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Corona-Hilfen würden Deutschland mehr schaden als nützen


Corona-Hilfen
Der Staat überschätzt sich maßlos

MeinungEine Kolumne von Ursula Weidenfeld

Aktualisiert am 03.08.2021Lesedauer: 3 Min.
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Geschlossene Gaststätte (Symbolbild): Die Corona-Hilfen sollten bald auslaufen, findet t-online-Kolumnistin Ursula Weidenfeld.Vergrößern des Bildes
Geschlossene Gaststätte (Symbolbild): Die Corona-Hilfen sollten bald auslaufen, findet t-online-Kolumnistin Ursula Weidenfeld. (Quelle: MiS/imago-images-bilder)

Wirtschaftsminister Peter Altmaier und Finanzminister Olaf Scholz wollen die Corona-Hilfen noch einmal verlängern. Das würde Deutschland jedoch mehr schaden als nützen.

Der Bundeswirtschaftsminister will die Überbrückungshilfen für Unternehmen, die von Corona stark betroffen sind, bis zum Jahresende verlängern, damit möglichst viele Unternehmen wenigstens die nächsten Monate überleben. Und der Finanzminister sagte in einem Zeitungsinterview: "Niemand soll kurz vor der Rettung ins Straucheln geraten."

Damit formulieren die Wahlkämpfer der großen Koalition zweierlei: Zum einen warnen sie vor den möglichen wirtschaftlichen Schäden einer vierten Corona-Welle. Zum anderen suggerieren sie, der Staat werde die Wirtschaft vor dieser erwarteten und allen neuen Krisen bewahren können. Mit Letzterem jedoch liegen sie falsch.

Krisen sind hässliche Begleiter des Wirtschaftslebens

Nach der Corona-Pandemie diskutieren Ökonomen intensiv über die Frage, ob und wie sich der Staat künftig in die Krisenbekämpfung einmischen und wie lange er aktiv bleiben soll. Wie sieht eine vernünftige Wirtschaftspolitik aus? Was kann der Staat beitragen, um die Unternehmen robuster gegen Krisen zu machen?

Die meisten Wirtschaftswissenschaftler warnen die Politiker davor, sich zu überschätzen – und damit vielleicht noch schwerere Wirtschaftskrisen zu provozieren. Stattdessen empfehlen sie Investitionen in die Widerstandsfähigkeit. Auch damit wäre die Politik schon gut beschäftigt.

Krisen sind hässliche Begleiter des Wirtschaftslebens. Niemand weiß, wann und wo sie auftreten, wie schwer sie ausfallen, wie viel Wohlstand, Arbeitsplätze und Chancen sie vernichten. Vor der Finanzkrise des Jahres 2008 fürchteten die meisten Experten, der nächste Crash werde in China beginnen. Der amerikanische Immobilienmarkt rangierte auf der Liste möglicher Krisenauslöser eher hinten. Zu Beginn des Jahres 2020 schien eine Wirtschaftskrise weit entfernt, im Gegenteil: Alle Zeichen standen auf Erholung, endlich sollte auch in Europa die jahrelange Stagnation überwunden werden. Dann kam Corona und löste eine tiefe weltweite Rezession aus.

Diese drei Maßnahmen sind falsch

  • 1. Sozialpolitisch ist das aufgestockte Kurzarbeitergeld eine prima Erfindung – solange es wirklich nur in akuten und schweren Wirtschaftskrisen bezahlt wird. Die Überlegung, die Sache jetzt bis zum Jahresende auszudehnen, ist dagegen grundverkehrt: Der Arbeitsmarkt läuft wieder prima. Unternehmen, die immer noch kurzarbeiten, haben entweder Probleme mit ihrem Produkt (wie die Autoindustrie), oder Schwierigkeiten mit ihren Lieferanten (wie die Autoindustrie), oder sie bekommen die Herausforderungen durch Digitalisierung und Klimapolitik nicht in den Griff (wie die Autoindustrie). Es grenzt an unterlassene Hilfeleistung, die Arbeitnehmer dieser Firmen durch üppige Kurzarbeitsregelungen weiter zu binden, statt sie zu ermutigen, schnell einen neuen Arbeitgeber zu suchen. Denn dass die Autoindustrie in den kommenden Jahren deutlich Stellen abbauen wird, steht schon jetzt in den Geschäftsplänen der Hersteller.
  • 2. Dasselbe gilt für die Überbrückungshilfen. Noch einmal ein paar Monate draufzusatteln, wird kaum einem Unternehmen "kurz vor der Rettung" wieder auf die Füße helfen. Dafür wird es andere gefährden, die im Vertrauen auf die Solidarität ihrer Kunden weiter liefern, Rechnungen stunden, Kredite geben. Die Widerstandsfähigkeit der Wirtschaft wird so nicht gestärkt, im Gegenteil. Das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung rechnet vor allem bei kleinen und mittleren Unternehmen mit einem Rückstau an Pleiten, die erst nach dem Ende der Corona-Hilfen sichtbar werden wird.
  • 3. Made in Germany. Die Antwort des Wirtschaftsministers auf die Lieferengpässe während der Corona-Pandemie ist naheliegend und klar. Künftig soll wieder mehr in Deutschland und Europa produziert werden, der Kontinent soll unabhängiger von Krisen in anderen Teilen der Erde werden. Richtig ist das dennoch nicht. Denn niemand kann heute wissen, ob in der nächsten Krise Gesichtsmasken fehlen werden oder vielleicht Stahlträger. Wird nur das Toilettenpapier knapp oder werden möglicherweise Stromgeneratoren vermisst? Oder, schlimmer noch, trinkbares Wasser? Vernünftig Vorsorge zu treffen, kann nicht heißen, alles Denkbare zu bunkern oder selbst zu machen. Stabile und verlässliche Handelsbeziehungen mit vielen Wirtschaftsregionen der Erde, Kooperation und mehr Freihandel wären allemal die bessere Antwort, argumentiert der Präsident des Münchner Ifo-Instituts, Clemens Fuest. Dafür muss die Wirtschaftspolitik in Deutschland und Europa sorgen.

Der Staat sollte sich nicht überschätzen

Der Ökonom Markus Brunnermeier warnt die Politiker davor, sich selbst zu überschätzen und zu überfordern. In einem Gespräch mit der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" beschreibt er die Gefahren einer "Vollkasko-Ökonomie". Wer auch gegen kleine Krisen ansteuere, riskiere am Ende besonders schwere Rezessionen, und schwäche darüber hinaus dauerhaft die Wachstumskräfte.

Es ist bitter, weil viele Unternehmen, Anleger und Arbeitnehmer die Erholung noch gar nicht spüren: Doch die Volkswirtschaft steht genau an diesem Punkt.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Im August erscheint ihr neues Buch: Die Kanzlerin. Porträt einer Epoche. Sie können es jetzt schon vorbestellen.

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