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Nahost-Plan von Donald Trump: Abbas lehnt Vorschlag als "Verschwörung" ab


Reaktionen auf Friedensplan
Abbas lehnt Trumps Vorschlag als "Verschwörung" ab

dpa, Sara Lemel

Aktualisiert am 29.01.2020Lesedauer: 6 Min.
Mahmud Abbas: Der Palästinenserpräsident wies Trumps Nahost-Plan entschieden zurück.Vergrößern des BildesMahmud Abbas: Der Palästinenserpräsident wies Trumps Nahost-Plan entschieden zurück. (Quelle: Majdi Mohammed/ap)
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Feierlich stellt US-Präsident Trump im Weißen Haus seinen Nahost-Plan vor. Neben ihm, sichtlich begeistert: Israels Ministerpräsident Netanjahu. Woanders kocht dagegen die Wut hoch. Ein Überblick auf die Reaktionen.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bemüht den ganz großen historischen Vergleich, als er am Dienstag neben seinem Gastgeber Donald Trump im Weißen Haus steht. Netanjahu vergleicht Trumps Nahost-Friedensplan mit der Anerkennung Israels durch US-Präsident Harry Truman am 14. Mai 1948. Netanjahu spricht von einem "realistischen Weg zu anhaltendem Frieden" und nennt Trump den besten Freund, den Israel je im Weißen Haus hatte. Dass Netanjahu Trumps seit Monaten überfälligen Plan so enthusiastisch begrüßt, lässt bereits darauf schließen, wo er keineswegs auf Begeisterung stößt: bei den Palästinensern.

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas wies den Plan umgehend zurück und sagte, dieser werde "im Mülleimer der Geschichte" landen. Der Vorschlag sei eine "Verschwörung", mit der der US-Präsident nicht durchkommen werde. "Nachdem wir all diesen Müll gehört haben, sagen wir erneut 'Nein' zum 'Deal des Jahrhunderts'", sagte Abbas. "Ich sage zu Trump und Netanyahu: Jerusalem steht nicht zum Verkauf, unsere Rechte auch nicht."

Die im Gazastreifen herrschende islamistische Hamas bezeichnete den Plan als Unsinn. "Der "Deal des Jahrhunderts" ist Nonsens, es ist ein feindlicher Deal", sagte Chalil al-Haja, ein führender Hamas-Vertreter, am Dienstag. "Die Palästinenser werden alle möglichen Anstrengungen mit allen Mitteln aufwenden, um ihn zu bekämpfen, bis er gescheitert ist."

Zwar überrascht Trumps Plan damit, dass er den Palästinensern einen eigenen Staat in Aussicht stellt – aber unter Bedingungen, die für sie kaum annehmbar sein dürften. Die "New York Times" analysierte, der Plan "gibt Israel das meiste, was es will, er erfordert Zugeständnisse, die die Palästinenser vermutlich zurückweisen werden". Der Nahost-Experte Ilan Goldenberg vom Center for New American Security kritisierte auf Twitter, der Plan möge gut klingen, "aber es geht um die Details, und viele der Ideen sind absolute Rohrkrepierer".

Erste internationale Reaktionen

International stieß der Plan auf ein gespaltenes Echo. Das Außenministerium der Türkei, die enge Beziehung zu den Palästinensern pflegt, sprach von einer "Totgeburt". In einer Mitteilung aus Ankara hieß es: "Es handelt sich um einen Annektierungsplan mit dem Ziel, die Zweistaaten-Lösung zu zerstören und die palästinensischen Gebiete zu erobern." Irans Außenminister Mohammed Dschawad Sarif nannte den Plan "einen Alptraum für die Region und die Welt".

Die Vereinigten Arabischen Emirate begrüßten den Plan dagegen. Ihr Botschafter in den USA, Jusef al-Otaiba, sagte: "Der heute angekündigte Plan bietet einen wichtigen Ausgangspunkt für eine Rückkehr zu Verhandlungen in einem US-geführten internationalen Rahmen."

Ägypten reagierte zurückhaltend auf den Plan, lehnte ihn aber nicht rundweg ab. Die Regierung in Kairo rief Israel und die Palästinenser auf, den Plan sorgfältig zu studieren, um Verhandlungen wieder aufzunehmen, wie es in einer Erklärung des Außenministeriums hieß.

Der jordanische Außenminister Ayman Safadi betonte, der Weg zu einem dauerhaften Frieden in Nahost führe nur über einen unabhängigen Palästinenserstaat in den Grenzen von 1967.

Die Europäische Union teilte mit, die Vorschläge Trumps "prüfen und bewerten" zu wollen. UN-Generalsekretär António Guterres reagierte zurückhaltend auf den Nahost-Plan Trumps. Außenminister Heiko Maas sagte, den Plan intensiv zu prüfen. "Der US-Vorschlag wirft Fragen auf, die wir jetzt mit unseren Partnern in der EU besprechen werden", kündigte Maas (SPD) an. Zuspruch erhielt Trump allerdings aus London. Der Nahost-Plan des US-Präsidenten sei "eindeutig ein ernsthafter Vorschlag", erklärte Außenminister Dominic Raab.

Der Iran hat den Plan dagegen scharf zurückgewiesen. Außenminister Mohammed Dschawad Sarif twitterte am Dienstagabend: "Die so genannte "Vision für den Frieden" ist einfach das Traumprojekt eines bankrotten Immobilienunternehmers. Aber es ist ein Alptraum für die Region und die Welt. Und hoffentlich ein Weckruf für alle Muslime, die auf dem Holzweg waren."

Netanjahu wollte am Mittwoch zu einem Treffen mit Präsident Wladimir Putin nach Moskau reisen, um über den Nahost-Plan zu sprechen. Nach Angaben des Kremls soll das Treffen beider Politiker am Donnerstag sein. Nach Auffassung von Russlands Außenminister Sergej Lawrow sollte Trumps Nahost-Plan international bewertet werden. "Ich hätte gerne eine Analyse durch ein Quartett internationaler Vermittler", hatte Lawrow am Dienstag der Agentur Interfax zufolge gesagt. Dieser Vierer-Runde sollten demnach neben Russland die Vereinten Nationen, die Europäische Union und die USA angehören.

Die Vereinten Nationen beharren nach der Vorstellung des Nahost-Plans der USA auf einer Zwei-Staaten-Lösung für Israel und die Palästinenser auf Grundlage der Grenzen von 1967. "Die Positionen der Vereinten Nationen zur Zwei-Staaten-Lösung wurden über die Jahre definiert durch relevante Resolutionen des Sicherheitsrats und der Vollversammlung", erklärte der Sprecher von UN-General António Guterres am Dienstag in New York. An diese Resolutionen sei das UN-Sekretariat gebunden.

Die UN bleibe "verpflichtet", Palästinenser und Israelis bei der Lösung des Konflikts "auf der Grundlage der Grenzen vor 1967" zu unterstützten. Die Zwei-Staaten-Lösung sieht die friedliche Ko-Existenz eines unabhängigen israelischen und eines unabhängigen palästinensischen Staates vor. Ziel ist es, in den Grenzen von 1967 einen Palästinenserstaat zu gründen. Die sogenannte Grüne Linie markiert das Westjordanland, den Gazastreifen und Ost-Jerusalem, das die Palästinenser als ihre Hauptstadt ansehen.

Plan überschreitet mehrere rote Linien

Für die Palästinenser überschreitet der nun vorliegende Plan gleich mehrere rote Linien: Sie fordern einen unabhängigen Palästinenserstaat in den Grenzen von 1967. Nach einem Bericht des israelischen Fernsehens sieht der Nahost-Plan allerdings nur rund 70 Prozent der Fläche des Westjordanlandes für sie vor. Die israelischen Siedlungen mit Hunderttausenden Israelis im Westjordanland sollen bleiben. Außerdem würden die Palästinenser zumindest zunächst keine Sicherheitskontrolle über ihre eigenen Grenzen erhalten.

Die Palästinenser fordern darüber hinaus ganz Ost-Jerusalem als Hauptstadt, nicht nur Teile davon – so wie es der Plan jetzt vorsieht. Und: Sie verlangen, dass die Palästinenser, die 1948 nach der Gründung Israels aus dem Land flohen und vertrieben worden samt ihrer Nachkommen zurückkehren dürfen - allerdings auch nach Israel. Dies sieht der Plan nicht vor.

Trump veröffentlichte nach dem Auftritt mit Netanjahu eine Landkarte, in der die Grenzen des künftigen palästinensischen Staates abgebildet werden: Er wäre vollständig von Israel umgeben, der Gaza-Streifen wäre mit dem Westjordanland nur mit einem Tunnel verbunden. Zwei Straßen würden vom Westjordanland nach Jordanien führen, allerdings durch israelisches Staatsgebiet.

Proteste in Palästina – Trump übt Druck aus

Bereits am Dienstagnachmittag kam es zu ersten Protesten im Gazastreifen. Die Palästinenserführung auch im Westjordanland rief zu Demonstrationen auf. Ob diese sich in flächendeckender Gewalt entladen könnten, ist noch unklar. Zumindest im Westjordanland hatten sich die Reaktionen auf Trumps proisraelische Entscheidungen der vergangenen Jahre letztlich doch in Grenzen gehalten.

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Trump übt gewaltigen Druck auf die Palästinenser aus, um sie dazu zu bewegen, dem Plan trotz ihres Widerstandes zuzustimmen. Nachdem er ihnen im vergangenen Jahr Millionen Hilfsgelder gestrichen hatte, stellt er nun blühende Landschaften in Aussicht – mit Milliardeninvestitionen, die nach seinen Angaben das Wirtschaftswachstum verdoppeln und die Arbeitslosigkeit halbieren würden. Die Palästinenser könnten einen "wirklich unabhängigen und wunderbaren Staat" erlangen, lockt Trump - und verbindet das mit einer Warnung: "Nach 70 Jahren mit wenig Fortschritt könnte dies die letzte Gelegenheit sein, die sie je haben werden."

Wird Netanjahu Zustimmung für den Plan bekommen?

Netanjahu sagt zwar: "Ihr Deal des Jahrhunderts ist die Gelegenheit des Jahrhunderts. Seien Sie versichert, dass Israel diese Gelegenheit nicht verpassen wird." Bei aller zur Schau getragenen Begeisterung wird es das Bekenntnis zu einer Zwei-Staaten-Lösung für ihn allerdings unmöglich machen, die Zustimmung für den Plan von seinen rechts-religiösen Koalitionspartnern zu bekommen. Diese hatten bereits vor seiner Präsentation deutlich gemacht: einen Palästinenserstaat darf es nicht geben.

Auch dass Israel einem vierjährigen Baustopp in den für die Palästinenser ausgewiesenen Gebieten zugestimmt hat, dürfte Netanjahus Unterstützer verärgern. Letztlich streben viele rechte und religiöse Politiker ein Israel vom Mittelmeer bis zum Jordan an.

Für Netanjahus Herausforderer Benny Gantz vom Mitte-Bündnis Blau-Weiß könnte es leichter sein, gewisse Kompromisse einzugehen. Allerdings ist der Oppositionspolitiker derzeit auch nicht in einer Regierungskoalition gebunden. Erst nach der Parlamentswahl am 2. März könnte sich entscheiden, ob er künftig die Geschicke des Landes lenken soll - und mit welchen Koalitionspartnern.

Doch letztlich können Netanjahu und Gantz Trump leicht zustimmen und den Plan begrüßen. Die Palästinenser hatten bereits ihre Ablehnung des Nahost-Planes erklärt. Und: Israel sieht den Plan bereits als grünes Licht für die umgehende Annektierung des Jordantals und israelischer Siedlungen – ohne dass es momentan irgendwelche Gegenleistungen erfüllen muss. Bereits am Sonntag soll es laut Medienberichten eine entsprechende Abstimmung darüber geben.

Der israelische Journalist Anschel Pfeffer bezeichnete die Vorstellung des Planes bereits auf Twitter als "unglaubliche Farce": ein US-Präsident, gegen den ein Amtsenthebungsverfahren laufe, ein israelischer Ministerpräsident, der wegen Korruption angeklagt sei und eine Übergangs- und Minderheitsregierung anführt, stellten einen Plan vor, um den Konflikt mit den Palästinensern zu lösen – ohne Palästinenser.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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