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Hohe Inflation: Ökonomen erklären Tankrabatt für gescheitert


Hohe Inflation
Wirtschaftsweise erklärt Tankrabatt für gescheitert

Von dpa
26.06.2022Lesedauer: 4 Min.
Hohe Spritpreise trotz Tankrabatt: Ökonomen erklären die Maßnahme als gescheitert, die Inflation bleibt weiterhin hoch.Vergrößern des BildesHohe Spritpreise trotz Tankrabatt: Ökonomen erklären die Maßnahme als gescheitert, die Inflation bleibt weiterhin hoch. (Quelle: Wolfgang Maria Weber/imago-images-bilder)
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Gezielte Maßnahmen, statt Geldsegen für alle: Viele Ökonomen kritisieren den Tankrabatt und fordern stattdessen spezifische Maßnahmen für bedürfte Haushalte.

Führende deutsche Volkswirte erklären den Tankrabatt für gescheitert und fordern angesichts dunkler Wolken am konjunkturellen Horizont eine gezieltere Unterstützung bedürftiger Haushalte von der Politik. Der Tankrabatt sei dagegen schon im Ansatz falsch gewesen.

"Es wurde versucht, fossile Energieträger noch zu vergünstigen – mit mäßigem Erfolg. Man muss das bei denjenigen abfedern, die diese Härten nicht tragen können", sagte die Wirtschaftsweise Veronika Grimm. Der Tankrabatt kam dagegen allen Verbraucherinnen und Verbraucher zugute, die einen hohen Benzinverbrauch haben.

Trotz Tankrabatt und Neun-Euro-Ticket ist die deutsche Inflationsrate im Juni nach Prognose von Ökonomen nicht gesunken. Waren und Dienstleistungen dürften durchschnittlich erneut 7,9 Prozent mehr kosten als ein Jahr zuvor, geht aus der Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters unter Ökonomen von rund einem Dutzend Banken hervor. Im Mai hatte sie mit ebenfalls 7,9 Prozent den höchsten Stand seit dem Winter 1973/1974 erreicht.

Keine Entlastung für Verbraucher

"Ich rechne bei den Juni-Zahlen mit keiner Entspannung an der Inflationsfront", sagte der Chefstrategie der Privatbank Merck Finck, Robert Greil. Dabei hat die Bundesregierung ein Milliardenpaket geschnürt, um eben dies zu erreichen. Die Energiesteuer auf Kraftstoffe etwa wird seit 1. Juni befristet für drei Monate "auf das europäische Mindestmaß" abgesenkt, was dem Finanzministerium zufolge 30 Cent pro Liter weniger bei Benzin und 14 Cent beim Diesel bedeutet. Zugleich wurde für 90 Tage im ÖPNV ein Ticket für neun Euro pro Monat eingeführt.

Nachhaltig günstiger ist das Leben dadurch nicht geworden – was auch für die Euro-Zone insgesamt gilt. "So haben sich die Kraftstoffe trotz der Senkung der Steuern auf Benzin und Diesel in Deutschland europaweit im Juni gegenüber Mai um schätzungsweise 2,5 Prozent verteuert", sagte Commerzbank-Ökonom Christoph Weil. "Auch bei Nahrungsmittel ist der Preisauftrieb unverändert hoch." Für die Euro-Zone erwarten die von Reuters befragten 16 Volkswirte daher einen Anstieg der Inflationsrate auf den Rekordwert von 8,3 Prozent, nach 8,1 Prozent im Mai.

Zweistellige Inflationen womöglich unvermeidbar

Das Ende der Fahnenstange bei der Preisentwicklung dürfte damit noch nicht erreicht sein - vor allem nicht, sollten russische Gaslieferungen ausbleiben. "In Deutschland droht infolge der ausgerufenen Alarmstufe des Notfallplans Gas ein massiver Preisanstieg bei den Gaspreisen für private Haushalte", sagte Ökonom Jörg Angele vom Vermögensverwalter Bantleon. "Sollte die Regierung den Gasversorgern erlauben, ihr Sonderkündigungsrecht auszuüben, dürften die Preise auf breiter Front nach oben gehen." Zweistellige Inflationsraten gelten dann als unvermeidbar.

Grimm fordert daher eine gezielte Entlastung der bedürftigen Haushalte: Auch Marc Schattenberg, Volkswirt bei Deutsche Bank Research und Katharina Utermöhl von der Allianz-Gruppe fordern einen stärkeren Fokus für staatliche Hilfen. "Die Unterstützung für die bedürftigen Haushalte könnte noch gezielter ausfallen als zuletzt", sagte Schattenberg.

Insgesamt sei die konjunkturelle Situation schwierig. "Uns muss bewusst sein, dass die Energiepreise hoch bleiben und dass es eine Phase wird, die herausfordernd wird", sagte Grimm. "Den Menschen zu suggerieren, der Status quo könne erhalten bleiben, ist nicht richtig." Dies müsse nicht zwangsläufig eine Verschlechterung bedeuten.

Comeback der Insolvenzen

Christoph Siebecke von der Oldenburgischen Landesbank sieht es ähnlich: "Die Firmen schauen derzeit noch in der Mehrheit positiv auf die Wirtschaft. Aber das Momentum geht eindeutig zurück", sagte er. Er sieht jedoch auch positive Aspekte. "Die Geschwindigkeit, mit der sich die deutsche Wirtschaft anpasst, ist erstaunlich", sagte er. Die Abhängigkeit von russischem Gas sei bereits spürbar zurückgefahren.

Dennoch dürfte diese Krise für viele Firmen der Kipppunkt sein. Allianz-Volkswirtin Utermöhl erklärte, auch auf Deutschland komme ein "Comeback der Insolvenzen" zu. "Die Zahl der Firmenpleiten wird von 2024 an deutlich steigen", sagte sie. "Auch hier erleben wir eine Zeitenwende. Ich habe den Eindruck, wir haben noch gar nicht begriffen, was sich alles ändert." Auch den Bürgern müsse bewusst sein, dass Energiesparen das Gebot der Stunde sein müsse. Die Senkung des Gasverbrauchs um einen Prozentpunkt bringe eine Bruttowertschöpfung von 2,5 Milliarden Euro und sichere 25.000 Arbeitsplätze, sagte sie.

Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der staatlichen KfW-Gruppe, erklärte, es sei jetzt schon klar, dass mittelfristig weniger Gas zur Verfügung stehen werde – trotz aller Bemühungen. Und es werde teurer sein. Sollten auch die Lohnforderungen der Arbeitnehmer sehr hoch ausfallen und durchgesetzt werden können, drohe eine Lohn-Preis-Spirale – und eine mehrjährige Stagflation in Deutschland.

Lohn-Preis-Spirale droht

Befeuert wird diese Gefahr durch die Tendenz vieler Unternehmen, sich über erhöhte Bezahlung Personal auf dem leer gefegten Arbeitsmarkt zu sichern. "Gerade die Tarifbereiche, in denen viele Beschäftigte unter 12 Euro verdienen, haben sich schon im Vorfeld auf Lohnanhebungen geeinigt, das hat man bei den Zeitarbeitsfirmen gesehen, das hat man im Gebäudereinigerhandwerk schon vor einigen Wochen bemerkt", sagte Deutsche-Bank-Volkswirt Schattenberg.

Mit seiner Kollegin Grimm ist er sich einig, dass dies geeignet sei, die Inflation weiterzutreiben. "Ich würde nicht sagen, dass wir schon in einer Lohn-Preis-Spirale sind. Aber das Risiko besteht", sagte die Wirtschaftsweise. Als Lohn-Preis-Spirale bezeichnet man eine Phase, in der sich steigende Löhne und steigende Kosten gegenseitig anheizen und immer weiter nach oben treiben.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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