Streit um Qualität Wie gut müssen Windeln für Erwachsene sein?
Es ist ein Tabuthema. Menschen mit Blasenschwäche müssen auch im Erwachsenenalter Windeln tragen.
Mehr als vier Millionen Menschen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sind nach Angaben des Selbsthilfeverbandes-Inkontinenz wegen Blasenschwäche in Behandlung. Rechnet man eine Dunkelziffer hinzu, dürfte es in Deutschland schätzungsweise sechs bis sieben Millionen betroffene Menschen geben. Nicht nur Senioren leiden daran, es kann auch Jüngere treffen.
Inge B.: Ständiges Nässegefühl, entzündete Haut
Die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) beschreibt in ihrem Jahresbericht 2015 ein Fallbeispiel: Die 72-jährige Inge B. leidet aufgrund einer Parkinson-Erkrankung unter starker Inkontinenz. Da sie die Kosten für die Windelhosen auf Dauer nicht selbst tragen kann, verordnet der Arzt ihr diese.
Die Krankenkasse von Inge B. verweist die Seniorin daraufhin an einen Vertragslieferanten, der die Windel für einen monatlichen Betrag von 14,99 Euro anbietet. Doch die Windeln laufen nach kurzer Zeit aus. Die 72-Jährige hat ein ständiges Nässegefühl, die Haut entzündet sich, sie bekommt eine Pilzinfektion. Die Krankenkasse verweist sie an den Hersteller. Dies bleibt ohne Erfolg, so der UPD-Bericht.
Für gute Windeln zahlen Patienten bis zu 100 Euro drauf
Um vernünftige Qualität zu bekommen, zahlen viele Patienten den Differenzbetrag zu den teureren Windeln selbst. Nach Angaben des Vorstands des Selbsthilfeverband-Inkontinenz, Stefan Süß, stiegen die Zuschläge für qualitativ hochwertige Windeln kontinuierlich an und liegen heute bei 50 bis 100 Euro im Monat.
Die Billigwindeln werden nach Darstellung von Süß im Ausland hergestellt. Ein großer Produzent sitze in Nordfrankreich, ein anderer in Dänemark. Mittlerweile komme aber der überwiegende Teil aus Asien, insbesondere aus China, sagt Süß. In Deutschland ansässige (Versand-)Händler schlössen entsprechende Verträge mit den Krankenkassen und vertrieben diese Windeln hierzulande.
Hilfsmittel wie Windeln kosten die Kassen Millionen
Die gesetzlichen Kassen wiederum stecken in einem Dilemma. Sie müssen sparen. Seit Anfang des Jahres drückt sie der sogenannte Zusatzbeitrag, also der Teil des Gesamtbeitrages zur Krankenversicherung, den die Kassen selbst festlegen.
Die Kassen müssen sehr darauf achten, dass sie ihre eigene Prognose einigermaßen einhalten. Können sie das nicht, weil ihre Finanzlage angespannt ist, laufen sie Gefahr, Mitglieder zu verlieren. Und das Budget für Hilfsmittel wie Windeln ist nicht unerheblich.
Erhalten Sie Antworten aus Tausenden t-online-Artikeln.
Antworten können Fehler enthalten und sind nicht redaktionell geprüft. Bitte keine personenbezogenen Daten eingeben. Mehr Informationen. Bei Nutzung akzeptieren Sie unsere Datenschutzhinweise sowie unsere t-online-Assistent Nutzungsbedingungen.
Qualität wird bis Anfang 2016 überprüft
Süß traf sich am vergangenen Freitag mit dem Patientenbeauftragten der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann (CDU), und überbrachte ihm eine Liste mit 16.000 Unterschriften für eine Petition mit der Botschaft: Die Versorgung mit qualitativ hochwertigen Windeln muss verbessert werden.
Das Problem scheint mittlerweile in der Tat solche Dimensionen angenommen zu haben, dass sich Laumann zum Handeln veranlasst sieht. Er will die Qualität der Windeln überprüfen lassen und bis Anfang nächsten Jahres Ergebnisse vorlegen.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.