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Union und AfD: Jetzt haben sie plötzlich ein großes Problem


Grübeln in der Union
Jetzt haben sie plötzlich ein großes Problem


03.05.2025 - 11:04 UhrLesedauer: 5 Min.
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Jens Spahn (r.) und Friedrich Merz: Wie umgehen mit der AfD? Da ist sich die CDU nicht einig. (Quelle: Juliane Sonntag/imago)
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Der Verfassungsschutz hält die AfD für "gesichert rechtsextremistisch". Friedrich Merz und die Union zwingt das in einer kritischen Phase zu unangenehmen Entscheidungen.

Es hätte so schön werden können für die Union. Am Montag wollte die Fraktion im Bundestag ihren neuen Chef Jens Spahn wählen. Am Dienstag zusammen mit der SPD ihren neuen Bundeskanzler Friedrich Merz. Und am Mittwoch wollte Merz schon gut gelaunt in Paris und Warschau einfliegen zu seinem ersten internationalen Antrittsbesuch. Größer werden die großen Momente in der Politik nicht.

All das wird nächste Woche immer noch passieren. Doch jetzt ist da dieser verflixte 2. Mai und seine Folgen, die bisher kaum abzusehen sind: Die Noch-Innenministerin Nancy Faeser von der SPD hat den Brückentag genutzt, um zu verkünden, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD nun für "gesichert rechtsextremistisch" hält. Und damit die Partei, die gerade mit 20,8 Prozent mit Abstand die größte in der Opposition geworden ist.

Es ist eine Zeitenwende für das deutsche Parteiensystem. Und sie kommt für die Union zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. CDU und CSU haben ihren Umgang mit der AfD nach wie vor nicht wirklich geklärt. Die Hochstufung kurz vor den großen Momenten der nächsten Woche macht eine unangenehme Frage nun noch dringlicher: Was bedeutet dieser Brückentag im Mai für die Brandmauer der Union zur AfD?

Video | So begründet Nancy Faeser die AfD-Einordnung
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Quelle: reuters

Was ist Zusammenarbeit?

Auf dem Papier erscheint das Verhältnis der CDU mit der AfD eigentlich klar. Seit 2018 gilt der sogenannte Unvereinbarkeitsbeschluss. Er hält fest, dass die CDU "Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit" ablehne. Auch Friedrich Merz und Jens Spahn betonen seit Monaten, eine "Zusammenarbeit" mit der AfD werde es nicht geben.

Nur was das bedeutet, darüber ist sich die CDU regelmäßig nicht einig. Besonders im Osten Deutschlands, wo die AfD noch größer und verwurzelter ist als im Westen, halten viele CDU-Politiker die Brandmauer für schädlich. Manche wollen gemeinsam mit der AfD in Landtagen und Kreistagen und Gemeinderäten abstimmen und haben das mitunter schon getan. Einige halten sogar Koalitionen für denkbar.

Friedrich Merz und die Bundes-CDU haben das bisher immer zurückgewiesen, vor der Bundestagswahl dann aber selbst mit der AfD im Bundestag gestimmt, um ihren Fünf-Punkte-Plan zur Migration zu beschließen. Das sei keine Zusammenarbeit, hieß es, weil man sich mit der AfD nicht abgestimmt habe. Doch dieses Argument hat liberalere Teile der eigenen Partei nicht wirklich überzeugt, geschweige denn SPD, Grüne und Linke.

Die Debatte um die Normalisierung

Vor zwei Wochen löste Jens Spahn dann eine neue Debatte über den Umgang mit der AfD aus. Er sprach sich in einem Interview dafür aus, die AfD im Bundestag wie jede andere Oppositionspartei zu behandeln. Was bedeutet, geeignete Kandidaten auch wieder zu Vorsitzenden der wichtigen Fachausschüsse zu wählen. Die AfD solle es sich nicht in der Opferrolle bequem machen können, so seine Argumentation.

Nicht alle in der Union hielten das für eine gute Idee, schon damals nicht, vor der Hochstufung der AfD. CSU-Chef Markus Söder sprach sich mehrfach dagegen aus, der CDU-Arbeitnehmerflügel warnte vor einer Normalisierung der Partei. Genügend Gelegenheiten, sich als Opfer böser Mächte zu inszenieren, finde die AfD ohnehin, lautet das Argument.

Von wichtiger Stelle in der CDU aber bekam Spahn Unterstützung: Der bisherige Parlamentarische Geschäftsführer der Union, Thorsten Frei, der ein enger Merz-Vertrauter ist und ab nächster Woche sein Kanzleramtschef sein wird, zeigte sich offen für Spahns Überlegungen. Man kann davon ausgehen, dass Thorsten Frei so etwas nicht ohne Absprache mit Friedrich Merz sagt.

SPD-Politikerin: "Nicht wählbar"

Spätestens ab der übernächsten Woche wäre die Frage nach dem Umgang mit der AfD für die CDU damit ohnehin zum Problem geworden. Dann nämlich, wenn die Fachausschüsse im Bundestag einberufen und die Vorsitzenden gewählt werden. Neben der CSU widersprach nämlich auch der Koalitionspartner SPD Spahns Ansinnen deutlich. Eine Koalition aber stimmt im Bundestag für gewöhnlich zusammen ab.

Nun aber, mit der neuen Einstufung durch den Verfassungsschutz, scheint es umso schwerer vorstellbar, dass CDU, CSU und SPD gleich zu Beginn ihrer Regierungszeit ohne einheitliche Linie in solche Wahlen gehen. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD, Katja Mast, bekräftigte am Freitag vorsichtshalber, wo ihre Partei steht: "Für mich bestätigt sich einmal mehr, dass Vertreter der AfD im Bundestag für Ämter nicht wählbar sind und Demokratinnen und Demokraten nicht repräsentieren können."

Die linke Opposition aus Grünen und Linkspartei bereitet sich ohnehin schon darauf vor, im Falle von Uneinigkeit lautstark einen Fehlstart der Koalition zu kritisieren. Zugleich dürften Teile der Medienlandschaft die Union dazu drängen, die Normalisierung der AfD fortzusetzen. Auch das gehört zum Dilemma für CDU und CSU.

Spahn und Merz schweigen zunächst

Die CDU-Spitze weiß natürlich, wie heikel die Lage in diesem großen Moment für die Partei ist. Jetzt haben sie ein Problem. Bald-Kanzler Friedrich Merz schweigt deshalb am Freitag und auch am frühen Samstag zur Sache. Jens Spahn möchte sich auf Anfrage ebenso erst einmal nicht äußern.

Vorgeschickt wird am Freitag der CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann. Der sagt aber auch nur, die Position zur AfD "bleibt gleich". Und: "Es wird keine Zusammenarbeit mit dieser Partei geben. Umso wichtiger ist es, dass die neue Bundesregierung die Probleme der Menschen löst und Deutschland neue Zuversicht gibt."

Damit umschifft Linnemann die heiklen Fragen gekonnt, ebenso wie Thorsten Frei an diesem Freitag. Der lässt mitteilen: "Die rechtlichen Konsequenzen der Hochstufung müssen jetzt geprüft werden." Es sei "unabdingbar", die AfD weiter zu beobachten. Fest stehe aber, dass Rechtsextremisten und Rechtspopulisten letztlich nur politisch bekämpft werden könnten.

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Daniel Günther will sogar ein Verbot

Das Plädoyer dafür, die AfD "politisch zu bekämpfen", ist in der Union auch ein Code in einer weiteren Frage: Sollte das Verfassungsgericht ein Verbot der AfD prüfen? Auch diese Debatte läuft seit Freitag natürlich wieder. Viele Befürworter wollten zuletzt abwarten, wie der Verfassungsschutz die AfD mittlerweile einschätzt – und sehen sich jetzt bestätigt.

Die Union ist beim Verbot der AfD traditionell sehr skeptisch. Es gibt viele in der Partei, die sie wirklich ablehnen, aber nicht glauben, dass das Verfassungsgericht die AfD am Ende verbieten würde. Zumindest bisher. Scheitert das Verfahren, so das Argument, stärke das die AfD nur weiter.

Der liberale Daniel Günther, Ministerpräsident für die CDU in Schleswig-Holstein, sprach sich am Montag als Erster trotzdem deutlich dafür aus. "Der Bund muss jetzt zügig ein Verbotsverfahren einleiten, um unsere Demokratie zu schützen", sagte Günther dem "Spiegel". Die AfD lasse "schon lange keinen Zweifel an ihrer verfassungsfeindlichen Gesinnung".

Der CDU-Arbeitnehmerflügel, die Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft, CDA, forderte das Gleiche. Die Einschätzung des Verfassungsschutzes liefere jetzt "die notwendige Grundlage" für ein Verbotsverfahren, teilte sie dem "Stern" mit. "Die CDA Deutschlands spricht sich daher für ein sofortiges Verbotsverfahren der AfD aus."

Doch selbst Hendrik Wüst, in der CDU nicht gerade ein rechter Hardliner, blieb skeptisch. Er nannte die AfD auf der Plattform X den "politischen Hauptgegner" aller demokratischen Parteien, was für ihn heißt: "Die zentrale Aufgabe aller Demokraten ist es, der AfD die Existenzgrundlage zu entziehen – indem wir die Probleme der Menschen lösen: sachlich, fundiert, wirkungsvoll." Und nicht mit einem Verbot.

Die Union – sie wird in diesen historischen Tagen schneller mehr zu klären haben, als sie es sich erhofft hatte.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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