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"RTL"-Undercover deckt Missstände bei Zalando auf


"RTL"-Undercover
Reporterin deckt Zalando-Missstände auf

t-online, jbü

Aktualisiert am 15.04.2014Lesedauer: 3 Min.
Zalando-Logistikzentrum in ErfurtVergrößern des BildesZalando-Logistikzentrum in Erfurt (Quelle: dpa-bilder)
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Vor Glück schreien sollen die Zalando-Kunden, wenn der Lieferant ein Päckchen vorbeibringt. Mindestens so viel Grund zum Schreien haben wohl die Mitarbeiter des Versandhändlers, wenn auch aus ganz anderem Grund. Eine "RTL"-Journalistin hat sich drei Monate der Maloche unterworfen – und wurde einer Reportage zufolge bespitzelt, ausgepresst und angeschnauzt.

Zwei Milliarden Euro Umsatz macht Zalando mittlerweile, seit dem Gründungsjahr 2008 gelang der Aufstieg zum größten Modehändler Europas. Ein Erfolg, der die Macher als Manager der Zukunft ausweist. Gut verborgen bleibt die dazugehörige Arbeitswelt. Der "RTL"-Blick hinter die Kulissen zeigt: Der Alltag erregt gleichermaßen Grusel wie kalte Wut. Oder um es mit dem Zitat eines Mitarbeiters zu illustrieren: "Es vergeht kaum ein Tag, an dem kein Rettungswagen gerufen wird."

Diese Aussage steht am Anfang der Reportage, in der die Journalistin Julia Lobig drei Monate im Erfurter Zalando-Lager arbeitet. Unterstützt wird sie vom Enthüllungs-Journalisten Günter Wallraff, dessen Amazon-Reportage brachte Lobig erst auf die Idee. Sie ist nun "Pickerin". Sie nimmt Bestellungen entgegen und holt die Ware aus den Regalen. Die versteckte Kamera zeigt endlose Regalreihen, das Areal ist groß wie 18 Fußballfelder, an Spitzentagen kommt Lobig auf eine Laufleistung von 27 Kilometern.

Pausenzeiten müssen penibelst eingehalten werden

Wer glaubt, der Arbeitgeber würdige diese Anstrengung mit Erleichterungen an anderer Stelle, liegt offenbar völlig falsch. Stattdessen müssen Pausenzeiten penibelst eingehalten werden, wobei der Weg zum Pausenraum und zurück für manche Mitarbeiter 20 Minuten dauert. Außerdem werden auch die routinemäßigen Taschenkontrollen in die Zeiten der Erholung verlegt. Selbst wenn der Computer einmal keinen Auftrag zeigt, ist Hinsetzen laut Aussagen von Teamleitern "nicht gern gesehen“ oder "vom Arbeitsvertrag her nicht gestattet".

Ein Anwalt, den "RTL" befragt, sieht in solchen Methoden und Anweisungen laufende Verstöße gegen das Arbeitsrecht. Trotzdem funktioniert das Modell, in einer Region, wo viele froh sind, überhaupt einen Job zu haben. Der Wahnsinn hat Methode. "Bei Zalando kann jeder alles werden" – diese Zusage verkehrt sich im Alltag offenbar in einen Kampf "Jeder gegen jeden".

Dazu passt, dass bei Hinweisen auf Diebstahl der Kollegen 500 Euro winken. Viel wichtiger scheint aber die vertikale Hierarchie, die den Druck von ganz oben nach ganz unten durchleitet. Dank der Erfassung der Waren kann in Echtzeit die Leistung des Einzelnen gemessen werden. Das ist zwar nicht gestattet, passiert laut Reportage aber. Wer sich zu viel Zeit lässt, dem ist die Strafpredigt des Vorgesetzten garantiert. "Selbst nach der Arbeit war ich noch paranoid und hab mich beobachtet gefühlt", berichtet Lobig über die Folgen.

Wohin das führen kann, zeigt das wohl erschütterndste Schicksal der Reportage: Im Sommer 2013, als es offenbar noch keine Klimaanlage oder Wasserspender gab, starb ein Arbeiter nach einem Herzinfarkt auf der Toilette. Diesen Vorfall hat Zalando allerdings dementiert.

Zalando: keine Unternehmenskultur

Zu der Reportage als Ganzes lautet die Stellungnahme: "Aus unserer Sicht entspricht diese Darstellung in keiner Weise der Unternehmenskultur und Mitarbeiterstimmung in der Logistik von Zalando."

Dennoch werde das Unternehmen "jetzt genau prüfen, in welchen Punkten die Kritik des Berichts zutrifft und ob es sich hierbei um systematische Probleme oder Fehler Einzelner handelt." Für perfekt halte man sich nicht und sei ständig bestrebt, sich zu verbessern. Andererseits gebe es eine anonyme Umfrage aus dem Oktober 2013. Ergebnis: 88 Prozent der Mitarbeiter macht ihre Tätigkeit Spaß. Und schließlich sei man größter Arbeitgeber der Region.

Das rechtfertigt es wohl, ein Hamsterrad von Fabrik zu entwerfen, in dem die Grenzen des Arbeitsrechts offenbar mehr als nur gedehnt werden. Viel gruseliger ist aber die ökonomische Wahrheit dahinter: Den größten Erfolg hat auch nach 250 Jahren Industrialisierung die Firma, die Menschen nicht wie Menschen behandelt – sondern wie eine leider unperfekte Form der Roboter.

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