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Stopp wegen Betrug bei Corona-Hilfen: Wann fließt das Geld wieder?


Firmen erschleichen Staatshilfen
Was wir über den Corona-Betrug wissen – und was nicht


Aktualisiert am 10.03.2021Lesedauer: 5 Min.
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Verdacht bei Corona-Hilfen: Haben Unternehmen bei Überweisungen betrogen? (Quelle: reuters)

Betrüger haben offenbar große Summen der staatlichen Corona-Hilfen erbeutet, die weiteren Auszahlungen der Abschläge liegen deshalb auf Eis. Was zu dem Vorfall bereits bekannt ist.

Es ist unser aller Steuergeld – und liegt jetzt auf Konten Krimineller, die es sich erschlichen haben. Am Dienstag wurde bekannt, dass sich Betrüger an den staatlichen Corona-Hilfen des Bundes bereichert haben.

Die bittere Folge für Tausende Unternehmen in Deutschland: Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) unter der Leitung von Peter Altmaier (CDU) stellte die Auszahlung weiterer Abschläge vorübergehend ein. Firmen in finanzieller Not müssen so noch länger als ohnehin auf ihre Hilfsgelder warten.

Über den Betrug hatte zuerst das Wirtschaftsmagazin "Business Insider" berichtet. Vieles ist derzeit noch unklar, so etwa die genaue Höhe des entstandenen Schadens. Auch t-online hat in der Causa recherchiert, beantwortet die wichtigsten Fragen zum potenziellen Betrugsskandal und erklärt Ihnen, was wir wissen – und was nicht.

Wie genau sind die Betrüger vorgegangen?

Kurz gesagt, haben die Betrüger in der Online-Beantragung der Hilfsgelder falsche Angaben gemacht und so Geld erbeutet. Nach Informationen von t-online stahlen sie dafür zunächst mehrere Identitäten von Steuerberatern sowie einer Anwältin. Hintergrund für dieses Vorgehen ist, dass notleidende Unternehmen die Hilfen nicht selbst beantragen können, sondern nur "prüfende Dritte", also zum Beispiel Steuerberater oder Anwälte der betroffenen Unternehmen.

Die Kriminellen sollen sich demnach mit der gestohlenen Anwaltsidentität beim Bundeswirtschaftsministerium registriert haben, um dann für reale Firmen aus dem gesamten Bundesgebiet Gelder zu beantragen. Die Hilfen flossen anschließend allerdings nicht an die Unternehmen, für die sie vorgaben zu agieren, sondern auf die Konten der Betrüger.

Die Betrugsmasche war erst Ende vergangener Woche innerhalb des Ministeriums aufgeflogen. Nach Angaben des "Business Insiders" vom Mittwoch handelt es sich um mindestens vier Täter, die bereits seit Sommer erste Hilfszahlungen illegal eingestrichen haben sollen. Nach Informationen von t-online soll sich die Abschlagssumme in mindestens einem Fall auf rund 70.000 Euro belaufen.

Wie groß ist der Schaden?

Das ist noch nicht abschließend geklärt. Laut Mutmaßungen des "Business Insiders" könnte es sich aber um eine Summe von mindestens 15 Millionen Euro handeln, die die Betrüger erschlichen haben. Das Bundeswirtschaftsministerium äußerte sich zur Höhe der Summe auf Anfrage zunächst nicht.

Wie t-online aus Regierungskreisen erfuhr, sind dem BMWi zunächst drei Fälle aufgefallen, in denen Betrüger mit falscher Identität Gelder beantragt hatten, das Magazin "Business Insider" spricht hingegen von vier Tätern. Wie viele Anträge sie jeweils gestellt haben, um wie viel Geld es exakt geht, ist demnach noch offen. Das BMWi äußerte sich am Mittwoch nicht weiter zu der Schadenshöhe und verwies auf das laufende Ermittlungsverfahren.

Wer ist vom Zahlungsstopp betroffen?

Zahlreiche Unternehmen, die noch immer auf Geld aus den November- und Dezemberhilfen warten und jene, die finanzielle Unterstützung aus den Überbrückungshilfen beantragt haben. Das sind vor allem mittelständische Unternehmen, also Restaurants, die geschlossen haben, aber auch Einzelhändler, die inzwischen wieder öffnen dürfen.

Das Wirtschaftsministerium verweist derweil darauf, dass die Bearbeitung und Auszahlung der Überbrückungshilfe II sowie der November- und Dezemberhilfen "im regulären Fachverfahren durch die Bewilligungsstellen der Länder" weiterhin stattfinde. Lediglich die Abschlagszahlungen seien vorläufige als "rechtlich notwendige Sicherheitsmaßnahme" auf dem Prüfstand und deshalb angehalten. Und: "Auch die Abschlagszahlungen stehen in Kürze wieder zur Verfügung."

Zudem seien laut BMWi etwa bei den November- und Dezemberhilfen bereits 96 Prozent der Abschlagszahlungen ausgezahlt. Betroffen vom Auszahlungsstopp sind demzufolge vor allem Unternehmen, die auf Gelder aus der Überbrückungshilfe III warten. Sie kann seit 10. Februar beantragt werden. Bis Ende vergangener Woche waren Abschlagszahlungen von mehr als 650,7 Millionen Euro ausgezahlt worden.

Wann fließen die Hilfen wieder?

Nach Angaben des BMWi "in den nächsten Tagen". Ob damit der Mittwoch gemeint ist, der Verlauf dieser Woche oder erst ein späterer Zeitpunkt, blieb zunächst offen. Nach t-online-Informationen ist der Grund für die Unterbrechung unter anderem eine Nachbesserung in den Kontrollmechanismen der Antragssoftware. Wie lange die dauert, ist noch offen.

Schon jetzt mahnen jedoch Wirtschaftsvertreter und Oppositionspolitiker, dass Geld schnellstmöglich weiter ausgezahlt werden müsse. "Die Unternehmen warten seit Wochen auf zustehende Hilfen, viele sind inzwischen auf der Strecke geblieben", sagt etwa der Chefvolkswirt des Mittelstandverbandes BMVW, Hans-Jürgen Völz. "Es kann nicht sein, dass die Unternehmen noch länger hingehalten werden."

Hätte Altmaier den Betrug verhindern können?

Das müssen die Ermittlungen erst noch klären. Fakt ist: Das Bundeswirtschaftsministerium hatte für die Antragsbewilligung Ende November extra eine eigene Software bauen lassen – weil sich zuvor weder die Länder noch das Bundesfinanzministerium bereit erklärt hatten, die Bearbeitung der Hilfsanträge zu übernehmen.

Als gesichert gilt inzwischen, dass genau dieses Programm nicht genug Kontrollmechanismen enthält, um einen Betrug wie im aktuellen Fall zu verhindern. So soll das BMWi nach t-online-Informationen etwa darauf verzichtet haben, bei den Anträgen durch "prüfende Dritte" die Konto- und Steuerdaten systematisch mit denen des Finanzamtes abzugleichen – was im aktuellen Fall Ungereimtheiten wahrscheinlich hätte aufdecken können.

Denn: Anhand der Finanzamtsdaten ließe sich einerseits nachvollziehen, ob die Höhe der beantragten Hilfen plausibel sind, etwa durch einen Vergleich mit früheren Umsätzen der Unternehmen. Andererseits sind dem Finanzamt auch die Kontonummern der Firmen bekannt. Kommt es zu Abweichungen, würde das bei einem Check auffallen.

Opposition kritisiert das Wirtschaftsministerium

Pikant dabei: Experten und Politiker verschiedener Parteien hatten bei der Entwicklung der Software immer wieder auf genau jene zusätzliche Kontrollschleife hingewiesen. Am Dienstag kritisierte FDP-Fraktionsvize Michael Theurer, Betrugsfälle wie diese hätten durch eine Bearbeitung und Auszahlung der Hilfen durch das Finanzamt, wie sie die FDP seit vielen Monaten fordere, vermieden werden können: "Denn dort liegen die korrekten Informationen über die realen Firmen – wie etwa die Kontodaten – bereits vor."

Auch die Grünen-Abgeordnete Claudia Müller kritisierte Fehler im System: Noch im Wirtschaftsausschuss des Bundestags sei erklärt worden, dass Abschlagszahlungen nur an Kontonummern gehen könnten, die den Finanzämtern bekannt seien. Das habe offenbar nicht funktioniert.

Das Ministerium wies die Vorwürfe zurück. Es gebe verschiedene Schritte zur Identitätsprüfung, unter anderem auch einen automatischen Datenabgleich mit dem Finanzamt. Durch diese Maßnahmen falle etwa auf, wenn oft die gleiche Abschlagssumme oder der gleiche Name im System auftauche. Man könne aber nie komplett auszuschließen, dass Sicherheitsvorkehrungen umgangen würden.

Ungeachtet dieser Aussage erfuhr t-online aus Regierungskreisen, dass das BMWi die bisherige Praxis ändern will: Künftig sollen auch bei Anträgen durch prüfende Dritte die Daten abgeglichen und auf Plausibilität überprüft werden – womöglich gar durch einen externen Dienstleister. Die technische Nachbesserung des Systems ist demnach auch der Grund für die aktuelle Unterbrechung der Auszahlungen.

Verwendete Quellen
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa, AFP und Reuters
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