock", warnte der niederländische Notenbankchef in Amsterdam.
Die EZB hatte noch im März mit Einbußen von 0,5 Prozentpunkten am Wachstum im Euroraum gerechnet. Die ersten Stimmen gehen nun davon aus, dass es sogar mehr als ein Prozentpunkt werden könnte. Dann würden die Zolleffekte das gesamte prognostizierte Wachstum für dieses Jahr auffressen, das mit etwa einem Prozent veranschlagt war.
Doch auch unabhängig von der konkreten Lage in den USA gibt es Wirtschaftswissenschaftler, die eine Lösung des Problems durch die Notenbank skeptisch sehen. Sie fordern stattdessen, dass der Staat es den Unternehmen leichter macht, Kosten zu senken. Inwiefern europäische Staaten in dieser Hinsicht Schritte einleiten werden, ist noch unklar.
- Abmilderung der Zölle: Trump kommt Autobauern entgegen
Die US-Regierung hat unterdessen an einigen Stellen bereits nachgegeben. Vor allem die Automobilindustrie, die auf internationale Lieferketten angewiesen ist, hatte scharfe Kritik an den Zollplänen geäußert. Am Dienstagabend deutscher Zeit unterzeichnete Trump dann ein entsprechendes Dekret. Nun ist den Angaben aus dem Ministerium zufolge eine Übergangsphase bei den 25-Prozent-Zöllen für Bauteile geplant.
Nicht nur Autobranche besorgt
Hildegard Müller, Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), nannte diese Entscheidung zwar ein richtiges Signal, warnte aber auch: "Die Maßnahmen bleiben allerdings deutlich hinter den Notwendigkeiten zurück und verringern die erlassenen Zölle nur sehr geringfügig." Viele entscheidende Fragen blieben weiter offen, und die zusätzliche Belastung durch Zölle und unsichere Lieferketten sei enorm.
"Auch mit den neuen Ankündigungen müssen deutsche Hersteller, die aus Europa in die USA liefern, weiterhin insgesamt 27,5 Prozent Zölle auf Pkw zahlen", so Müller. Deutschland und die EU müssten sich daher umso stärker für freien und fairen Handel einsetzen und "so schnell und so entschlossen wie möglich mit weiteren Regionen Freihandelsabkommen" abschließen.
Doch es ist bei Weitem nicht nur die deutsche Automobilindustrie, die von den Zöllen betroffen ist. Das Ifo-Institut befürchtet deshalb ab dem Sommer insgesamt eine schrumpfende deutsche Wirtschaft. Im ersten Quartal konnte die Aussicht auf die Zölle und damit auf steigende Preise den Konsum ankurbeln. Das deutsche Bruttoinlandsprodukt stieg um 0,2 Prozent. Doch Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser rechnet mit Einbrüchen im Sommer.
"Der im April in Kraft getretene spürbare Anstieg der Zölle auf Importe aus der EU sowie die Androhung weiterer Zoll-Anhebungen belasteten allerdings den weiteren Verlauf der Konjunktur in Deutschland", so Wollmershäuser. Das deckt sich auch mit den Daten aus dem Ifo-Geschäftsklimaindex. Darin bewerteten Unternehmen zuletzt die Stimmung besser, blickten aber mit Unsicherheit auf die kommenden Monate.
- Eigene Recherche
- Pressemitteilung Ifo
- Pressemitteilung VDA
- cnn.com: Fed Chair Powell gives starkest warning yet on potential economic consequences from tariffs (Englisch)
- handelsblatt.com: "Das Wort der USA ist in der Welt nichts mehr wert" (Bezahlinhalt)
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und Reuters