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Arbeitszeiterfassung: Welche Folgen das EuGH-Urteil für Deutschland hat


Weitreichendes EuGH-Urteil
Welche Folgen das Arbeitszeit-Urteil für Deutschland hat

Von dpa-tmn, dpa, afp, agr

Aktualisiert am 18.05.2019Lesedauer: 3 Min.
Arbeitnehmerin blickt auf die Uhr: Die tägliche Arbeitszeit darf acht Stunden nur in Ausnahmefällen übersteigen.Vergrößern des BildesArbeitnehmerin blickt auf die Uhr: Die tägliche Arbeitszeit darf acht Stunden nur in Ausnahmefällen übersteigen. (Quelle: Doucefleur/getty-images-bilder)
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Arbeitgeber müssen Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiter festhalten: Das hat der Europäische Gerichtshof entschieden. Was das für Sie bedeutet – und wie viel Sie täglich arbeiten dürfen.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat ein weitreichendes Urteil gefällt: In der Europäischen Union müssen Arbeitgeber die Arbeitszeiten ihrer Arbeitnehmer komplett erfassen (C-55/18). Hier erfahren Sie, was die Entscheidung für Sie bedeutet.

Was ist Arbeitszeit?

Laut Arbeitszeitgesetz (ArbZG) ist Arbeitszeit die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit – ohne Pausen. Die werktägliche Arbeitszeit darf acht Stunden nicht übersteigen. In Ausnahmen dürfen Arbeitnehmer jedoch zehn Stunden arbeiten. Dennoch darf die werktägliche Arbeitszeit dann innerhalb von sechs Monaten beziehungsweise 24 Wochen im Schnitt nicht 8 Stunden übersteigen.

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Das ArbZG sieht auch Pausen und Ruhezeiten vor: Bei Arbeitszeiten von mehr als sechs bis zu neun Stunden müssen Arbeitnehmer 30 Minuten Pause machen. Bei Arbeitszeiten von mehr als neun Stunden ist die Arbeit für mindestens 45 Minuten zu unterbrechen. Die Pause muss nicht am Stück, aber in Teilen von mindestens 15 Minuten Länge in Anspruch genommen werden.

Nach der täglichen Arbeitszeit haben Arbeitnehmer Anrecht auf eine Ruhezeit von mindestens 11 Stunden. Nur in manchen Branchen, wie etwa Gaststätten und Verkehrsbetrieben, darf die Ruhezeit eingeschränkt werden.

Arbeitnehmer dürfen nicht länger als sechs Stunden ohne Pause arbeiten.

Was sind Überstunden?

Wer mehr als die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit arbeitet, leistet Überstunden. Ob Sie dafür finanzielle Zuschläge erhalten oder die geleistete Mehrarbeit mit Freizeit ausgeglichen wird, hängt von den vertraglichen Bestimmungen der Arbeitnehmer ab.

Achtung: Auch bei Überstunden gelten die maximalen Arbeitszeiten des ArbZG von acht beziehungsweise zehn Stunden.

Überstunden müssen vom Arbeitgeber "angeordnet, gebilligt oder geduldet" werden, beziehungsweise "jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig" sein. Das legt das Bundesarbeitsgericht in einem Urteil von 2002 weg.

Was ist mit Vertragsklauseln, die Überstunden pauschal abgelten?

Ein Vertragspassus wie "Überstunden sind pauschal mit dem Entgelt abgegolten" ist nur dann zulässig, wenn das Ausmaß der Mehrarbeit begrenzt ist. Der Rechtsschutz des Deutschen Gewerkschaftsbunds hält eine pauschale Abgeltung von zehn Prozent der wöchentlichen Arbeitszeit als Überstunden für angemessen.

Unbegrenzte Inklusivvergütungen sind nur Arbeitnehmer in leitenden Positionen und dementsprechend überdurchschnittlicher Bezahlung zulässig.

Was bedeutet das EuGH-Urteil für Deutschland?

Arbeitgeber sollen nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs verpflichtet werden, die gesamte Arbeitszeit ihrer Beschäftigten systematisch zu erfassen. Alle EU-Staaten müssten dies durchsetzen, entschieden die obersten EU-Richter.

In Deutschland galt bisher, dass nur die Überstunden dokumentiert werden müssen. Gewerkschafter haben schon länger bemängelt, dass dies eigentlich nur möglich sei, wenn auch die reguläre Arbeitszeit aufgezeichnet wird.

Es werden derzeit auch nicht in allen Branchen Arbeitszeiten systematisch erfasst. Mitarbeiter in Heimarbeit oder im Außendienst müssten demnach künftig registriert werden – etwa über Apps oder elektronische Erfassung am Laptop. Wird abends von zuhause noch dienstlich telefoniert oder werden E-Mails geschrieben, könnte auch dies unter die Pflicht zur Erfassung fallen.

Zur Begründung verwiesen die Luxemburger Richter nicht nur auf die Arbeitszeitrichtlinie, sondern auch auf die EU-Grundrechtecharta. Diese verbürge "das Grundrecht eines jeden Arbeitnehmers auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit und auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten".

Ohne ein System zur Messung der täglichen Arbeitszeit könnten weder die geleisteten Stunden und ihre zeitliche Verteilung noch die Zahl der Überstunden objektiv und verlässlich ermittelt werden, erklärt der Gerichtshof. Damit sei es für Arbeitnehmer äußerst schwierig oder gar praktisch unmöglich, ihre Rechte durchzusetzen.

Wie soll die Arbeitszeitaufzeichnung genau aussehen?

Dem EuGH zufolge sollen die "konkreten Modalitäten" zur Umsetzung eines Systems zur Arbeitszeiterfassung nun von einzelnen Mitgliedsstaaten festgelegt werden. Dabei können sie die Besonderheiten des jeweiligen Tätigkeitsbereichs oder Eigenheiten und Größe der Unternehmen berücksichtigen.

Auch Ausnahmen sind danach zulässig, "wenn die Dauer der Arbeitszeit aufgrund der besonderen Merkmale der betreffenden Tätigkeit nicht gemessen und/oder vorgegeben wird oder von den Arbeitnehmern selbst festgelegt werden kann". Die EU-rechtlichen Vorgaben dürften dadurch aber nicht unterlaufen werden.


Solange keine neuen gesetzlichen Vorgaben bestehen, müssen jeweils die nationalen Gerichte prüfen, ob sie das bislang geltende Recht entsprechend EU-konform auslegen können. In Spanien ist dies offenbar möglich. Daher musste der EuGH nicht entscheiden, ob sich Arbeitnehmer dort gegebenenfalls auch unmittelbar auf EU-Recht berufen können.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen dpa-tmn, dpa, afp
  • Bundesarbeitsgericht Urt. v. 29.05.2002, Az.: 5 AZR 370/01
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