Die Inflation ist zurĂŒck: Warum wird jetzt alles teurer?
Monatelang sanken die Preise in Deutschland, jetzt dreht sich dieser Trend: Vieles spricht dafĂŒr, dass die Teuerung weiter anziehen wird. FĂŒr Verbraucher und Sparer wird das zum Problem.
In Deutschland geht ein Gespenst um, das bei vielen BĂŒrgern Ăngste hervorruft: Die Inflation ist zurĂŒck. Im Februar stiegen die Verbraucherpreise nach Angaben des Statistischen Bundesamtes vom Montag um 1,3 Prozent gegenĂŒber dem Vorjahresmonat, im Januar lag die Teuerung bei 1,0 Prozent.
Nach Jahren weitgehend stabiler Preise zeichnet sich damit immer stĂ€rker ab, dass Waren und Dienstleistungen 2021 deutlich teurer werden â und unser Geld weniger wert. Nicht nur fĂŒr Verbraucher kann das schwerwiegende Folgen haben, betroffen sind auch Sparer. Denn wer Geld auf dem Sparbuch oder dem Tagesgeldkonto parkt, kann sich von seinen RĂŒcklagen kĂŒnftig weniger leisten.
LĂ€ngst ist unter Experten, Ăkonomen und Politikern eine Debatte entbrannt: Handelt es sich dabei lediglich um ein kurzweiliges PhĂ€nomen? Oder mĂŒssen wir uns langfristig darauf einstellen, dass die Preise steigen? Und was genau heiĂt das fĂŒr mich? t-online beantwortet die wichtigsten Fragen zur Inflation im Jahr 2021.
Wie sehr steigen die Preise 2021?
Das lĂ€sst sich aktuell nur schĂ€tzen. Die meisten Volkswirte gehen davon aus, dass die Preise dieses Jahr im Schnitt zwischen zwei und drei Prozent zulegen könnten. Das heiĂt, das PĂ€ckchen Butter, das es aktuell fĂŒr 1,39 Euro gibt, wĂŒrde zum Jahresende 1,43 Euro kosten. Zum Vergleich: 2020 lag die Teuerung noch bei 0,5 Prozent, in den Jahren 2010 bis 2019 waren es durchschnittlich 1,3 Prozent.
Embed
FĂŒr diese Entwicklung sprechen bereits die ersten Daten, die das Statistische Bundesamt veröffentlicht hat. So sind die Preise im Januar um 1,0 Prozent gegenĂŒber dem Vorjahresmonat gestiegen, im Februar lag die Teuerungsrate, gemessen am Verbrauchpreisindex, laut einer ersten SchĂ€tzung bei 1,3 Prozent.
"Die Inflationsrate bleibt nicht auf Dauer so niedrig wie im vergangenen Jahr", sagte unlĂ€ngst Bundesbank-PrĂ€sident Jens Weidmann der "Augsburger Allgemeinen". Er geht wie viele seiner Ăkonomen-Kollegen von einer Teuerung in der Spitze von drei Prozent im laufenden Jahr aus. Allerdings: Ob es wirklich so kommt, lĂ€sst sich nur schwer prognostizieren. Es gibt auch Experten, die die Situation weniger dramatisch betrachten, und Argumente, die dagegen sprechen (siehe unten).
Was bedeutet Inflation eigentlich fĂŒr mich?
ZunĂ€chst einmal: höhere Preise, etwa beim Einkaufen im Supermarkt, beim Shoppen in der FuĂgĂ€ngerzone, aber auch beim Tanken oder beim Heizen. Die Folge: Steigt Ihr Einkommen, also etwa Ihr Gehalt, nicht im selben MaĂe wie die Preise, können Sie sich weniger leisten, Sie werden Ă€rmer.
- Alle Infos im Detail: Was ist genau ist eigentlich die Inflation?
- Der t-online-Zinscheck: Hier bekommen Sie am meisten fĂŒr Tages- und Festgeld
Dieser Effekt verstĂ€rkt sich, sofern Sie Geld auf einem Konto sparen, auf dem Sie â wie derzeit fast ĂŒberall â wenig bis gar keine Zinsen bekommen. Die Inflation frisst Ihnen dann nĂ€mlich den ohnehin geringen Zins wahrscheinlich komplett weg und sorgt zusĂ€tzlich dafĂŒr, dass Ihr Gespartes weniger wert wird.
- Beispiel: Nehmen wir an, Sie haben 1.000 Euro auf einem Tagesgeldkonto geparkt, fĂŒr das Ihnen die Bank einen jĂ€hrlichen Zinssatz von 0,5 Prozent verspricht. Nach einem Jahr haben Sie folglich 1.005 Euro auf dem Konto. Steigen die Preise im selben Zeitraum jedoch um 3 Prozent, können Sie sich von dieser höheren Summe nur noch Waren fĂŒr einen heutigen Wert von 985 Euro kaufen. Der sogenannte "reale Zinssatz", fĂŒr den man die Inflationsrate (3 Prozent) vom nominalen Zins (0,5 Prozent) abzieht, liegt dann bei -0,25 Prozent â Ihr Geld wird also weniger wert.
Umgekehrt sieht es aus, wenn Sie Schulden haben. In diesem Fall kann Ihnen die Inflation helfen. Denn: Auch Ihre Schulden werden durch die Teuerung weniger wert. Zwar mĂŒssen Sie die Kreditsumme, zum Beispiel 1.000 Euro, weiterhin in voller Höhe zurĂŒckzahlen. Da durch die Inflation in der Regel jedoch auch Ihr nominales Gehalt steigt, wird diese Summe "real" kleiner.
Was genau wird dieses Jahr alles teurer?
Im Detail wird sich das anhand von Angebot und Nachfrage erst noch zeigen. Als wahrscheinlich gilt aber, dass vor allem FreizeitaktivitĂ€ten und Reisen dieses Jahr mehr kosten könnten. Der Grund: Hier kommt es, sollten wir die Corona-Krise hinter uns gelassen haben, mit groĂer Wahrscheinlichkeit zu sogenannten Nachholeffekten (siehe unten).
Viele Menschen dĂŒrsten etwa danach zu verreisen. Und da sie viel gespart haben, werden viele Verbraucher bereit sein, fĂŒr den Urlaub dieses Jahr mehr zu bezahlen â was die Reiseunternehmen, die ihre Verluste aus dem vergangenen Jahr ausgleichen wollen, einpreisen werden.
Ăhnliches könnte sich in Restaurants und Kneipen abspielen: bei Bier, Wein, Wiener Schnitzel und Co. Die drohende Insolvenzwelle könnte diese Entwicklung verschĂ€rfen: Ăberleben die Corona-Krise in einer Stadt etwa nur die HĂ€lfte aller Bars, in die sich dann alle drĂ€ngen, können die Barinhaber leichter höhere Preise durchsetzen.
Was spricht dafĂŒr, dass die Preise dieses Jahr stark anziehen?
Dass die Preise dieses Jahr steigen, gilt als ausgemachte Sache. Wie stark die Inflation allerdings ausfĂ€llt und ob auch langfristig alles teurer wird, ist unter Ăkonomen umstritten. Treiber der Preissteigerungen sind dabei vor allem:
- Die wieder angehobene Mehrwertsteuer,
- höhere CO2-Preise,
- nachgeholter Konsum,
- anziehende Rohstoffpreise,
- die Geldflut der Zentralbanken und
- die Alterung der Gesellschaft.
Seit dem 1. Januar 2021 gelten in Deutschland wieder die ĂŒblichen MehrwertsteuersĂ€tze von 19 beziehungsweise 7 Prozent. Waren und Dienstleistungen werden also tendenziell wieder teurer. 2020 war die gegenlĂ€ufige Entwicklung zu beobachten: Die sechsmonatige Senkung der MehrwertsteuersĂ€tze, mit der die Regierung den Konsum in der Corona-Krise ankurbeln wollte, sowie ein krĂ€ftiger RĂŒckgang der Energiepreise dĂ€mpften den Preisauftrieb. Mehrere Monate lag die Teuerungsrate in Deutschland unter der Nullmarke, heiĂt: Das Leben war zumindest in der Gesamtschau gĂŒnstiger als ein Jahr zuvor.
Ebenfalls seit Jahresbeginn gilt die neu eingefĂŒhrte CO2-Abgabe von 25 Euro je Tonne ausgestoĂenem Kohlendioxid (CO2). Das Klimagas setzen Verbraucher vor allem beim Verbrennen von Diesel, Benzin, Heizöl und Erdgas frei. Die Folge: Die Preise fĂŒrs Heizen und Tanken gehen nach oben. Indirekt dĂŒrften nach EinschĂ€tzung von Volkswirten damit auch Preise fĂŒr andere GĂŒter leicht steigen.
Viele Menschen haben viel gespart
Ein weiterer Treiber der Inflation ist der nachgeholte Konsum (siehe oben). 2020 hielten viele Menschen ihr Geld noch zusammen, zum Teil konnten sie es durch die SchlieĂung des Einzelhandels auch gar nicht ausgeben. Im Schnitt sparte jeder Deutsche zuletzt 16,3 Prozent seines Einkommens â ein Rekordwert. Das aber dĂŒrfte sich 2021 Ă€ndern: Sobald LĂ€den und GaststĂ€tten wieder öffnen und es wieder mehr Möglichkeiten zu Reisen und FreizeitaktivitĂ€ten gibt, werden viele Menschen zumindest einen Teil ihrer gesparten Ausgaben nachholen und bereit sein, mehr Geld fĂŒrs VergnĂŒgen auszugeben.
Was ebenfalls fĂŒr eine stĂ€rkere Teuerung spricht, sind die steigenden Rohstoffpreise. Vergangenes Jahr bremste Corona die Wirtschaft noch aus, die Industrie fuhr ihre Produktion herunter, die Nachfrage nach Rohöl sank â die Ălpreise fielen. Damit ist es nun vorbei: Die Ălpreise stiegen in den vergangenen Wochen aufs Vorkrisenniveau und auch andere Rohstoffe wie Kupfer und Silber verteuern sich. Mittelfristig schlĂ€gt sich das auch in höheren Preisen fĂŒr KonsumgĂŒter nieder.
Steigende Geldmenge und steigendes Alter
Auch die aktuelle Geldflut der EuropĂ€ische Zentralbank (EZB) kann dazu beitragen, dass die Preise steigen. Bringt die EZB ĂŒber den Ankauf von Staatsanleihen mehr Geld in den Umlauf, sinkt â zumindest theoretisch â der Wert jedes einzelnen Euros. Allerdings erwies sich dieser Effekt in der Praxis zuletzt als sehr schwach. Denn: In den vergangenen zehn Jahren pumpte die EZB bereits Billionen von Euro in die MĂ€rkte, sie senkte die Zinsen â und trotzdem blieb die Inflation niedrig, weil das Geld nicht direkt auf den Konten der BĂŒrger ankam. Ăndert sich das nun, dĂŒrften die Preise jedoch weiter steigen.
Das letzte wichtige Argument fĂŒr eine langfristig höhere Inflation ist etwas komplizierter und hĂ€ngt mit dem demographischen Wandel, der Alterung unserer Gesellschaft zusammen. VerkĂŒrzt gesagt, geht es so: Wenn in den kommenden 15 Jahren die geburtenstarken Babyboomer-JahrgĂ€nge in Rente gehen, stehen den Unternehmen deutlich weniger jĂŒngere Arbeitnehmer zur VerfĂŒgung â die dann höhere Löhne durchdrĂŒcken können. Die Folge: Die Firmen mĂŒssen ihre Einnahmen steigern, indem sie die Preise ihrer Waren anheben. Diese Lohn-Preis-Spirale gilt neben dem Gelddrucken in der Inflationstheorie als wichtigste Ursache fĂŒr steigende Preise.
Was spricht gegen eine steigende Inflation?
Kurzfristig: fast nichts, schlieĂlich lassen sich die höheren Preise ja schon lĂ€ngst an der Tankstelle, auf der Stromrechnung und bei manchen Lebensmitteln beobachten. Was aber die langfristige Entwicklung angeht, sind sich die Ăkonomen nicht einig. Folgende Argumente sprechen dagegen, dass die Preise immer weiter stark steigen:
- Die LohnzurĂŒckhaltung in der Krise,
- der stÀrkere Euro,
- Zuwanderung und Digitalisierung.
Ein dramatischer Jobabbau ist vor allem dank Kurzarbeit bislang ausgeblieben. Dennoch ist die Arbeitslosigkeit gestiegen. Das schwĂ€cht die Verhandlungsposition von Gewerkschaften und Arbeitnehmern, sie waren im Krisenjahr zurĂŒckhaltend bei Forderungen nach höheren Löhnen. Die Ăkonomen der DZ Bank rechnen daher damit, "dass sich von der Lohnseite her wenig Kostendruck auf die Unternehmen und damit auf die Verbraucherpreise aufbauen dĂŒrfte". Selbst bei einer vergleichsweise krĂ€ftigen Konjunkturerholung dĂŒrften die ProduktionskapazitĂ€ten bis 2022 noch nicht ausgelastet sein.
Hinzu kommt: Der Euro hat insbesondere gegenĂŒber dem Dollar an StĂ€rke gewonnen. Importe nach Deutschland können sich dadurch verbilligen. Rohöl und andere Rohstoffe werden weltweit in der US-WĂ€hrung abgerechnet. "Auch der starke Euro begrenzt den Inflationsdruck", argumentiert deshalb etwa ING-Volkswirt Carsten Brzeski.
Ein weiteres Argument gegen zu viel Furcht vor Preissteigerungen sind die Digitalisierung und die Zuwanderung. Zwar altert die Gesellschaft in Deutschland und der Eurozone tendenziell, wodurch das ArbeitskrĂ€fteangebot sinkt. Allerdings fallen viele Jobs durch die Digitalisierung auch weg. Zudem gibt es genug potenzielle Zuwanderer, die die Alten im Arbeitsmarkt ersetzen können. "In Afrika zum Beispiel gibt es viel mehr Menschen, als der Kontinent vertragen kann und die gerne bei uns arbeiten wĂŒrden", sagte zuletzt etwa der frĂŒhere Wirtschaftsweise Peter Bofinger im "Handelsblatt". Die Folge: Die Arbeitnehmer können die Lohn-Preis-Spirale nur bedingt in Bewegung setzen.