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Syrien: Trump droht – Erdogan schickt weiteres Militär an die Grenze


Geplanter Einmarsch
Trump droht – Erdogan schickt weiteres Militär an die Grenze

Von dpa
Aktualisiert am 08.10.2019Lesedauer: 4 Min.
US-Präsident Donald Trump: Hochrangige Republikaner kritisieren den angekündigten Abzug der US-Truppen aus Nordsyrien massiv.Vergrößern des BildesUS-Präsident Donald Trump: Hochrangige Republikaner kritisieren den angekündigten Abzug der US-Truppen aus Nordsyrien massiv. (Quelle: Evan Vucci/ap-bilder)
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US-Präsident Donald Trump hat der Türkei mit wirtschaftlicher Vernichtung gedroht, sollte die Armee gegen die Kurden im Norden Syriens vorgehen. Ankara zeigt sich unbeirrt.

Die Türkei gibt sich nach Drohungen von US-Präsident Trump wegen einer geplanten türkischen Offensive in Nordsyrien sowie internationalen Protesten gegen den Plan unbeeindruckt. "Unsere Botschaft an die internationale Gemeinschaft ist klar – die Türkei ist kein Land, das sich von Drohungen bewegen lässt", sagte Vizepräsident Fuat Oktay während einer Rede an einer Universität in Ankara.

Oktay reagierte damit auf einen Tweet von Trump, der am Vortag mit der Zerstörung der türkischen Wirtschaft gedroht hatte, sollte die Türkei etwas unternehmen, das er für "tabu" halte. Auch zahlreiche Regierungen, darunter die Bundesregierung, und internationale Organisationen hatten die Türkei dringend vor einer Militäroffensive im Norden Syriens gewarnt.

Türkei hält an Plänen fest

Oktay bekräftigte, dass die Türkei zu dem Plan stehe, in Nordsyrien gegen Kurdenmilizen vorzugehen. Die Türkei werde niemals zulassen, dass unmittelbar an ihrer Grenze "ein Terrorkorridor, ein Terrorstaat" entstehe, was auch immer die Kosten seien. Es sei an der Zeit eine "Sicherheitszone östlich des Euphrat"-Flusses zu schaffen.

Die türkische Armee schickte am Dienstag weitere Soldaten und gepanzerte Fahrzeuge an die Grenze. Sie seien bereits in den Provinzen Sanliurfa und Kilis angekommen und sollten dort Grenzposten verstärken, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu. Am Montagabend seien zudem Transporter mit Panzern in Richtung Sanliurfa unterwegs gewesen. Die Militäranlagen würden seit Samstag kontinuierlich aufgerüstet.

Seit langem wird eine Militäroffensive Ankaras in Nordsyrien erwartet. Das Weiße Haus hatte am Sonntag mitgeteilt, amerikanische Streitkräfte würden sich daran nicht beteiligen und künftig nicht mehr "in der unmittelbaren Region sein". Am Montagmorgen begannen US-Soldaten dann nach Angaben der von Kurdenmilizen dominierten Syrisch-Demokratischen Kräfte (SDF) mit dem Abzug aus dem Gebiet.

"Sie sterben zu lassen ist ein großer Fehler"

Der türkische Präsident Erdogan hatte am Samstag erneut eine baldige Offensive in Nordsyrien angekündigt. Dort kontrollieren im Grenzgebiet zur Türkei die kurdischen YPG-Milizen Gebiete. Die Türkei betrachtet sie als Terroristen. Für die USA waren sie im Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) ein enger Verbündeter. Die Türkei will entlang der Grenze eine "Sicherheitszone" unter ihrer alleinigen Kontrolle. Dort will Präsident Erdogan auch Millionen syrische Flüchtlinge unterbringen, die derzeit in der Türkei und Europa leben.

Die frühere US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, die Republikanerin Nikki Haley, schrieb am Montag (Ortszeit) auf Twitter: "Die Kurden waren maßgeblich an unserem erfolgreichen Kampf gegen den IS in Syrien beteiligt. Sie sterben zu lassen ist ein großer Fehler."

Seltene Kritik an Trump aus den eigenen Reihen

Der republikanische Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, warnte vor der Gefahr eines "signifikanten Konflikts" zwischen der Türkei und den Kurdenmilizen und rief Trump dringend dazu auf, amerikanische Führung zu zeigen und die internationale Koalition gegen den IS zusammenzuhalten: "Indem wir die Kurden sitzen gelassen haben, haben wir das denkbar gefährlichste Signal ausgesendet – Amerika ist ein unzuverlässiger Verbündeter, und es ist nur eine Frage der Zeit, bevor China, Russland, der Iran und Nordkorea sich auf gefährliche Weise aufführen." Der Iran und Russland sind die wichtigsten Verbündeten von Syriens Präsidenten Baschar al-Assad.

Mit dieser raren Kritik am Präsidenten zeigte sich McConnell selten einmütig mit der demokratischen Vorsitzenden der anderen Kongresskammer, Nancy Pelosi, die Trumps Entscheidung ebenfalls kritisierte. Die Sprecherin des Repräsentantenhauses warf Trump vor, die kurdischen Verbündeten der USA zu "verraten".

Trump-Vertrauter will Resolution einbringen

Der republikanische Senator Marco Rubio schrieb auf Twitter, die USA hätten die Kurden im Stich gelassen, ihnen drohe nun die Vernichtung durch das türkische Militär. Der einflussreiche republikanische Senator und Trump-Vertraute Lindsey Graham sprach in einer Serie aufgebrachter Tweets von einer impulsiven, traurigen und höchst gefährlichen Entscheidung Trumps. Die USA stünden als unverlässlicher Verbündeter da, und es drohe das Wiedererstarken des IS.

Graham kündigte eine parteiübergreifende Resolution im Senat an, um Sanktionen gegen die Türkei durchzusetzen im Fall einer türkischen "Invasion" Nordsyriens. Sollten türkische Truppen kurdische Kräfte dort angreifen, werde man auch die Aussetzung der Nato-Mitgliedschaft der Türkei fordern. Er erwarte, dass eine Zweidrittelmehrheit im Kongress für eine solche Resolution zustande komme. Damit könnte auch ein etwaiges Veto von Trump überstimmt werden.

Trump droht Türkei

Die Nato wollte sich am Montagabend nicht zu Grahams Vorstoß äußern. Diplomaten verwiesen allerdings darauf, dass im Bündnisvertrag keine Klausel zum Ausschluss von unerwünschten Mitgliedern existiert. Die türkische Nato-Mitgliedschaft gegen den Willen der Regierung in Ankara auszusetzen oder zu beenden, wäre demnach ein ungeheuer komplexes Projekt, das zudem der Zustimmung aller anderen Nato-Partner der USA bedürfte. Dennoch ist Grahams Ausbruch politisch von Bedeutung, ebenso wie die vehemente Kritik anderer Republikaner.

Trump verteidigte seinen Vorstoß und warnte die Türkei zugleich vor einem Fehlverhalten bei einem Einmarsch in Syrien. Sollte die Türkei sich nicht human verhalten, werde das schwere wirtschaftliche Konsequenzen für das Land haben, sagte Trump am Montagabend. Auf Twitter schrieb er: "Wenn die Türkei irgendetwas unternimmt, was ich in meiner großartigen und unvergleichlichen Weisheit für tabu halte, werde ich die türkische Wirtschaft vollständig zerstören und auslöschen." Was genau er als Verstoß erachten würde, ließ er offen.

10.000 IS-Kämpfer in kurdischer Hand

Trump sagte, es seien lediglich 50 US-Soldaten aus Nordsyrien abgezogen worden – zu ihrem Schutz. Ein ranghoher Regierungsbeamter betonte, die betroffenen Soldaten seien an andere Militärstandorte im Land verlegt worden. "Das bedeutet keinen Abzug aus Syrien." Der Rückzug dieser Kräfte aus dem Norden sei auch keineswegs "grünes Licht" für die Türken, ein Massaker an den Kurden zu begehen. Trump selbst lieferte derweil kein klares Bekenntnis zum Schutz der Kurden.


Unklar ist, was mit den IS-Kämpfern in der Hand der Kurdenmilizen geschieht. Trump kritisierte erneut Staaten wie Deutschland und Frankreich, die sich geweigert hätten, ihre Staatsbürger unter den gefangen genommenen IS-Kämpfern zurückzunehmen. Es sei jetzt Aufgabe der Türkei und auch europäischer Länder, sich um diese gefangen genommenen IS-Kämpfer und deren Familien zu kümmern. Nach Schätzungen des US-Militärs befinden sich rund 10.000 IS-Kämpfer in teils improvisierten SDF-Gefängnissen.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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