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Mallorca in der Corona-Krise: Der einstige Touristen-Segen wird zum Fluch


Touristen bleiben aus
Mallorcas einstiger Segen wird zum Fluch

Von Mauritius Kloft

Aktualisiert am 05.04.2021Lesedauer: 4 Min.
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Massive Probleme durch Corona: So stark leiden deutsche Auswanderer auf Mallorca. (Quelle: t-online)

Lange Zeit lebten die Menschen auf Mallorca gut vom Tourismus. Doch seit Corona ist das vorbei. Nun wird die Abhängigkeit von den Urlaubern zum Problem.

Christoph Heufken steht im Hof seines Hotels, schaut über den leeren Pool im Garten und seufzt: "Seit einem Jahr haben wir nur Verluste eingefahren."

Heufken, 62 Jahre alt, hochgewachsen, Glatze, weißes Hemd, betreibt seit etwas mehr als 20 Jahren das Boutique-Hotel "Palacio Sant Salvador" im kleinen Örtchen Artà, rund 70 Kilometer von Palma entfernt. Doch seit der Corona-Krise sind Gäste in dem Hotel zur Seltenheit geworden.

Über Ostern sind die acht Zimmer mit jeweils zwei Betten zwar gut gefüllt, doch danach sieht es düster aus. Viele Deutsche haben ihren Aufenthalt storniert, aus Angst davor, nicht mehr getestet werden zu können, sagt Heufken. Seit Dienstag vergangener Woche besteht auf Mallorca eine Testpflicht – nicht nur bei der Einreise, sondern auch bei der Ausreise. "Die aktuelle Situation ist eine Katastrophe", sagt Heufken.

Tourismus ist Wirtschaftstreiber Mallorcas

So wie ihm geht es vielen Besitzern von Hotels, Ferienwohnungen und Gaststätten auf der Insel. 2020 ging die Zahl der Urlauber wegen Corona drastisch zurück. Nur 1,7 Millionen Touristen kamen auf die Balearen, 12 Millionen weniger als im Jahr 2019.

Wie dramatisch das ist, zeigt eine andere Zahl: 75 Prozent der Wirtschaftsleistung Mallorcas hängt am Tourismus. Fällt er weg, reißt das ein gewaltiges Loch in die Staatskasse und in den Geldbeutel vieler Menschen. Die Landwirtschaft, die für rund zehn Prozent der Wirtschaftsleistung sorgt, kann das bei weitem nicht auffangen.

Das belegt auch die Statistik: Die Wirtschaftsleistung in Mallorca ist 2020 im Zuge der Pandemie um rund 27 Prozent zurückgegangen – so stark wie nirgendwo sonst in Spanien. Zum Vergleich: Im ganzen Land brach das Bruttoinlandsprodukt um 11 Prozent ein.

Nicht nur das Geschäft von Hotelbesitzern, Barbetreibern und Bootsvermietern steht und fällt auf Mallorca mit den Urlaubern, auch die indirekte Abhängigkeit vom Tourismus ist groß. Bleiben die Gäste aus, sinkt auch der Umsatz des Einzelhandels, von Zulieferern für Restaurants oder im Baugewerbe.

"Auf Mallorca hat jede Familie jemanden, der entweder direkt oder indirekt vom Tourismus abhängig ist", sagt Alice Weber. Die 45-jährige Mallorca-Deutsche ist seit 2015 Stadträtin in Inca, einer 30.000-Einwohner-Gemeinde etwa 30 Kilometer von Palma entfernt. Sie weiß: Das Problem ist organisch gewachsen.

Arbeitslosigkeit ist stark gestiegen

Die größte der Balearen-Inseln war nicht immer so abhängig vom Tourismus. Erst mit der Zeit entwickelte sie sich zu einem Paradies für Urlauber – besonders aus Deutschland. Die berühmt-berüchtigte Partymeile, der Ballermann, trug seinen Teil dazu bei. Mit der steigenden Beliebtheit bei Touristen wuchs auch die Chance, schnell viel Geld zu verdienen.

"Über Jahrzehnte haben viele Mallorquiner die Schule frühzeitig abgebrochen", erklärt Alice Weber. "Im Sommer haben sie dann in Hotels gejobbt und dort gut verdient. Im Winter haben sie Arbeitslosengeld erhalten." Das habe lange funktioniert. Dann kam Corona.

Im Jahr 2020 stieg die Arbeitslosigkeit auf den Balearen um rund 47 Prozent – mehr als 84.000 Menschen waren Ende Februar 2021 arbeitslos gemeldet. Dazu kommen 85.000 erwerbslose Saisonarbeiter. "Menschen, die vor einem Jahr noch normal verdient haben, müssen jetzt nach Essen betteln", sagt Hotelbetreiber Heufken. "Das ist furchtbar." Seine Mitarbeiter sind allesamt in Kurzarbeit.

"Wir brauchen ein anderes Wirtschaftsmodell"

Da die Mieten auf Mallorca teils sehr hoch sind, die Arbeitslosenhilfe aber sehr gering ausfällt und oft erst nach Monaten ankommt, ist der Weg auf die Straße nicht weit. In Palma, keine 500 Meter vom Zentrum der Touristen-Stadt entfernt, haben sich Obdachlose aus Matratzen und Holzbrettern eine provisorische Unterkunft gebaut.

Dass es so nicht weitergehen kann, ist allen bewusst. Fraglich ist nur, wie die Zukunft aussieht – und ob die Insel dauerhaft unabhängig werden kann von den Urlaubern. "Die Pandemie hat uns schmerzlich vor Augen geführt, dass wir dringend ein anderes Wirtschaftsmodell brauchen", sagt Weber. "Unser System ist fragil – und eine Krise kann jederzeit wieder über uns hereinbrechen."

Sie fordert, dass Mallorca stärker auf andere Sektoren setzen sollte, etwa die Telekommunikation. Auch erneuerbare Energien wie Solarenergie sollten ausgebaut werden, sagt Weber.

Der Tourismus muss sich ändern

Und der Tourismus? "Der ist der Wirtschaftsmotor Mallorcas – und wird es auch noch bleiben", sagt die Politikerin. "Aber wir müssen endlich weg vom Massentourismus." Das heißt: weniger All-Inclusive-Urlaube, mehr Individualreisen, Appartement statt Sterne-Hotel.

Auf der Partymeile, dem Ballermann, bekommt man bereits einen Vorgeschmack, wie das aussehen könnte. Die großen Party-Paläste – etwa der Mega-Park oder der Bierkönig – sind seit Mitte Sommer 2020 dicht. Auch kleine Clubs und Bars haben geschlossen und werden es wohl bleiben. Selbst viele Hotels sind zu, weil es sich nicht lohnt, für die wenigen Touristen zu öffnen.

Fragt man Urlauber oder Restaurantbesitzer, ist die Hoffnung zwar da, dass der Ballermann wieder so wird wie früher. Doch wirklich daran glauben mag niemand.

Angst vor steigender Inzidenz

Ohnehin ist unklar, wie lange es noch dauert, bis die Touristen in ausreichendem Maß zurückkommen. Bald steht die Sommersaison an. Und wie die ausfällt, hängt maßgeblich vom Infektionsgeschehen ab.

Viele Mallorquiner haben Angst, dass mit den Touristen auch das Virus zurückkehrt. Auch Weber sagt: "Es wäre sinnvoll gewesen, noch zu zulassen. Die Sommersaison, die über drei, vier Monate geht, für zehn Tage Osterurlaub zu opfern, halte ich für gewagt."

Christoph Heufken sieht das anders. "Die Angst war zwar da, als es hieß, es wird geöffnet. Doch beruhigend ist, dass die Deutschen negativ getestet sein müssen, damit sie einreisen können", so Heufken. Momentan liegt die 7-Tage-Inzidenz bei rund 27, einem Wert, von dem Deutschland nur träumen kann. Ob die Urlauber – und damit verbunden das Erstarken des sozialen Lebens – die Inzidenz nach oben getrieben haben, wird sich in etwa zwei Wochen zeigen.

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Die Corona-Maßnahmen sind ohnehin streng. So gilt im ganzen Land eine Maskenpflicht. Nur am Strand und im Hotelzimmer darf man die Maske ausziehen. Nachts herrscht eine Ausgangssperre, die streng kontrolliert wird. Über Ostern wurden die Regeln nochmals verschärft.

Klar ist: Noch einen Lockdown wird sich Mallorca kaum leisten können. Aufgeben ist für Heufken und seine Familie aber keine Option. "Der Virus ist überall, von dem kann man nicht weglaufen", sagt er. "Wir werden auf jeden Fall hier bleiben."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche und Beobachtungen
  • Vor-Ort-Gespräche mit Heufken und Weber
  • Mallorca-Zeitung: "Wirtschaft auf Mallorca und den Nachbarinseln schrumpft um 27 Prozent"
  • Mallorca-Zeitung: "Arbeitslosigkeit auf den Balearen um fast 47 Prozent gestiegen"
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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