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Höhere Steuereinnahmen: Der Spielraum für die Ampel wird größer – aber nur etwas


Neuste Steuerschätzung
Das allein wird der Ampel nicht reichen


Aktualisiert am 11.11.2021Lesedauer: 4 Min.
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Kann sich über die Steuerschätzung freuen: Olaf Scholz, geschäftsführender Bundesminister der Finanzen und wahrscheinlich nächster Kanzler.Vergrößern des Bildes
Kann sich über die Steuerschätzung freuen: Olaf Scholz, geschäftsführender Bundesminister der Finanzen und wahrscheinlich nächster Kanzler. (Quelle: Jens Schicke/imago-images-bilder)

Gute Nachrichten für die Verhandler von FDP, SPD und Grünen: Die Steuereinnahmen fallen wohl bis 2025 um knapp 180 Milliarden Euro höher aus als noch im Mai erwartet. Doch das allein wird für die Ampel nicht reichen.

Es war eine merkwürdige Situation in der Bundespressekonferenz: Vorne saß der geschäftsführende Bundesfinanzminister Olaf Scholz und stellte vor, mit wie vielen Steuereinnahmen der künftige Bundeskanzler Olaf Scholz rechnen kann. Wenigstens: Die Nachrichten waren gut.

Die Steuererwartungen fallen besser aus als zuletzt gedacht. Immerhin gehen die Steuerschätzer davon aus, dass bis 2025 rund 179 Milliarden Euro mehr in die Kassen von Bund, Ländern und Kommunen fließen als noch im Mai vorhergesagt. Zwischen 2021 und 2025 werden pro Jahr im Durchschnitt mehr als 14 Milliarden Euro zusätzlich allein in den Bundeshaushalt fließen.

"Die nächste Bundesregierung kann auf einer soliden Haushalts- und Finanzpolitik aufbauen", so Scholz. Auf die Konstellation, dass er diese Regierung wahrscheinlich anführt, von einer Journalistin angesprochen, antwortete Scholz trocken, wie immer. Er agiere jetzt verantwortungsvoll als Finanzminister, das werde er auch bald als Kanzler – sofern er denn von der Mehrheit der Bundestagsabgeordneten gewählt wird.

Große Vorhaben

Das gilt derzeit als wahrscheinlich. Die Fraktionen von FDP, SPD und Grüne stecken in Koalitionsverhandlungen. Erst am gestrigen Mittwoch legten die Arbeitsgruppen der Fraktionen ihre Ergebnisse den jeweiligen Parteispitzen vor. Alles, was sich in dem Papier nicht findet oder noch strittig ist, muss von Christian Lindner, Annalena Baerbock und Co. nachverhandelt werden.

Fakt ist aber: Die Liste der Vorhaben ist lang. Vor allem in Sachen Digitalisierung und Klimaschutz wollen die Politiker viel Geld in die Hand nehmen. Auch das Rentenniveau soll gesichert, das Renteneintrittsalter aber nicht angehoben werden. Gut möglich, dass die Bundeszuschüsse zur Rentenversicherung weiter steigen.

Zusätzlich investieren wollen die Ampelkoalitionäre rund 50 Milliarden Euro – pro Jahr. Ende 2019 errechnete das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft und das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung einen Investitionsbedarf von rund einer halben Billion Euro in den nächsten zehn Jahren.

Leitplanken der Koalitionäre stehen fest

Und da wären auch noch die Corona-Schulden, die getilgt werden müssen. Woher das Geld für die Vorhaben kommen soll? Das ist die große Frage, auf die auch der Mann der Stunde keine zufriedenstellende Antwort hatte.

Man könne solide Finanzen mit ambitionierten Zielen für die Zukunft verbinden, sagte Scholz lediglich. "Das geht." Aber: Mehr ließ er sich nicht entlocken, die Parteien arbeiteten schließlich vertraulich zusammen.

Die Leitplanken der Koalitionäre stehen dabei fest: Es sollen keine Steuern erhöht werden; die Schuldenbremse, die die Neuverschuldung qua Gesetz eindämmen soll, solle ab 2023 wieder greifen – nachdem sie wegen Corona mehrfach ausgesetzt wurde.

Höhere Steuererwartungen lösen Problem nicht

Klar ist nur: Die neueste Steuerschätzung, die Scholz am Donnerstag vorstellte, kann bei der Finanzierung der Ampelvorhaben zwar helfen; möglicherweise kann man sich das eine oder andere umkämpfte Projekt nun doch leisten. Auch deshalb sprach Scholz von "erfreulichen Zahlen": Der Spielraum für ihn und seine Vorhaben wird größer – aber nur ein bisschen.

Denn lösen wird die Steuerschätzung das grundsätzliche Problem nicht. Das weiß man auch in den Fraktionen. "Die Haushaltslage beim Bund bleibt trotz der positiven Ergebnisse der Steuerschätzung sehr angespannt", sagte etwa der Grünen-Bundestagsabgeordnete Sebastian Schäfer dem "Handelsblatt".

Die Verhandler müssen daher weiter um Wege ringen, mehr Mittel zu mobilisieren, etwa über die Förderbank KfW, über öffentliche Unternehmen oder Investitionsgesellschaften. Diese Gesellschaften und Unternehmen zählen nicht zum Kernhaushalt des Bundes, dürfen Kredite aufnehmen und fallen damit nicht in das strenge Korsett der Schuldenbremse. Diese könnte dann, wie geplant, ab 2023 wieder greifen.

So könnte etwa eine Fernstraßengesellschaft Geld leihen und das Straßennetz sanieren. Manch einer kritisiert solche Vorhaben jedoch als Schattenhaushalte, über die schnell die Kontrolle verloren gehen könnte. Selbst die "Wirtschaftsweisen", die die Regierung beraten, waren zuletzt unterschiedlicher Meinung darüber, ob eine solche Umgehung der Schuldenbremse sinnvoll ist oder nicht.

Andere Vorschläge für mehr Schulden

Doch es gibt noch andere Vorschläge, um mehr Schulden aufzunehmen. So könnten nächstes Jahr, wenn die Schuldenbremse noch ausgesetzt ist, noch mehr Kredite aufgenommen werden, als für die Bekämpfung der Corona-Krise nötig sind. Diese Gelder könnten dann beispielsweise in den Klimaschutz fließen. Doch Verfassungsrechtler haben Bedenken, inwieweit das rechtlich möglich wäre.

Die Denkfabrik "Dezernat Zukunft", deren Chefin Philippa Sigl-Glöckner früher im Finanzministerium von Scholz tätig war, schlug unlängst vor, die Berechnungsgrundlagen der Schuldenbremse leicht anzupassen. So seien 20 Milliarden Euro zusätzlicher finanzieller Spielraum möglich.

Noch viel zu tun für Parteispitzen

Fakt ist: Wenn sich die Parteispitzen am Montag treffen, um über die Ampelvorhaben und ihre Finanzierbarkeit zu diskutieren, ist noch einiges zu tun.

Die Frage, wer künftig Finanzminister werden soll und somit über den möglichen beschlossenen Haushaltsrahmen wachen muss, dürfte dabei eine der einfacheren sein. Zumal jüngst auch noch der Bundesrechnungshof vor einer "kritischen Situation" warnte, indem sich der Bundeshaushalt befinde.

Am Ende ist gut möglich, dass sich die Verhandler von manch einem Herzensprojekt wohl oder übel trennen müssen – oder eben von der Ampel als Ganzes.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Pressekonferenz zur Steuerschätzung
  • Deutschlandfunk: "Wie die Ampel-Investitionen finanziert werden sollen"
  • Süddeutsche Zeitung: "Größerer finanzieller Spielraum für neue Regierung"
  • Handelsblatt: "179 Milliarden Euro mehr: Staat kann bis 2025 mit kräftigem Steuerplus rechnen"
  • Rheinische Post: "Der erste Sündenfall der künftigen Ampel-Koalition"
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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