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Atomabkommen: Donald Trumps Wette auf einen Regime-Wechsel im Iran


Atomabkommen mit dem Iran
Trumps Wette auf einen Regime-Wechsel in Teheran

  • Gerhad Spörl
Eine Analyse von Gerhard Spörl

Aktualisiert am 10.05.2018Lesedauer: 6 Min.
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Protest im iranischen Parlament gegen den US-Ausstieg aus dem Atomabkommen: Donald Trump hat damit eine Wette auf einen Regimewechsel im Iran abgeschlossen, schreibt Gerhard Spörl.Vergrößern des Bildes
Protest im iranischen Parlament gegen den US-Ausstieg aus dem Atomabkommen: Donald Trump hat damit eine Wette auf einen Regimewechsel im Iran abgeschlossen, schreibt Gerhard Spörl. (Quelle: Uncredited/ap-bilder)

Das Atomabkommen war nicht so gut, wie Obama-Freunde behaupten und nicht so schlecht, wie Trump es hinstellt. Teheran profitierte davon, wenn auch weniger als erhofft. Und nun?

Interessant an dem Atomabkommen mit dem Iran war schon immer, dass man es für gut oder schlecht halten konnte. Es hängt von der Perspektive ab und auch davon, welche längerfristigen Ziele damit verbunden sind.

Kein Zweifel herrscht daran, dass sich der Iran an die Verpflichtungen hielt. Dazu gehörte, dass es sein Arsenal an angereichertem Uran reduzierte (genau: um 97 Prozent), die Zentrifugen zerstörte (genau: zwei Drittel) und überdies sämtliche Plutoniumfabriken aufgab. Die Inspektoren der Internationalen Atomenergieorganisation bekamen regelmäßig Zugang zu den Anlagen und bestätigten, dass sich der Iran an die Regeln hielt.

Wahrscheinlich hat es in der Geschichte noch kein vergleichbar strenges Überwachungssystem über ein Abkommen dieser Art gegeben.

Das Abkommen sorgte dafür, dass dem Iran der Weg zum Bau von Atomwaffen verstellt war – genauer gesagt: dass der Iran sich selbst den Weg dazu verstellte. Die Verhandlungen zogen sich jahrelang hin. Am 14. Juli 2015 einigte sich der Iran mit der "P5 + 1", wie die Gegenseite hieß: die fünf ständigen Vertreter im Sicherheitsrat USA, Frankreich, England, Russland und China und dazu Deutschland. Auch in dieser Zusammensetzung ist dieses Abkommen einzigartig. So stand und steht es auf breiter Basis. Der UN-Sicherheitsrat ratifizierte es durch eine Resolution.

Die Motivation des Iran

Warum wollte der Iran das Abkommen? Die westlichen Industriestaaten hatten umfassende Wirtschaftssanktionen verhängt, die das Land isolierten und schwächten. Am Ende musste es eine Wahl treffen. Bei der Abwägung Nuklearmacht oder Anschluss an die Globalisierung entschied sich das Regime der Mullahs für die Globalisierung. Dafür setzte sich vor allem der im Westen als liberal eingestufte Staatspräsident Hassan Ruhani ein, der im Mai 2017 in der Hoffnung auf ökonomischen Aufschwung denn auch wiedergewählt wurde.

Das Abkommen ist einseitig, da hat Donald Trump recht, auch wenn er sich wie immer im Ton vergreift. Es konzentriert sich auf das Nuklearprogramm, was durchaus verständlich ist, weil es damals das Hauptproblem war. Israel, die einzige Nuklearmacht im Nahen Osten, war über den Bau der Bombe zutiefst beunruhigt und behielt sich einen Präventivschlag vor. Saudi-Arabien und Ägypten spielten mit dem Gedanken, ebenfalls Bomben aus Uran oder Plutonium zu bauen, um zu verhindern, dass der Iran, atomar bewaffnet, zur Hegemonialmacht aufsteigen kann.

So war das Abkommen ein Fortschritt und zugleich unbefriedigend. Denn da ist ja noch Syrien und der Libanon, der Irak und Israel, dazu der Jemen. Überall dort, wo Krieg oder auch nur Fast-Krieg herrscht, mischt der Iran mit oder verursacht ihn. In Syrien haben die iranischen Nationalgarden, gemeinsam mit Russland, Baschar al-Assad stabilisiert. Dort greift auch die Hisbollah ein, ebenfalls aus Teheran finanziert und kontrolliert.

Hegemonie im Nahen Osten

Was bezweckt der Iran damit? Hegemonie im Nahen Osten, konventionell statt atomar. Die schiitischen Mullahs nutzen das Vakuum, das die Weltmacht USA hinterließ. Sie versuchen, die religiöse und politische Dominanz der arabisch-sunnitischen Mehrheit, angeführt von der saudischen Monarchie, zu brechen. Der andere Feind in der Region ist Israel, den der Iran durch Stellvertreter in Dauerkonflikt hält: durch die Hisbollah und die Hamas, die andere Gruppe, die Terror entfaltet und dem "zionistischen Regime", wie Israel in offiziellen Verlautbarungen aus Teheran genannt wird, das Existenzrecht abspricht.

Barack Obamas Logik ging so: Ich will dieses Abkommen, damit Reformer wie Ruhani die Oberhand gewinnen und sich gegen die Anti-Reformer durchsetzen können. Das kann dauern, aber damit leite ich einen Prozess ein, der dem Iran hilft, denn schließlich ist es ein Land mit Mittelstand, mit Ölindustrie und historischer Affinität zum Westen. Auf Dauer wird sich Teheran auf innere Entwicklung anstatt auf das Aufmischen der Region besinnen.

Als es noch zwei deutsche Staaten gab, hieß diese Wette auf die Zukunft "Wandel durch Annäherung": Kommt der Stärkere dem Schwächeren entgegen, verändert sich der Schwächere in die gewünschte Richtung.

Erfolg oder Misserfolg? Schwer zu sagen

Ist die Wette aufgegangen? Das Abkommen trat am 16. Januar 2016 in Kraft. Nach etwas mehr als zwei Jahren lässt sich weder schlussfolgern, dass es ein Erfolg ist noch ein Misserfolg. Ein Erfolg ist, dass sich der Iran an die Spielregeln hielt. Ein Erfolg ist auch die Wiederwahl Ruhanis, was aber nichts daran ändert und auch noch nichts daran ändern kann, dass die Macht nicht bei ihm, sondern woanders liegt: bei dem geistlichen und politischen Oberhaupt Ali Khamenei und der Vielzahl von Sicherheitsorganen, auf die die Anti-Reformer Zugriff haben. Der Iran ist eine seltsame Mischung aus Theokratie und Demokratie, wobei die Demokratie der erheblich schwächere Teil der Konstruktion ist.

Präsident Trump hat immer gegen das Abkommen polemisiert und macht nun wahr, was er gesagt hat. Die Abkehr fällt ihm leicht, da Barack Obama das Abkommen nie dem Kongress in Washington vorlegte – in der Einsicht, dass er dort keine Mehrheit finden würde. Aus diesem Grund genügt ein Federstrich für die Null und Nichtigkeit. Aber auch Trump geht eine Wette auf die Zukunft ein.

Regimewechsel durch Erpressung

Er baut darauf, dass der Iran wieder in ernsthafte Schwierigkeiten gerät, sobald neue Wirtschaftssanktionen verhängt sind. Die Aussichten dafür sind sogar gut, denn der dauerhafte Aufschwung, auf den der Iran gehofft und den Präsident Ruhani versprochen hatte, ist ausgeblieben. Es gibt sogar Unruhen deswegen, und die Währung ist im freien Fall.

Trumps Wette geht so: Ich verhänge Sanktionen und zwinge die Europäer dazu mitzumachen, ob sie wollen oder nicht. Damit löse ich Unruhen in Teheran und den anderen Städten aus, die zu einem Umsturz im Land führen. Außerdem isoliere ich den Iran in der Region und arbeite mit Saudi-Arabien und Israel zusammen am Niedergang des Mullah-Regimes. Und wenn sie wieder damit anfangen, die Bombe zu bauen, behalte ich mir einen Präventivschlag vor oder meinetwegen kann ihn auch Israel ausführen. Die Hauptsache ist doch, dass der Iran daran gehindert wird, weiterhin Assad zu stärken, den Irak zu schwächen und den Jemen gegen Saudi-Arabien aufzuhetzen.

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Obama ging es um Wandel durch Annäherung. Trump geht es um Regimewechsel durch Erpressung. Aus Sicht Obamas gab der Stärkere dem Schwächeren eine Chance zur Reform. Aus Sicht Trumps ist es logisch, dass der Stärkere die Schwächen des Schwächeren zu seinen Gunsten ausnutzt.

Wie geht es nun weiter?

Allerdings sind an dem Abkommen ja andere Länder beteiligt gewesen, die den Präsidenten beschworen haben, es beizubehalten. Somit gibt es mehrere Möglichkeiten, wie es weitergehen könnte:

  • Erstens: Der Iran erklärt, dass er sich weiter an das Abkommen hält, ungeachtet der Kündigung durch die USA. Die Inspektoren behalten ihre Rundgänge bei. Die westlichen Signatarstaaten belohnen dieses Wohlverhalten. Damit würde sich die Entfremdung zwischen England/Frankreich/Deutschland und Amerika vertiefen. Russland spielt ohnehin eine Sonderrolle, weil seine Interessen mit denen Irans teilweise identisch sind, zum Beispiel in Syrien. China schaut sich die Vorgänge aus sicherer Ferne an und warnt Nordkorea davor, diesem Trump-Amerika zu trauen.
  • Zweitens: Der Iran hält sich an das Abkommen unter der Bedingung, dass die anderen Signatarstaaten keine Wirtschaftssanktionen verhängen. Dann hängt vieles von den drei transatlantischen Bündnispartnern ab, die ihrerseits amerikanische Sanktionen bei Unbotmäßigkeit riskieren.
  • Drittens: Der Iran nimmt sein Nuklearprogramm wieder auf, destabilisiert die Region so systematisch wie zuvor. Er entscheidet sich diesmal bei der Alternative Nuklearmacht oder Globalisierung für die Nuklearmacht.
  • Viertens: Der Iran lässt sich auf Neuverhandlungen über ein Abkommen ein, für das dann auch über seine Aktivitäten in der Region verhandelt wird. Somit wird die Einseitigkeit des Obama-Abkommens durch ein umfassendes Trump-Abkommen abgelöst.

Welche der vier Möglichkeiten kommt am Ende zum Tragen? Zunächst wohl eine Mischung aus mehreren, eine Kombination von Drohungen und Angeboten, von Abwarten auf Reaktionen und Vorkehrungen treffen, aus Signalen an die Europäer und Verwünschungen für Amerika. Die Doppeldeutigkeit dürfte sich hinziehen, das Sondieren, das Hineinlauschen in die Region, das Abtasten. In gebührendem Abstand zur Aufkündigung wird sich dann eine Antwort ergeben: Globalisierung oder Nuklearmacht. Beides zusammen geht nicht.

Vielleicht passiert auch einfach: nichts

Ehrlich gesagt, glaube ich nicht, dass die Kündigung des Atomabkommens, mit Pomp und Gloria in Washington proklamiert, so schnell etwas im Nahen Osten verändert, weder zum Guten noch zum Schlechten. Mehr Krieg in dieser Region geht kaum. Nur die Steigerung der Barbarei ist denkbar. Bis zum Nuklearschlag? Glaube ich nicht. Damit hat Israel ermüdend oft gedroht.

Die Führung in Teheran muss sich gut überlegen, welche Konsequenz sie zieht. Davon hängt einiges für die Zukunft des Landes ab. Präsident Ruhani wird das Königsopfer sein, wenn die Radikalen die Wiederaufnahme des Programms durchsetzen. So wünscht es sich Donald Trump, damit sich die Widersprüche im Iran verschärfen.

Seine Wette läuft ab jetzt.

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