t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomeGesundheitGesundheit aktuell

Infektionswelle: "Werden uns an höhere Krankenstände gewöhnen müssen"


Experte zur Infektionslage
Darum ist das Coronavirus immer noch gefährlich

  • Lynn Zimmermann
Von Lynn Zimmermann

22.12.2023Lesedauer: 4 Min.
Nachrichten
Wir sind t-online

Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.
Wer nachts zu wenig Schlaf bekommt, läuft Gefahr, ernsthaft krank zu werden.Vergrößern des Bildes
Kopf- und Gliederschmerzen: Millionen Deutsche sind derzeit an einem akuten Atemwegsinfekt erkrankt. (Quelle: demaerre/Getty Images)

Kurz vor Weihnachten leiden fast neun Millionen Deutsche an einer Infektion der Atemwege. Ein Experte gibt erschütternde Prognose.

Die Infektionswelle dieses Winters hat einen Höhepunkt erreicht. Laut aktuellem Bericht des Robert Koch-Instituts (RKI) sind fast neun Millionen Menschen von akuten Atemwegserkrankungen wie Corona, Grippe oder der Respiratorischen Synzytial-Virus-Infektion (RSV) betroffen. Das sind eine Million Erkrankte mehr als in der Vorwoche.

t-online fragte den Mathematiker Kristan Schneider nach seiner Einschätzung des aktuellen Infektionsgeschehens. Er modellierte unter anderem auch die Entwicklungen während der Pandemie.

Infektionswelle 2023: Ist sie heftiger als sonst?

Insgesamt schätzt das RKI, dass vorige Woche 10.600 pro 100.000 Einwohnern mit einer akuten Atemwegserkrankung infiziert waren. Das sind rund 1.100 Personen mehr als noch in der Vorwoche. Zum Vergleich: Vor einem Jahr um diese Zeit war die Rate mit über 11.000 Infektionen noch höher. In den Jahren 2021 und 2020 waren die Zahlen jedoch weitaus niedriger. Ist das derzeitige Infektionsgeschehen nun stärker als sonst oder nicht?

Nach Ansicht des Mathematikers und Experten für die Modellierungen epidemiologischer Prozesse liegt die Antwort irgendwo dazwischen. "Man muss beachten, dass Corona dazugekommen ist und wir jetzt einen Erreger mehr für Atemwegserkrankungen haben als vor der Pandemie. Trotzdem sind wir immer noch unter dem Niveau von 2022."

Allerdings seien die Jahre schwer vergleichbar, meint Schneider. Das gelte sowohl für das Jahr 2022 als auch für die beiden Pandemiejahre 2020 und 2021. Der Grund: "Damals galten starke Beschränkungen. Daher hatten wir ein sehr geringes Infektionsaufkommen von all diesen Erkrankungen. Aber durch diese Schutzmaßnahmen hat der Immunschutz gegen die anderen Erreger von Atemwegserkrankungen abgenommen. Mit der Aufhebung der Beschränkungen kam es daher im Jahr 2022 zu einem Nachholeffekt von diesen Erkrankungen und den hohen Infektionszahlen."

Für einen besseren Vergleich müsse man also die Zahlen aus den Jahren vor der Pandemie heranziehen, also 2018 und 2019. Der Vergleich der Zahlen des RKI-Berichts zeigt: Die Infektionszahlen sind durchaus höher als noch vor der Pandemie.

Ist das noch der Nachholeffekt der Pandemie?

Den Nachholeffekt der Corona-Pandemie schließt Schneider als Ursache aus. "In diesem Jahr müsste der Immunschutz gegen RSV, Adenoviren und andere Erkältungsviren sowie gegen Influenza wieder gut hergestellt sein. Mit diesen Viren ist man aber durchaus auch wieder auf dem Niveau der Vorpandemie-Jahre."

Vielmehr sei das Corona-Virus selbst der Auslöser für die Infektionswelle. "Corona ist mit Abstand das ansteckendste Virus unter den Erregern der Atemwegserkrankungen. Es supprimiert das Immunsystem, sodass man sich leichter mit anderen Viren infizieren kann. Das heißt, da hat man einen Verstärkungseffekt."

Das zeigen auch die Zahlen des RKI. Dort ist ersichtlich, dass das Coronavirus SARS-CoV-2 weiterhin für einen Großteil der Atemwegserkrankungen verantwortlich ist.

Kristan Schneider
Kristan Schneider (Quelle: Helmut Hammer)

Zur Person

Kristan Schneider ist Mathematikprofessor an der Hochschule Mittweida, Sachsen. Sein Forschungsschwerpunkt ist die Modellierung epidemiologischer Prozesse.

Krankenstände werden weiter hoch bleiben

Corona ist gekommen, um zu bleiben. Das bestätigten bereits viele Experten. Werden die vielen Krankheitsfälle im Winter also zur neuen Normalität? Mathematiker Schneider geht davon aus: "Es ist anzunehmen, dass wir mit den Infektionszahlen ab jetzt immer über dem Niveau der Atemwegserkrankungen vor der Pandemie liegen. Wir werden uns also an höhere Krankenstände gewöhnen müssen. Und es werden auch nicht weniger Viren. Aber der Verlauf der Infektionen mit dem Corona-Virus ist nur schwer vorhersehbar. Und diese machen derzeit noch den größten Anteil der Infektionen aus."

Und wie sieht es in näherer Zukunft aus? Lassen die Feiertage die Infektionszahlen noch weiter in die Höhe steigen? Schneider: "Die Grippewelle ist sicherlich im Kommen. Grundsätzlich ist sie aber nicht so ansteckend wie Corona. Daher infizieren sich momentan vor allem Kinder und Jugendliche, gefolgt von jungen Erwachsenen. Das liegt am Kontaktverhalten. Im Kindergarten überträgt sich das Virus ebenso schnell, genauso wie im Klassenzimmer. Dort steht oft die Luft und es sind viele Menschen auf kleinem Raum über lange Zeiträume beieinander."

Über die Feiertage werden die Übertragungswege in Schulen und Kindergärten gekappt. Dadurch erwarte Schneider nicht, dass es nach den Feiertagen mehr Infektionen gibt als jetzt. Nach den Feiertagen werde es dann genauso weitergehen wie derzeit. "Ab Februar werden die Krankenständer dann sicherlich abnehmen. Bis dahin rate ich allen, in den öffentlichen Verkehrsmitteln und in Arztpraxen zu einer FFP2-Maske zu greifen."

Corona oder Grippe: Was ist besorgniserregender?

Auch im Hinblick auf den vom RKI gemeldeten Anstieg der Schweinegrippe-Infektionen glaube Schneider nicht, dass es zu einem großen Problem kommen wird. "Die Schweinegrippe ist ein Subtyp der Influenza, die sogenannten Influenza A(H1N1). Diese Subtypen sind manchmal ansteckender, manchmal weniger ansteckend. Allerdings sollten sich Risikogruppen schützen. Es gibt eine Schutzimpfung mit Impfempfehlung für Risikogruppen und es gibt Medikamente wie Xofluza und Tamiflu."

Info: Schweinegrippe

Dieser Subtyp ist während der Grippewelle 2009 erstmals aufgetreten. Seitdem zirkuliert er saisonal in Deutschland, zuletzt deutlich in der Saison 2018/19.
Bei Grippewellen, in denen dieser Erreger dominierte, sei Experten zufolge bislang zu beobachten gewesen, dass es auch bei jüngeren Erwachsenen und Kindern zu sehr schweren Erkrankungen gekommen sei, insbesondere wenn Grundkrankheiten vorlagen. Insgesamt sind solche schweren Verläufe bei jungen Menschen aber selten.

Schneider zufolge sei Corona mit Abstand das ansteckendste Virus unter den Erregern der Atemwegserkrankungen. "Es kann sein, dass mal eine Variante kommt, die schwerere Verläufe verursacht oder mal eine leichtere. Dementsprechend verändern sich die Krankenstände von Jahr zu Jahr. Wie das auch bei der Grippe ist."

Eine Notlage gebe es aber auch hier nicht mehr. Für die meisten Menschen sei es möglich, sich mit Impfungen, Masken und Hygienemaßnahmen eigenverantwortlich zu schützen.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Interview mit Prof. Dr. Kristan Schneider
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website