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Markus Lanz: Viel Kritik für Merz nach Debakel bei Kanzlerwahl


Lanz nach dem Kanzlerwahl-Debakel
Eine SPD-Politikerin sorgte für einen spöttischen Moment


07.05.2025 - 08:55 UhrLesedauer: 5 Min.
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Carsten Linnemann (1. v. r.) mit Friedrich Merz und Philipp Amthor: Für die CDU-Politiker war der Dienstag ein anstrengender Tag. (Quelle: Michael Kappeler/dpa)
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CDU-Generalsekretär Linnemann will nach vorne schauen. Doch bei "Lanz" interessiert das Kanzlerwahl-Drama weiterhin. Vor allem Merz' Rolle ist umstritten.

Bei Markus Lanz versuchte Carsten Linnemann erst gar nicht, den Fehlstart von Friedrich Merz schönzureden. Dennoch bemühte sich der CDU-Generalsekretär um Enthusiasmus – nur wollte ihm vor allem Moderator Lanz das nicht abnehmen.

Es war ein historischer Tag im Bundestag: Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik fiel ein designierter Kanzler im ersten Wahlgang durch. Woher genau die sechs Gegenstimmen kamen, die Friedrich Merz die Mehrheit kosteten, wussten weder CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann noch SPD-Politikerin Katarina Barley. Bei "Markus Lanz" versuchten sie, das Debakel einzuordnen – und verteidigten ihre eigenen Lager.

Die Gäste:

  • Carsten Linnemann, CDU-Politiker
  • Katarina Barley, SPD-Politikerin
  • Michael Bröcker, Journalist
  • Kristina Dunz, Journalistin
  • Justus Bender, Autor

Linnemann: "Kaffeesatzleserei"

Dass der Tag auch an Carsten Linnemanns Nerven gezehrt hat, daran ließ der CDU-Generalsekretär keinen Zweifel. "Ich brauche so einen Tag nicht nochmal", gestand er. Wer die Gegenstimmen waren, darüber wollte er nicht spekulieren – das sei "Kaffeesatzleserei". Linnemann bemühte sich jedoch sichtlich, ein optimistisches Bild zu zeichnen, verwies auf den Applaus, den es für Merz gab. "Es war ehrlicher Applaus", meinte er. Moderator Lanz konterte trocken: "Es gibt auch den Applaus aus Mitleid."

Man sei auf diese Situation vorbereitet gewesen, erklärte Linnemann – etwas, das Kristina Dunz ganz anders wahrgenommen hatte. Statt Vorbereitung habe es zahlreiche offene Fragen gegeben, schilderte sie. Justiziare seien befragt worden, weil offenbar unklar war, wie es nach dem geplatzten ersten Wahlgang weitergehen sollte. "Es wurde erst mal geprüft, was man jetzt macht", sagte sie. Zwischen dem ersten Wahlgang um 10:01 Uhr und dem zweiten Durchgang am Nachmittag lagen über fünf Stunden. "Insofern drängte sich der Eindruck auf, dass die Union, dass Herr Merz, Herr Spahn, Herr Linnemann keinen Plan B hatten."

Für Friedrich Merz hagelte es an diesem Abend viel Kritik. So attestierte etwa Journalist Michael Bröcker dem CDU-Chef fehlende Empathie und mangelndes Gespür für die eigene Fraktion. Merz sei "nicht gerade ein Empathiecoach, wenn es darum geht, mal Menschen, die ihn kritisch sehen, wieder ins Lager zu holen". Auch Kristina Dunz sah ein Problem im politischen Instinkt des CDU-Vorsitzenden. "Ich glaube, dass ihm zumindest jetzt noch das Gespür in die Fraktion, in die Koalition und auch in die Partei fehlt", sagte sie. Hätte Merz dieses Gespür gehabt, hätte er "eine Vorsichtsmaßnahme eingebaut".

Daraufhin stellte sich Linnemann klar hinter seinen Parteichef und versuchte, Enthusiasmus für die kommende Regierung zu zeigen. Merz werde "morgen früh ins Flugzeug steigen" und keinen Eröffnungsbesuch, sondern direkt Zusammenarbeit mit Macron und Tusk beginnen. Er habe "eine internationale Expertise, die hat sich gewaschen" und werde Deutschland "führen". Merz werde "einer der erfolgreichsten Kanzler, den wir gesehen haben", so Linnemann. Markus Lanz zeigte sich skeptisch: "Sie sagten gerade: Friedrich Merz wird eine großartige Kanzlerschaft hinlegen. Das sollte euphorisch klingen. Oder es sollte Aufbruch vermitteln. Sehen Sie es mir nach – es passte leider so gar nicht zu Ihrem Gesicht, das Sie dabei gemacht haben."

Linnemann räumte eine persönliche Enttäuschung ein, die er mit den geplanten 500 Milliarden Euro Schulden begründete, die ihn "mitten ins Mark" getroffen hätten – vor allem, weil Strukturreformen zur Gegenfinanzierung zunächst fehlten oder erst Wochen später benannt wurden. "Ja, das war keine einfache Zeit für mich", erklärte er – und betonte, dennoch Teil des Ganzen zu sein: "Ich bin auch in der Verantwortung, dass das funktioniert." Außerdem versuchte Linnemann, Zuversicht aus dem schwierigen Start zu ziehen: "Es braucht diese Schrecksekunde."

Barley: "Die Demokratie vor den Rechtsextremen schützen"

Katarina Barley widersprach der Darstellung, dass vor allem Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten für das historische Scheitern im ersten Wahlgang verantwortlich gewesen sein könnten. "Ich hätte mit meiner Fraktion gestimmt", betonte sie. Für die SPD sei die Kanzlerwahl auch ein klares Signal gegen die AfD gewesen. "Was bei uns in der Sozialdemokratie ein starkes Motiv ist, ist, die Demokratie zu schützen vor den Rechtsextremen", sagte Barley. Dafür habe man auch über "Verletzungen" hinweggesehen.

Später, als Justus Bender über seine Recherchen zu potenziellen Gegenstimmen in der SPD-Fraktion erzählte, wehrte sich Barley erneut gegen die Darstellung, es seien Sozialdemokraten gewesen, die gegen Merz gestimmt hätten. "Ich wehre mich einfach dagegen, dass da jetzt unterstellt wird, dass das Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten gewesen sind", sagte sie. Der SPD sei "völlig klar", was auf dem Spiel gestanden habe: "Das wollen die nicht."

Für einen spöttischen Moment sorgte Katarina Barley, als sie von ihrem persönlichen Höhepunkt des Tages sprach: "Mein Moment des Tages war auf jeden Fall Jens Spahn mit Heidi Reichinnek verhandeln zu sehen." Die Szene sei absurd gewesen, befand die SPD-Politikerin – dass die Union mit dem BSW der Jungen über eine Koalition spreche, während sie gleichzeitig am Unvereinbarkeitsbeschluss gegenüber der Linken festhalte, sei für sie "wirklich jenseits von Gut und Böse". Apropos Linke: CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann gab offen zu, dass er keine einzige Handynummer von Abgeordneten der Linken habe. Die Bemerkung sorgte für ungläubiges Staunen bei Lanz.

Auch der kurz vor dem Regierungswechsel veröffentlichte Bericht des Verfassungsschutzes zur AfD wurde thematisiert – und sorgte für Kritik in der Runde. Michael Bröcker zitierte CSU-Politiker, Innenminister Alexander Dobrindt mit der Einschätzung, der Zeitpunkt der Veröffentlichung sei "unglücklich" – und kommentierte selbst: "Das finde ich frech." Bröcker weiter: "Ich hätte mir gewünscht, dass man das nicht jetzt, so einen Tag vor der Nominierung oder vor der Wahl der neuen Bundesregierung macht, sondern dass das in einem Prozess jetzt die neue Bundesregierung dann auch veröffentlichen muss." Linnemann nannte das Gutachten "bemerkenswert", Lanz konstatierte, es entstehe "ein katastrophaler Eindruck und Verdacht", dass hier eine Behörde als politisches Werkzeug genutzt werde.

SPD-Politikerin Katarina Barley verteidigte das Vorgehen hingegen entschieden. Sie wies den Vorwurf politischer Instrumentalisierung zurück und betonte: "Ich vertraue da meiner Innenministerin. Und ich finde: Je früher das auf dem Tisch liegt, umso besser." Einzig ein Veröffentlichungstermin unmittelbar vor einer Wahl wäre ihrer Ansicht nach problematisch gewesen. Den entstandenen Eindruck wies sie zurück: "Alleine, dass wir diese Debatte haben, schadet der Demokratie und nützt der AfD. Ich habe sie nicht begonnen." Justus Bender ergänzte, dass es fachlich an dem Bericht kaum Zweifel gebe – wohl aber an der Kommunikation: "Man hat etwas, was fachlich eine hohe Qualität hatte, dann jetzt durch den Zeitpunkt eigentlich verschlechtert."

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Bender: "Björn Höcke ist kein Nazi"

Zum Schluss der Sendung ging es um die AfD selbst. Justus Bender, der die Partei seit Jahren beobachtet, beschrieb eine Entwicklung hin zu immer radikaleren Positionen – und eine Struktur, in der interne Kritik kaum noch möglich sei. Wer sich dem Kurs widersetze, sei längst "nicht mehr Mitglied der Partei". Alice Weidel bezeichnete er als opportunistisch. Früher habe sie sich gegen Björn Höcke gestellt, heute stehe sie an seiner Seite. Diese Linie sei in der AfD längst zur Taktik geworden. Mal gebe man sich kompromissbereit gegenüber der CDU – "und dann sitzt Frau Weidel bei Ihnen in der Sendung und sagt genau das Gegenteil". Bender, der sich für seine Arbeit viel im rechtsextremen Spektrum bewegte, analysierte auch die Nuancen innerhalb der rechten Strömungen. Er attestierte etwa: "Björn Höcke ist kein Nazi. Das ist einer, der hat eher Vorbilder in der Neuen Rechten, der konservativen Revolution der Weimarer Republik."

Barley sprach ebenfalls über die Entwicklung der AfD – und widersprach der Vorstellung, man hätte die Partei schon früher verbieten können. "Als die klein war, war sie ja nicht verfassungswidrig. Sicherlich nicht, als sie gegründet wurde. Von Lucke war keine Spur von verfassungswidrig." Erst mit den Jahren habe sich die Partei immer weiter radikalisiert: "Sie hat sich immer weiter radikalisiert, gehäutet wie eine Schlange."

Verwendete Quellen
  • ZDF: Sendung "Markus Lanz" vom 6.5.2025
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