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Ampel in der Krise | Finanzministerium sperrt Haushalt: Was es bedeutet


Etats gesperrt
Haushaltschaos bei der Ampel: Wie geht's nun weiter?

Von dpa, t-online
Aktualisiert am 21.11.2023Lesedauer: 5 Min.
imago images 0365997211Vergrößern des BildesKanzler Olaf Scholz: Die Ampel steckt in einer Finanzkrise. (Quelle: IMAGO/Christian Spicker/imago-images-bilder)
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Sachverständige sollen helfen, die Folgen des Haushaltsurteils aus Karlsruhe abzuschätzen. Was ist mit den Energiepreisbremsen und dem Etat für 2024? Ein Überblick.

Die Ampel darf kein neues Geld ausgeben: Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimafonds hat das Bundesfinanzministerium eine Ausgabensperre für Teile des Bundeshaushalts verhängt. Dies berichteten am späten Montagabend zuerst die Nachrichtenagentur Reuters und dann der "Spiegel".

Zudem stehen weitere, bereits beschlossene, Sondervermögen auf dem Prüfstand. Auch sie könnten nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds verfassungswidrig sein. Stehen also möglicherweise weitere Milliarden nicht zur Verfügung, etwa für die Energiepreisbremsen? Und was ist mit Geld, das in diesem Jahr schon ausgegeben wurde?

Fest steht: 60 Milliarden Euro für Klimaprojekte und die Modernisierung der Wirtschaft sind nach dem Urteil in Karlsruhe auf jeden Fall weg. Mehr dazu lesen Sie hier. Sachverständige helfen Bundestag und Bundesregierung nun bei der Bewertung. Ein Überblick zu den wichtigsten Fragen.

Was bedeutet die aktuelle Ausgabensperre?

Das Bundesfinanzministerium hat am späten Montagabend eine Sperre für Teile des gesamten Bundeshaushalts verhängt. Dies wurde am späten Montagabend zuerst von der Nachrichtenagentur Reuters und dem "Spiegel" berichtet. Die Medien zitierten aus einem Schreiben des Haushaltsstaatssekretärs Werner Gatzer an alle Bundesministerien sowie das Kanzleramt.


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"Um weitere Vorbelastungen für künftige Haushaltsjahre zu vermeiden, beabsichtige ich daher, alle in den Einzelplänen 04 bis 17 und 23 bis 60 des Bundeshaushaltsplans 2023 ausgebrachten und noch verfügbaren Verpflichtungsermächtigungen mit sofortiger Wirkung zu sperren", wird aus dem Schreiben zitiert. Mehr dazu lesen Sie hier.

Nach Angaben aus dem Finanzministerium vom Dienstagmorgen bedeutet das aber keine Ausgabensperre. Die für 2023 eingestellten Gelder könnten regulär fließen, hieß es am Dienstagmorgen in Ministeriumskreisen. Es handele sich lediglich um eine Sperre von Verpflichtungen für die kommenden Jahre. Diese würden vorsorglich für den Fall gestoppt, dass das Karlsruher Haushaltsurteil auch auf ältere Rücklagen in Sondervermögen anzuwenden sei.

Das Finanzministerium hatte die Verpflichtungsermächtigungen aus dem Haushalt 2023 gesperrt. Das sind Finanzzusagen für die kommenden Jahre, die etwa für mehrjährige Vorhaben genutzt werden. Im Einzelplan 60 etwa sind der Klima- und Transformationsfonds und der 200-Milliarden-Euro-Abwehrschirm zur Dämpfung der Energiepreise angesiedelt.

Welche Sondervermögen hat der Bund überhaupt?

Einer Aufstellung des Bundesrechnungshofs zufolge unterhält der Bund aktuell 29 Sondervermögen. Diese Nebenhaushalte sind keine Erfindung der Ampel-Regierung: Das älteste stammt aus dem Jahr 1951 und förderte den Bau von Wohnungen für Bergarbeiter. Es gibt auch Fonds zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben, einen Binnenschifffahrtsfonds, ein Sondervermögen zum Ausbau von Kita-Plätzen und einen für digitale Infrastruktur.

Die neuesten Sondervermögen sind Wirtschaftshilfen wegen der Corona-Krise, Aufbauhilfen für Flutopfer, der 100 Milliarden Euro schwere Sondertopf für die Bundeswehr und der Topf für die Energiepreisbremsen nach dem russischen Angriff auf die Ukraine.

Welche Geldtöpfe sind jetzt betroffen und welche nicht?

Das Bundesverfassungsgericht äußerte sich nur zu schuldenfinanzierten Sondervermögen. Ausgenommen sind in der Aufzählung der Haushaltssperre nun Verfassungsorgane wie Bundespräsident, Bundestag, Bundesrat und Bundesverfassungsgericht.

Ebenfalls ausgenommen dürften Sondervermögen sein, die vor Einführung der Schuldenbremse entstanden. Denn Artikel 143d des Grundgesetzes regelt, dass nur Kreditermächtigungen für die Schuldenbremse angerechnet werden, die nach 2010 bewilligt wurden.

Offen ist nun aber, ob Vorhaben aus dem Klimafonds in den regulären Haushalt für 2024 verschoben werden müssen. Eine Übersicht über die Maßnahmen, die aus dem Fonds finanziert werden sollten, finden Sie hier. Die Experten sind unterschiedlicher Meinung, ob der Etat für das kommende Jahr unter diesen Umständen in den nächsten Tagen überhaupt beschlossen werden kann.

Einig sind sich die Sachverständigen in ihren vorab veröffentlichten Stellungnahmen aber in einem: Das Urteil wird weitreichende Konsequenzen haben – wahrscheinlich nicht nur für den Klimafonds, sondern auch für weitere Sondervermögen.

Was ist mit dem Geld für die Bundeswehr?

Das Geld ist nach bisheriger Auffassung in der Ampel-Koalition nicht betroffen. Grund ist, dass der Bundestag den mit Krediten in Höhe von 100 Milliarden Euro gefüllten Topf separat im Grundgesetz verankerte.

Mit Zustimmung der Union wurde in der Verfassung nicht nur festgeschrieben, wofür das Geld genutzt werden darf, sondern auch, dass die Schuldenbremse hier nicht greift. Darauf hatte besonders die FDP bestanden, um die Mittel extra gut abzusichern.

Sind die Energiepreisbremsen, der "Doppelwumms", betroffen?

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sieht Kredite für die Energiepreisbremsen wackeln – und warnt vor Kosten für die Bürger. Ähnlich wie der vom Bundesverfassungsgericht kritisierte Klima- und Transformationsfonds wurde der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) quasi mit Krediten auf Vorrat ausgestattet.

Der Bund bewilligte im Jahr 2022 Kredite in Höhe von 200 Milliarden Euro, um die hohen Strom-, Gas- und Fernwärmepreise abzufedern. Das konnte er, weil die Schuldenbremse durch die Notlage Corona und den Krieg in der Ukraine in diesem Jahr ausgesetzt war. Das Geld sollte aber nicht nur 2022, sondern auch 2023 und 2024 genutzt werden. Daher fürchtet Wirtschaftsminister Habeck, dass auch der WSF kippen könnte.

Aus dem WSF flossen bis Ende Oktober bereits 31,2 Milliarden Euro. Konkret: 11,1 Milliarden Euro für die Gaspreisbremse und 11,6 Milliarden für die Strompreisbremse, dazu 4,8 Milliarden für eine Erdgas-Soforthilfe und 3,7 Milliarden Euro Zuschüsse für Netzentgelte. Friedrich Merz hatte bereits eine Untersuchung angekündigt.

Wackelt der WSF tatsächlich, könnte das noch viel problematischer sein als die Klima-Milliarden. Denn allein in diesem Jahr wurden nach Angaben aus dem Wirtschaftsministerium 67 Milliarden Euro an WSF-Krediten ausgezahlt. Rund 103 Milliarden hätten nach den Plänen des Finanzministeriums ins kommende Jahr übertragen werden sollen.

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Müssen Kunden Hilfen der Energiepreisbremse zurückzahlen?

Dass in diesem Jahr gewährte Hilfen zurückgezahlt werden müssen, ist unwahrscheinlich. Denn Bundesregierung und Bundestag haben die Energiepreisbremsen beschlossen – wie sie sie finanzieren, ist ihr Problem. Es ist aber denkbar, dass die Bundesregierung die Strom- und Gaspreisbremsen nun vorzeitig streicht.

Eigentlich sollten sie nämlich zur Absicherung auch im Frühjahr 2024 noch gelten, obwohl die Preise aktuell nicht so hoch sind. Sollten die Energiepreise nun im Winter erneut anziehen, könnten sie nicht mehr staatlich gebremst werden. "Dann werden wir höhere Gas- und Strompreise und Fernwärmepreise haben", warnte Habeck.

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Gilt das Urteil nur für die Sondervermögen im Bund?

In der Bundesregierung geht man davon aus, dass das Urteil auch auf die Haushalte der Länder anzuwenden ist. Auch in einigen Bundesländern gibt es schuldenfinanzierte Sondervermögen, die mit ähnlichen Mechanismen funktionieren wie im Bund. Sicher sind die Folgen jedoch auch hier noch nicht.

Wird es am Dienstag eine klare Antwort geben?

Die Stellungnahmen der Experten wurden am Montag bereits veröffentlicht. Die meisten von ihnen halten Auswirkungen auf das Sondervermögen für die Energiepreisbremsen für denkbar – doch sie äußern sich nicht eindeutig zu den Konsequenzen.

Am Dienstag findet im Haushaltsausschuss eine kurzfristig anberaumte Anhörung von Experten statt. Ab elf Uhr sollen sie die rechtlichen und finanzpolitischen Folgen des Verfassungsgerichtsurteils bewerten. Eingeladen sind unter anderem Ökonomen wie der Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther.

Umstritten ist unter den Experten, was mit dem Haushalt für 2024 passieren soll. Wirtschaftswissenschaftler Jens Südekum sieht den Kernhaushalt nicht betroffen. Er rät: Der Bundestag soll den Etat normal beschließen, auch weil bis Jahresende gar nicht alle offenen Fragen zum Urteil geklärt werden können. Im kommenden Jahr könne es dann einen Nachtragshaushalt geben.

Steuerrechtler Hanno Kube von der Universität Heidelberg dagegen rät scharf davon ab. "Der vorliegende Entwurf des Haushaltsgesetzes 2024 könnte verfassungswidrig sein", warnt er. Der Bundesrechnungshof hält nicht nur den kommenden, sondern auch den Haushalt dieses Jahres wegen der schon ausgegebenen Energiepreisbremsen-Mittel "in verfassungsrechtlicher Hinsicht für äußerst problematisch".

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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