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Deutsche zur Inflation: "Sprit ist echt schweineteuer geworden"


Deutsche zur Inflation
"Sprit ist echt schweineteuer geworden"


10.06.2021Lesedauer: 4 Min.
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Jasper Foerstner: Der 19-Jährige beschwert sich über hohe Spritpreise.Vergrößern des Bildes
Jasper Foerstner: Der 19-Jährige beschwert sich über hohe Spritpreise. (Quelle: Kloft/t-online)

Die Mehrheit der Deutschen hat Angst vor einen hohen Inflation – und wünscht sich höhere Zinsen. Die EZB bleibt trotzdem bei ihrem bisherigen Kurs. Warum?

Natalia Bless seufzt. Die 70-jährige Rentnerin kommt aus einem Drogeriemarkt in einer Seitenstraße am Berliner Kudamm. "Alles ist so teuer geworden. Und ich bekomme nur eine schmale Rente", sagt sie. "Wie soll ich mir das noch leisten? Wie soll das bloß weitergehen?"

Bless steht mit ihren Sorgen nicht alleine da. Die Mehrheit der Deutschen hat Angst davor, dass die Preise immer weiter steigen, die sogenannte Inflation immer stärker anzieht. Eine exklusive, repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey für t-online zeigt:

Rund 70 Prozent der Bürger sind aktuell besorgt, dass die Teuerungsrate deutlich steigen könnte. Nur 21 Prozent gaben an, dass sie nicht oder eher nicht besorgt sind, dass die Teuerung anzieht.

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Unberechtigt ist diese Furcht nicht. Nachdem die Preise im vergangenen Jahr mehrere Monate lang gesunken waren, steigt die Inflationsrate in Deutschland seit Jahresbeginn wieder an. Im Mai waren die Verbraucherpreise 2,5 Prozent höher als im Vorjahresmonat, wie das Statistische Bundesamt mitteilte.

Das sind die Gründe für steigenden Preise

Damit erhöhte sich die Inflationsrate bereits im fünften Monat in Folge. Inzwischen liegt sie auf dem höchsten Wert seit September 2011. Für diese Entwicklung gibt es drei Gründe:

  • Erstens: Seit Jahresbeginn liegt der volle Mehrwertsteuersatz wieder bei 19 Prozent, nachdem ihn die Bundesregierung zuvor ein halbes Jahr auf 15 Prozent abgesenkt hatte. Viele Händler geben diesen Steueranstieg seit Jahresbeginn voll an ihre Kunden weiter. Außerdem haben zahlreiche Restaurants, Cafés und Friseurläden nach der Wiedereröffnung ihre Preise angehoben, um Verluste aus dem Corona-Lockdown auszugleichen. Und da viele Bürger im Corona-Jahr viel gespart haben, gehen sie die Preissprünge größtenteils bereitwillig mit. Auch die große Nachfrage etwa nach Reisen oder Kneipenbesuchen treiben also die Preise hoch.
  • Zweitens: Die Konjunktur zieht wieder an, die Wirtschaft erholt sich – und zwar in Asien schneller als in Europa. An einigen Stellen kam es deshalb jüngst zu Lieferengpässen, was ebenfalls zu höheren Preisen führt. So wurden beispielsweise Mikrochips zur Mangelware, aber auch Plastikverpackungen.
  • Drittens: Durch die anziehende Konjunktur steigen auch die Ölpreise, weshalb sich Heiz-, Strom- und Benzinpreise verteuern. Dazu kommt: Seit Anfang 2021 greift ein CO2-Preis. Je Tonne CO2 werden auf Öl und Gas 25 Euro pro fällig. Die Folge: Noch höhere Sprit- und Heizkosten.

All das geht nicht unbemerkt an den Deutschen vorüber, wie sich auch auf den Straßen der Hauptstadt zeigt. "Sprit ist echt schweineteuer geworden", sagt Jaspar Foerstner. Der 19-Jährige Berliner hat erst seit Anfang des Jahres seinen Führerschein. "So aber habe ich mir das Fahren nicht vorgestellt", klagt er.

Auch Andreas Riedel begegnet die Inflation im Alltag. Der 58-Jährige ist zu Besuch in Berlin, stammt eigentlich aus Köln. "Die höheren Spritpreise spüre ich zum Glück nur selten", sagt er und verweist auf seinen Dieselwagen.

"Doch wenn ich Freunde und Familie in der Eifel oder an der Mosel besuche, kann das ins Geld gehen." Und auch an anderen Stellen sieht er, dass die Preise anziehen: "Besonders Obst und Gemüse auf dem Wochenmarkt ist deutlich teurer geworden. Das ärgert einen schon."

Fakt ist: Die Preise könnten noch weiter steigen, die Sorgen der Deutschen sich erfüllen – zumindest zeitweise. Die Teuerung dürfte nach Einschätzung der Europäischen Zentralbank (EZB) in diesem Jahr bei 1,9 Prozent liegen. Im März war die Notenbank von einem Anstieg von 1,5 Prozent ausgegangen.

Notenbank könnte Leitzins anheben – macht es aber nicht

Ein Mittel um die Inflation zu drücken, ist ein Heraufsetzen des Leitzinses, der das Geld teurer macht. Den aber belässt die EZB nach einer Entscheidung vom Donnerstag weiterhin auf dem Rekordtief von null Prozent. Bereits seit 2015 verharrt er auf diesem Niveau.

Für Sparer sind das keine guten Nachrichten. Auch Dolores Knöper, die aus dem Ruhrgebiet kommt, gibt zu: "Für mich wäre es gut, wenn die EZB die Zinsen wieder stiegen." Die 61-Jährige gehört nach eigener Angabe zur "alten Generation", was heißt: "Ich spare meinen Notgroschen noch gerne, statt ihn zu investieren. Deshalb wären höhere Zinsen super."

Ein Gefühl, das viele mit ihr teilen. Die Deutschen wünschen sich mehrheitlich, dass EZB-Chefin Christine Lagarde und ihr Team den Leitzins erhöht. Fast 56 Prozent beantworteten in der t-online-Umfrage von Civey die Frage, ob die EZB den Leitzins anheben soll, mit "ja" oder "eher ja".

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Die Entscheidung der EZB dürfte viele von ihnen folglich ärgern. Das jedoch ist nicht das Ziel der Notenbank. Vielmehr hat die Geldpolitik ökonomische Gründe. Denn die Teuerung dürfte sich mittelfristig wieder verlangsamen, erwarten Experten.

Die kurzzeitige Preissteigerung gilt als Corona-Ausnahme, weshalb ein Gegensteuern jetzt nicht nötig ist. Für nächstes Jahr rechnen die Währungshüter bereits wieder mit einer jährlichen Preissteigerung von nur 1,5 Prozent und für 2023 mit einem Preisplus von 1,4 Prozent.

EZB strebt Teuerungsrate von knapp unter zwei Prozent an

Zudem gilt: Eine leichte Teuerung ist gewünscht. Denn dauerhaft niedrige Preise gelten als Risiko für die Konjunktur: Unternehmen und Verbraucher könnten dann Investitionen aufschieben – in der Hoffnung, dass es bald noch billiger wird.

Mittelfristig strebt die Notenbank deshalb eine jährliche Inflationsrate von knapp unter 2,0 Prozent an. Und das erwartete Preisniveau der nächsten Jahre ist weit entfernt von dieser Marke.

Ohnehin spürt auch hierzulande nicht jeder die höheren Preise, im Gegenteil. Die 18-jährige Italienerin Cristina studiert seit Oktober 2020 in Berlin. Sie sagt: "Ich finde es hier sogar günstiger als bei uns in Italien."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche und Gespräche vor Ort
  • Civey-Umfrage für t-online
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen AFP und dpa
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