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Fleisch und die Moral: Wer Schweinefleisch isst, ist kein Verbrecher


Das Fleisch und die Moral
Wer Schwein isst, ist kein Verbrecher

MeinungEine Kolumne von Ursula Weidenfeld

Aktualisiert am 22.09.2020Lesedauer: 3 Min.
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Steaks liegen auf einem Grill (Symbolbild): Fleisch ist klimaschädlicher als pflanzliche Lebensmittel, aber ist ein Verzicht deshalb moralisch besser?Vergrößern des Bildes
Steaks liegen auf einem Grill (Symbolbild): Fleisch ist klimaschädlicher als pflanzliche Lebensmittel, aber ist ein Verzicht deshalb moralisch besser? (Quelle: nortonrsx/getty-images-bilder)

Die afrikanische Schweinepest wird benutzt, um eine generelle Abkehr vom Fleischkonsum zu propagieren. Doch das löst nicht die wirklichen Probleme.

Kaum wurden in Brandenburg die ersten Wildschwein-Kadaver gefunden, die mit der afrikanischen Schweinepest infiziert waren, ging es schon wieder um das Große und Ganze: Weil China den Import von deutschem Schweinefleisch stoppte, sollten die deutschen Bauern in Zukunft einfach weniger Schweine halten, verlangten die einen. Fleisch sei so ungesund und klimaschädlich, dass nun der Konsum von tierischen Produkten grundsätzlich zu reduzieren sei, forderten die anderen. Und eine dritte Partei sieht in der Schweinepest die gerechte Strafe für eine nicht artgerechte Hochleistungslandwirtschaft. Alle drei Positionen sind falsch. Mit den wirklichen Problemen haben sie nicht viel zu tun.

Soll Deutschland einfach nur so viele Schweine mästen, wie es essen kann? Würden diejenigen, die das propagieren, auch auf den Wein aus Chile, die Trauben aus Italien und die Blaubeeren aus Peru verzichten? Würden sie ihren Quinoa-Pudding auf Graupen-Basis anrühren? Wahrscheinlich nicht.

Abwechslung auf dem Speisezettel ist Lebensqualität

Der Welthandel mit Lebensmitteln sorgt nicht nur dafür, dass Schweineohren und -schnauzen aus Westfalen nach China verschifft werden. Er bringt auch den grünen Tee aus Japan in den Prenzlauer Berg. Wer das nicht will, sollte sich für den kommenden Winter Steckrüben, rote Bete und Sauerkraut auf den Speisezettel schreiben. Und zwar nicht einmal in der Woche, sondern täglich.

Die neue Selbstversorger-Doktrin widerspricht allem, was die Menschen im vergangenen Jahrhundert an Lebensqualität, Gesundheit und Abwechslung auf dem Speisezettel gewonnen haben. Der Handel mit Lebensmitteln und agrarischen Rohstoffen war nicht immer fair, und er nutzt bis heute nicht allen Ländern gleichermaßen. Doch Europa hat unter dem Strich immer profitiert.

Es ist moralisch nicht besser, kein Fleisch zu essen

Ist Fleisch ungesund und klimaschädlich? Niemand kann bestreiten, dass man zur Produktion von einem Kilo Fleisch mehr Energie und Wasser benötigt als für dieselbe Menge an Kalorien auf pflanzlicher Basis. Deshalb ist es gut, wenn die Menschen in Zukunft weniger Fleisch verzehren. Ungesund ist es hingegen nicht, ein Steak zu braten. Doch geht es den Kritikern des Fleischkonsums tatsächlich nur darum, die Menschheit zu einem bewussteren Leben zu motivieren und das Klima zu schonen? Oder finden sie es auch schön, ihren eigenen, vermeintlich überlegenen Lebensstil endlich mal zum Maß der Dinge zu machen?

Die gebildeten und wohlhabenden Schichten der Großstädte fahren selbstverständlich elektrisch, sie heizen mit Erdwärme, machen Homeoffice – und sie essen kein Fleisch. Das ist gut so. Doch es ist moralisch kein bisschen besser, als auf dem Land zu wohnen, ein Diesel-Auto zu fahren, und im Sommer gerne ein paar Würstchen zu grillen. Wer Fleisch isst, ist kein Verbrecher. Er lebt nur anders als diejenigen, die den Klimadiskurs gerade prägen.

Auch Geringverdiener haben Anspruch auf anständige Lebensmittel

Natürlich muss man sich darüber unterhalten, wie Tiere gehalten werden. Es ist etwas anderes, ob eine Werkzeugmaschine hergestellt wird oder ein Schweineschinken. Über das Tierwohl wird zu Recht erbittert und öffentlich gerungen.

Doch auch in dieser Diskussion muss klar sein: Wer es sich nicht leisten kann oder will, teures Fleisch zu kaufen, hat denselben Anspruch auf gesunde und anständige Lebensmittel wie ein Gutverdiener. Ein Schnitzel vom Discounter muss nicht dieselbe Herkunft haben wie eines aus der Feinschmeckeretage. Aber es muss genauso gesund sein.

Dasselbe gilt für die Landwirtschaft: Mit Bio allein kann man die Weltbevölkerung nicht ernähren. Deshalb verdienen die Landwirte, die konventionell wirtschaften, denselben Respekt wie Ökobauern.

Die afrikanische Schweinepest ist eine Bedrohung für alle Landwirte. Sie zu instrumentalisieren, um Wirtschafts- und Lebensstile abzuwerten, ist nicht anständig.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Gemeinsam mit t-online.de und der Leibniz-Gemeinschaft produziert sie den Podcast .

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