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Shisha-Branche will weg von ihrem Schmuddelimage


Neuer Verband
Shisha-Branche will weg von ihrem Schmuddelimage

Von Mauritius Kloft

Aktualisiert am 19.02.2022Lesedauer: 5 Min.
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Mann raucht Shisha (Symbolbild): Die Branche hat mit einem schlechten Image zu kämpfen.Vergrößern des Bildes
Mann raucht Shisha (Symbolbild): Die Branche hat mit einem schlechten Image zu kämpfen. (Quelle: Addictive Stock/imago-images-bilder)

Geldwäsche und Drogen: Was nach Gangster-Film klingt, wird immer wieder in Verbindung mit Shisha-Bars gebracht. Jetzt will ein neuer Verband das schlechte Image der Wasserpfeife abschütteln.

Sonnenallee, Berlin-Neukölln: Eine Shisha-Bar reiht sich an die nächste. Drinnen sitzen junge Leute, reichen das Mundstück der Wasserpfeife herum, quatschen. Was gemütlich aussieht, verbinden viele Menschen mit Kriminalität, mit Geldwäsche und Drogengeschäften.

Ein Grund dafür: Schlagzeilen, die immer wieder in großen Lettern auf den Titelseiten lokaler Boulevardmedien prangen. "Schüsse auf Shisha-Bar", "Mucki-Rocker zückt Pistole in Shisha-Bar" oder "150 Polizisten stürmen Shisha-Bars", regelmäßig sorgen solche Storys in der Hauptstadt für Aufsehen.

Die Berliner Polizei widmete der "Clankriminalität" sogar einen eigenen Lagebericht. Der führt explizit auch Shisha-Bars auf – als Ort, wo kriminelle Geschäfte stattfinden. Unter insgesamt 525 durchsuchten Objekten waren demnach im Jahr 2020 102 Shisha-Bars.

Experte: "Latent-rassistische Vorurteile"

Bernd Werse, der das "Centre for Drug Research" an der Uni Frankfurt mitgegründet hat und das Phänomen "Shisha" seit Jahren beobachtet, sieht indes noch einen anderen Grund für das Negativimage. "Vermutlich spielen auch latent-rassistische Vorurteile eine Rolle", sagt der Sozialforscher t-online.

Schließlich stammt die Wasserpfeife ursprünglich aus Indien, ist heutzutage vor allem im Nahen Osten und Nordafrika verbreitet. In Deutschland erfreue sie sich vor allem unter jungen Erwachsenen großer Beliebtheit, sagt Werse, "auch, aber bei Weitem nicht nur bei solchen arabischer Herkunft".

"Shisha-Rauchen ist gelebte Integration"

Fest steht: Nicht nur im bürgerlichen Milieu ist das Image der Wasserpfeife schlecht. Doch das soll sich jetzt ändern, und zwar unter der Ägide von Folke Rega. Der 36-jährige Betriebswirt ist seit September 2021 Geschäftsführer des Verbands Deutscher Wasserpfeifentabak-Manufakturen und Händler.

Der Name ist etwas sperrig. Deshalb soll er bald einem anderen, leichteren Titel weichen. Ab Mitte März wird der Verein im Vereinsregister schlicht als "Bundesverband Wasserpfeifentabak" gelistet sein, durchsetzen dürfte sich wahrscheinlich die Kurzform "Shisha-Verband".

Neuer Name, neues Image? Ganz so einfach wird es nicht, das weiß auch Rega. "Shisha-Rauchen ist gelebte Integration", sagt er einerseits. Andererseits sei klar: "Das Bild des Kulturgutes Shisha wird aber durch eine kleine Minderheit negativ geprägt."

Verhaltenskodex kommt

Daher hat der Zusammenschluss aus mittlerweile 32 Herstellerfirmen, Importeuren und Shisha-Geschäften am Freitag einen Verhaltenskodex verabschiedet – einstimmig, wie Rega betont. Darin enthalten: Die Selbstverpflichtung, keine illegalen Geschäfte zu betreiben und sich an Jugendschutz-Vorschriften und einheitliche Standards zu halten.

"Ganz entscheidend ist es etwa zu prüfen, ob junge Menschen, die in Shisha-Bars kommen, tatsächlich volljährig sind", so Rega. Oder: "Den Handel mit unversteuertem Shisha-Tabak entschieden ablehnen." Eigentlich Selbstverständlichkeiten, schließlich sind das die gesetzlichen Vorschriften. Der Branche scheint es aber offenbar ein Bedürfnis zu sein, diese Regeln abermals deutlich festzuschreiben.

50.000 Shisha-Jobs in Deutschland

Das Problem ist nur: Bislang sind kaum Bars im Verband organisiert, die das am meisten betreffen würde. Wohl auch, weil diese oftmals sehr klein und inhabergeführt sind.

Auch da will Rega mit seinen Mitstreitern ran. "Seit vergangenem Herbst ist unsere Mitgliederzahl stark gewachsen", sagt er im Gespräch mit t-online. Laut eigener Auskunft umfasst der Verband schon heute den Großteil der deutschen Hersteller. Zusammen kommen die Mitglieder laut eigenen Angaben auf einen Umsatz von immerhin 200 Millionen Euro im Jahr.

Künftig soll der Verband auch für Bars und Lounges attraktiver werden. "Unser Ziel ist, auch einen Großteil der Shisha-Bars aufzunehmen", so Rega. "Das würde das richtige Zeichen Richtung Seriosität setzen" – weil diese dann die Selbstverpflichtung unterzeichnen und bei Verstößen dagegen intern sanktioniert würden.

Die Branche an sich sollte dabei nicht unterschätzt werden. Allein in Berlin gibt es laut Medienberichten rund 1.000 Shisha-Bars. Deutschlandweit arbeiteten Mindestens 50.000 Menschen im Wasserpfeifen-Business, schätzt Rega.

"Verhaltenskodex ist nur der Anfang"

Dass der Kodex reicht, um sich vom bisherigen Schmuddelimage zu lösen, ist unwahrscheinlich. Das weiß auch der Verbandsgeschäftsführer selbst. "Der beschlossene Verhaltenskodex ist nur der Anfang", sagt er.

Denn der Verband will nicht nur nach innen für Ordnung sorgen und wenn nötig Druck auf die Mitgliedsfirmen ausüben, sondern das auch von außen tun. Besser gesagt: Es tun lassen. Rega versteht sich auch als Sprachrohr ins politische Berlin, wie andere Lobbyverbände.

Bessere Regeln für Branche

Nicht umsonst sitzt der Shisha-Verband in Berlin an der prominenten Adresse "Unter den Linden 42", nur zehn Gehminuten vom Reichstag entfernt. Konkret will Rega eine bessere Regulierung seiner Branche erreichen. "Der Bund sollte klare, einheitliche Regeln setzen, aber nicht gegen, sondern gemeinsam mit uns", sagt er. "Letztlich haben wir dasselbe Ziel: Die Kriminalität in unserer Branche bekämpfen und den Jugendschutz erhöhen."

Warum das so wichtig sei, zeige das Beispiel Mentholverbot: Im Frühjahr 2020 wurde der Stoff für Shishas aus gesundheitlichen Gründen verboten – obwohl Menthol ein wichtiger Bestandteil im Shishatabak-Aroma darstellte. "Dieses Verbot ging völlig an uns vorbei, auch weil wir nicht gehört wurden." Vorkommnisse wie diese will Rega künftig verhindern.

Ebenfalls auf seiner To-do-Liste sind verbindliche, bundesweite Vorgabe zur Belüftung in einer Shisha-Bar. Denn ohne ohne regelmäßige Sauerstoffzufuhr besteht die Gefahr einer Kohlenmonoxid-Vergiftung. "Bislang ist in den Bundesländern oftmals nur festgelegt, dass es eine 'ausreichende Belüftung' braucht", sagt er. "Aber es wird nicht konkret gesagt, was genau das bedeutet."

Verband fordert "Shisha-Bar-Lizenz"

Und der Verbandschef geht noch weiter. "Wir können uns zukünftig sehr gut eine Shisha-Bar-Lizenz vorstellen", sagt er und spielt auf die Schanklizenz an, die jeder beantragen muss, der in Deutschland Alkohol ausschenken will. Jeder Möchtegern-Kneipenwirt muss sich in diesem Zuge einer umfassenden Überprüfung durch die Behörden unterziehen, in der Regel sogar ein polizeiliches Führungszeugnis vorweisen.

"Bei Shisha-Bars ist das aber ganz egal: Die kann jeder aufmachen, der will", so Rega. "Es wird nicht geprüft, ob der Unternehmer überhaupt qualifiziert ist." Der Kriminalität, besonders Geldwäsche-Delikten, öffnet das entsprechend Tür und Tor.

Eine Shisha-Lizenz würde da helfen, meint Rega. "Menschen, die wegen illegaler Geschäfte aufgefallen sind, dürften etwa eine solche Lizenz nicht erhalten. So kann von vorneherein unterbunden werden, dass Kriminelle die Bar für ihre Tätigkeiten kapern", sagt er.

"Ähnlich wie bei der Schanklizenz könnte die Shisha-Lizenz auch das zuständige Ordnungsamt vergeben", so Rega. Der politische Wille für eine Shisha-Konzession sei "auf jeden Fall" da.

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"Gesundheitliche Risiken für Verbraucher gibt es dennoch"

So sehr man dem neuen, alten Verband seine Bemühungen abnehmen mag – mit dem geplanten Image-Wandel dürfte es dennoch schwierig werden. Das zumindest glaubt Sozialforscher Werse. "Es ist fraglich, ob eine Branche, die ihr Geld mit gesundheitsschädlichen Produkten verdient, jemals ein komplettes Saubermann-Image erlangt", sagt er.

Zwar sei die Suchtgefahr bei Shishas eher gering – nur sehr wenige Menschen rauchten täglich Wasserpfeife, sagt er. "Aber gesundheitliche Risiken für Verbraucher gibt es dennoch. Schließlich verdampft oder verbrennt auch hier Tabak mit den entsprechenden Schadstoffen."

Shisha-Lobbyist Rega ist trotzdem guter Dinge. "Gerade in einer Zeit, in der viele Menschen nicht miteinander reden können oder wollen, bringen Shisha-Bars die Leute zusammen", sagt er. Ein fast pathetischer Satz, und das, obwohl es nur um glühende Tabakaromen geht.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Videointerview mit Folke Rega
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