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Wie schwer treffen die Waffenlieferungen die Bundeswehr?


Waffenlieferungen an Ukraine
Oberst schlägt Alarm: Gerät die Bundeswehr in Not?


26.01.2023Lesedauer: 5 Min.
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Kampfpanzer Leopard 2 in Munster: Auch die evangelische Kirche diskutiert die Lieferung von Waffen an die Ukraine.Vergrößern des Bildes
Leopard-2-Panzer in Munster: Deutschland hat 14 Kampfpanzer zur Unterstützung der Ukraine zugesagt. (Quelle: Michael Gottschalk/imago-images-bilder)

Die von der Ukraine dringend benötigten Kampfpanzer reißen das Loch in den Bundeswehrbeständen weiter auf. Der Bundeswehrverband fordert ein Umdenken.

Was den ukrainischen Streitkräften eine willkommene Hilfe bei der Verteidigung im russischen Angriffskrieg ist, verschärft in Deutschland die Sorge um die mangelhafte Ausstattung der Bundeswehr. Nach der Ankündigung, zügig deutsche Leopard-Panzer in die Ukraine zu liefern, warnt das Militär vor den Lücken, die dadurch bei der Bundeswehr entstehen. Die Lage sei derzeit "prekär wie nie", erklärte der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Oberst André Wüstner.

Die Entscheidung sei nachvollziehbar – auch er hoffe, dass die Ukraine ihre territoriale Integrität wiederherstellen könne. Doch man müsse sich über die Konsequenzen bewusst sein, mahnt Wüstner. Die ohnehin schwierige Situation werde durch die angekündigten Hilfen noch verschärft. Aus Sicht des Militärexperten müsse die Bundeswehr auch auf einen "Worst Case", der direkten Beteiligung am Krieg, vorbereitet sein. Wüstner hatte im Vorfeld der Entscheidung davon abgeraten, Leopard-2-Panzer aus Bundeswehrbeständen zu liefern.

Doch warum schlägt der Bundeswehrverband Alarm und wie schlecht sind die deutschen Streitkräfte wirklich aufgestellt? Welche Vorschläge liegen für die Schließung der Lücken auf dem Tisch? Ein Überblick:

Durch Leopard-Lieferungen zur Kriegspartei?

Kritiker der Waffenlieferungen an die Ukraine argumentieren, dass Deutschland damit aus der Sicht Russlands zur Kriegspartei werde und so direkt in das Kriegsgeschehen hineingezogen werden könnte. Aus völkerrechtlicher Sicht ist das nicht korrekt: Kriegspartei wird ein Land nur dann, wenn es eigene Truppen in den militärischen Konflikt entsendet – wenn etwa Bundeswehrsoldaten direkt in der Ukraine kämpfen würden. Die Lieferung von Waffen im Allgemeinen oder Kampfpanzern im Besonderen gilt nicht als Kriegseintritt.

Dem Einsatz von Nato-Truppen in der Ukraine erteilte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wiederholt eine Absage. In dieser Frage habe sich die Haltung der Verbündeten nicht geändert. Scholz setzt auf Vertrauen: Die Unterstützung für die Ukraine werde er weiter ermöglichen, aber "ohne dass die Risiken für unser Land darüber in eine falsche Richtung wachsen".

Angesichts jüngster Äußerungen aus Moskau deutet jedoch wenig darauf hin, dass sich der russische Präsident Wladimir Putin an die völkerrechtlichen Kategorien gebunden fühlt. Kremlsprecher Dmitri Peskow erklärte etwa am Donnerstag, dass die westlichen Panzerlieferungen von Moskau als "direkte Beteiligung" empfunden würden. Ähnlich äußerte sich Nikolai Patruschew, der Sekretär des mächtigen Nationalen Sicherheitsrates und enge Vertraute Putins.

Sollte sich der Krieg gegen die Ukraine ausweiten und auf einen Nato-Mitgliedstaat übergreifen, etwa das Nachbarland Polen, könnte also innerhalb der Nato der Bündnisfall ausgelöst werden. Dabei ist wichtig zu wissen: Beim Bündnisfall handelt es sich nicht um einen Automatismus. Mehr über den Bündnisfall lesen Sie hier. Angesichts der militärischen Schwäche Russlands gehen Experten derzeit allerdings nicht davon aus, dass ein solches Szenario in naher Zukunft wahrscheinlich ist.

Bundeswehr-Oberst Wüstner fordert dennoch, die Bundeswehr mit konventionellen Waffen zu stärken. Nur so könne innerhalb der Nato-Streitkräfte eine Abschreckungswirkung erzielt werden, die Russland langfristig von einem möglichen Angriff abhalten werde. Derzeit sei die Lage an der Materialfront aber "prekär wie nie zuvor".

Wie viele Panzer bleiben der Bundeswehr?

Zusammen mit den Partnerländern will Deutschland in den nächsten Monaten zwei Panzerbataillone liefern. Ein Bataillon der Bundeswehr umfasst in der Regel 44 Kampfpanzer vom Typ Leopard 2, unterstützt durch zwei Bergepanzer des Typs Büffel. In einem ersten Schritt will Deutschland sich mit 14 Leopard-Panzern vom Typ 2A6 beteiligen. Hinzu kommt die Lieferung von 29 Leopard-Panzern, die Tschechien und der Slowakei in Form eines Ringtausches zugesagt wurden.

Aktuellen Angaben zufolge verfügt Deutschland insgesamt über 376 Leopard-2-Panzer verschiedener Bauart. Der Besitz bedeutet jedoch nicht, dass alle Panzer auch kurzfristig einsatzbereit sind. Wie viele Leopard-2-Panzer andere Staaten liefern wollen, lesen Sie hier.

Aus den Beständen der Bundeswehr werden aber nicht nur Kampfpanzer in die Ukraine geschickt. Zu den bisherigen Militärhilfen gehören das Flugabwehrsystem Patriot, Gepard-Panzer zur Flugabwehr und das Flugabwehrsystem Iris-T. Angekündigt sind zudem rund 40 Schützenpanzer vom Typ Marder, die noch im ersten Quartal in der Ukraine eintreffen sollen – weitere Marder-Panzer wurden in einem Ringtausch bereits im Oktober an Griechenland geliefert.

Im Ergebnis werde die Verteidigungsfähigkeit "national, aber auch im Bündnis" durch die Lieferungen "definitiv" weiter geschwächt, mahnt Oberst Wüstner im Gespräch mit dem ZDF. Bei den gepanzerten Kampftruppen liege die Einsatzbereitschaft in der Bundeswehr aktuell bei nur etwa 33 Prozent. Angesichts des Verlaufs dieses Krieges, der nach Wüstners Einschätzung noch Jahre andauern werde, könne man zudem nicht davon ausgehen, dass es bei einer Lieferung von 14 Leopard-Panzern bleiben werde.

Lange Liste an Mängeln

Es sind nicht nur die Lieferungen an die Ukraine, die auf den Beständen der deutschen Streitkräfte lasten. Trotz bewilligtem Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro und einem Verteidigungsetat von 50 Milliarden Euro häuften sich in den vergangenen Monaten die Berichte über Mängel bei der Truppe:

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sieht die Verantwortung dafür vor allem bei den Verteidigungsministern der Union. In vergangenen Legislaturperioden seien viele Fehler gemacht worden: "In vielen Fällen müssen die Produktionen neu etabliert werden", sagte Scholz am Mittwoch in der ZDF-Sendung "Was nun, Herr Scholz".

Ist die Bundeswehr vor diesem Hintergrund überhaupt einsatzfähig? In einem internen Bericht, den die ehemalige Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) und der Generalinspekteur der Bundeswehr, Eberhard Zorn, dem Verteidigungsausschuss Mitte Dezember vorgelegt hatten, heißt es dazu: Die Einsatzbereitschaft sei "gegeben, allerdings teilweise qualitativ eingeschränkt".

"Wir müssen in eine Art Kriegswirtschaft"

Vor diesem Hintergrund fordert der Bundeswehrverband ein Umdenken in der Rüstungspolitik. "Wir müssen endlich in eine Art Kriegswirtschaft, wir müssen endlich die Industrie stärken", sagte der Vorsitzende Oberst Wüstner im ZDF.

Es fehle insbesondere an konkreten Zusagen der Bundesregierung, wie und wann die gelieferten Waffensysteme in den Reihen der Bundeswehr ersetzt werden können. Die Produktion von Rüstungsgütern müsse nun mit derselben Geschwindigkeit vorangetrieben werden wie der Bau von LNG-Terminals. Manfred Weber, CSU-Vize und Chef der Europäischen Volkspartei (EVP), hat sich den Forderungen Wüstners am Donnerstag angeschlossen. Mehr dazu lesen Sie hier.

Der amtierende Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) äußerte sich bei einem Truppenbesuch in Sachsen-Anhalt am Donnerstag zögerlich zu diesen Forderungen. Er kündigte an, sehr bald, wahrscheinlich noch in der nächsten Woche, Gespräche mit Vertretern der Rüstungsindustrie zu führen. Die schnelle Nachlieferung von Ausrüstung und Waffen für die Bundeswehr sehe er als seine Hauptaufgabe.

Verwendete Quellen
  • zdf.de: "Wüstner: "Erwarte ein Umsteuern der Politik"
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
  • Eigene Recherche
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