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Bundestagswahl | Laschet, Baerbock, Scholz: Keiner soll Kanzler werden


Tagesanbruch
Kanzler: keiner

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 10.08.2021Lesedauer: 6 Min.
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Weder Armin Laschet noch Annalena Baerbock noch Olaf Scholz gelingt es bisher, die Mehrheit der Wähler zu überzeugen.Vergrößern des Bildes
Weder Armin Laschet noch Annalena Baerbock noch Olaf Scholz gelingt es bisher, die Mehrheit der Wähler zu überzeugen. (Quelle: imago images)

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

dieser Herr Keiner ist ein toller Kerl. Täglich in aller Munde, erfreut sich wachsender Popularität, verkörpert die Wünsche von Millionen Wählerinnen und Wählern. Moment! Entschuldigung. Vielleicht ist Herr Keiner ja gar kein Mann. Sondern eine Frau. Eine erfahrene Politikerin, die Deutschlands große Herausforderungen bewältigen und das Land sicher in die Zukunft führen kann.

Ob männlich oder weiblich: Auf jeden Fall handelt es sich bei Keiner um eine patente Person. Genau so eine braucht das Land jetzt, um die Schäden der Corona-Krise zu heilen, die Klimakrise zu lindern, die Bildungskrise zu bewältigen, die Digitalisierungskrise zu überwinden und all die anderen großen und kleinen Krisen zu meistern. Um dem Land wieder einen Kompass zu geben. Grundehrlich sollte sie sein, diese Person. Frei von Überheblichkeit, aber souverän im Auftreten. Erfahren und fachkundig. Gern eloquent und von gewinnendem Wesen. Ach ja, und einigermaßen sympathisch sollte sie natürlich auch sein. Zu hohe Ansprüche? Mag sein, aber so sieht es wohl aus, das Profil, das sich Millionen Deutsche von ihrem nächsten Kanzler oder ihrer nächsten Kanzlerin wünschen.

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Das Problem ist: Diese Person gibt es nicht. Jedenfalls nicht in der Riege der gegenwärtigen Kanzlerkandidaten – so lautet Umfragen zufolge das gegenwärtige Urteil des Wahlvolks. Das Meinungsforschungsinstitut Forsa, das gewöhnlich recht verlässliche Zahlen liefert, ermittelte vor wenigen Tagen ein besonders drastisches Bild: Gefragt, welchen Kandidaten sie direkt zum Kanzler wählen würden (wenn sie denn könnten), antworteten 21 Prozent: Olaf Scholz. 16 Prozent stimmten für Annalena Baerbock, 13 Prozent für Armin Laschet. Die meisten Stimmen aber liefen ins Leere: Sage und schreibe 50 Prozent der Befragten gaben an, sie würden keinen der drei wählen. Die Enttäuschung über die Blässe der drei Spitzenleute und ihren müden Wahlkampf wächst. Es gäbe so viel, worüber man in diesem Sommer streiten und debattieren könnte, doch die Kandidaten und ihre Parteien machen nur wenig daraus.

Vor allem Unionsmann Armin Laschet sieht sich immer lauterer Kritik ausgesetzt, mittlerweile auch aus den eigenen Reihen. Sein Umfeld wirkt fahrig, bei wichtigen Terminen erscheint der Kandidat unvorbereitet, kritische Fragen quittiert er mit Missmut. Manche Beobachter sagen: Da hat jemand die Anforderungen eines bundesweiten Wahlkampfs unterschätzt. Andere meinen, die CDU-Zentrale in Berlin, aber auch Laschets Stab in Düsseldorf habe wegen des monatelangen Machtkampfs mit Annegret Kramp-Karrenbauer, Friedrich Merz und Markus Söder zu wenig Zeit für eine gründliche Vorbereitung gehabt. Die Dritten, und es sind nicht wenige, glauben: Der kann es einfach nicht. "Was Laschet dem Publikum seit seiner Nominierung bietet, erinnert eher an eine Wahlkampfparodie als an eine ernst zu nehmende Kampagne", unkt der "Spiegel". Der Gescholtene verteidigt sein Wahlkämpfchen damit, dass er sich jetzt zuvorderst um die Hochwasserschäden in Nordrhein-Westfalen kümmern müsse. Doch auch das Krisenmanagement gelingt ihm nicht recht – was ihn noch dünnhäutiger erscheinen lässt.

Auch Annalena Baerbock wirkt verunsichert. Ihre Wahlkampfplaner schirmen die Kandidatin ab, planen ihre Auftritte so, dass sie vor allem mit ohnehin überzeugten Grünen-Anhängern in Kontakt kommt, die Angst vor weiteren Fehlern ist groß. Berechtigterweise: Als sie vor wenigen Tagen Journalisten durch ein Waldgebiet in ihrem Wohnsitzland Brandenburg führte, plauderte Frau Baerbock munter drauflos und offenbarte dabei eine bemerkenswerte geografische Ahnungslosigkeit. Auch hier raunen immer mehr Leute hinter vorgehaltener Hand den kalten Satz: "Die kann es einfach nicht." Jedes ihrer Worte wird inzwischen von Reportern auf die Goldwaage gelegt; so ist das eben, wenn man das mächtigste Amt im Staat erobern will. Ihr Co-Chef Robert Habeck tourt unterdessen von einem Bürgergespräch zum nächsten und spricht in vielen Reden frei von der Leber weg.

So macht es auch Olaf Scholz, dessen Beliebtheitswerte mittlerweile deutlich vor denen seiner beiden Rivalen liegen. Auch seine Partei beginnt er langsam, gaaanz langsam aus dem Umfragekeller herauszuziehen: In der jüngsten Umfrage kommt die SPD ebenso wie die Grünen auf 18 Prozent, die FDP erreicht 12 Prozent. Das würde für eine SPD-geführte Ampelkoalition reichen (hier können Sie sich die verschiedenen Machtoptionen anschauen). Doch das große Problem von Herrn Scholz bleibt: Er ist quasi ein Alleinkämpfer, die weitgehend unbekannten Parteichefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans können ihm allenfalls dadurch helfen, dass sie möglichst selten unangenehm auffallen. Hinzu kommt das Imageproblem der Sozialdemokraten: "Das Alte zu bewahren und den Wandel zu bremsen: Das verkörpert die CDU, immer schon. Es ist ihr Alleinstellungsmerkmal, ihr Daseinszweck. Und für das Neue, den grundlegenden Wandel, dafür sind in diesem Wahlkampf die Grünen zuständig. Viel eher als die SPD, die in den vergangenen Jahren fast immer überall dabei war und mitregiert hat", analysiert unser Reporter Johannes Bebermeier, der Olaf Scholz mehrere Tage lang begleitet hat. "Die SPD steht bei dieser Richtungsentscheidung irgendwo dazwischen. Und könnte genau an diesem strategischen Dilemma scheitern."

Anders als in Frankreich oder in den USA wird der Regierungschef hierzulande nicht direkt gewählt. Die Bürger wählen Parteien, die dann eine Koalition bilden und den Kanzler wählen. Das mag mancher bedauern, aber bisher ist die Republik nicht schlecht damit gefahren. Die mächtigste Person im Staat bezieht ihre Legitimation aus der Parlamentsmehrheit und ist dieser stets verpflichtet. Das hält von Alleingängen ab und trägt dazu bei, dass die Kanzler auf dem Boden bleiben.

Trotzdem sind die gegenwärtigen Umfrageergebnisse ein bitterer Vorwurf an die drei Kanzlerkandidaten: Wer die Wähler so wenig überzeugt, so wenig mitreißt, der macht etwas falsch und sollte sich fragen, ob er womöglich fehl am Platz ist. Zumindest Herr Laschet und Frau Baerbock kommen um diese Frage nicht mehr herum. Ansonsten könnte sich nach dem 26. September eine Person mit Ach und Krach ins Kanzleramt hangeln, die die große Mehrheit der Bevölkerung dort gar nicht haben will.


Die Alarmglocken schrillen

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Noch immer wüten die Brände in Griechenland, Süditalien und der Türkei, noch immer laufen die Aufräumarbeiten nach der Überschwemmungskatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. Ob Flammen oder Flut – die Ursache dieser Extremwetterereignisse, zu denen auch die Jahrhunderthitze in Nordamerika und die Taiga-Brände in Sibirien gehören, ist immer die gleiche und hinlänglich bekannt: Es ist die Erderhitzung, die die Menschheit viel zu lange befördert hat. Wenn heute der Weltklimarat IPCC den ersten Teil seines 6. Klimaberichts präsentiert, ist also mit inhaltlichen Überraschungen nicht zu rechnen. Die Wissenschaftler, die Tausende von Studien gesichtet und bewertet haben, werden wieder einmal zu dem Schluss kommen, dass die Klimakrise in vollem Gange ist und schleunigst effektiv bekämpft werden muss. Ihre Prognose wird nicht positiver, aber genauer. Bleibt nur die Frage: Wann beginnen die verantwortlichen Politiker endlich, auf die Wissenschaftler zu hören? "Weil jetzt so ein Tag ist, ändert man nicht die Politik", hat Armin Laschet nach dem Hochwasser in NRW gesagt. Auch das dürfte einer der Gründe für seine Unbeliebtheit sein.


Machtlos gegen den Diktator

Genau ein Jahr ist die manipulierte Präsidentenwahl in Belarus heute her, und was der seit über 25 Jahren herrschende Terrorist Alexander Lukaschenko sich seither an Provokationen, Gewalttaten und Missachtung internationaler Verträge geleistet hat, stellt eine neue Dimension des Schreckens dar. Er ließ die Massenproteste gegen sein Regime niederknüppeln und Demonstranten totschlagen, zwang ein Flugzeug zur Landung, um den Oppositionellen Roman Protassewitsch zu verhaften, versuchte die Sportlerin Kristina Timanowskaja zu entführen und öffnet Migranten aus Arabien eine neue Fluchtroute in die EU. Kein Wunder, dass die EU-Kommission dem Diktator zum Jahrestag zusätzliche Sanktionen androht. Außerdem soll sich kommende Woche eine Sondersitzung der EU-Innenminister mit dem Thema "Migration als Waffe" befassen. Solange der Strippenzieher im Kreml seine Marionette Lukaschenko stützt, dürften die Strafmaßnahmen aus Brüssel allerdings weiterhin verpuffen.


Leises Willkommen

Die olympische Flamme ist erloschen, die Spiele in Tokio sind beendet. Um 14 Uhr werden die deutschen Olympioniken heute am Frankfurter Flughafen erwartet, danach ist ein Empfang im Römer geplant. Mit zehnmal Gold, elfmal Silber, 16-mal Bronze und Platz neun im Medaillenspiegel ist ihre Bilanz allerdings nur mäßig. Der sportliche Absturz hat sich seit Langem angekündigt, sagt der ehemalige Weltklasse-Schwimmer Michael Groß im Interview mit meinem Kollegen Alexander Kohne – und fordert eine Revolution im deutschen Leistungssport.


Was lesen?

In den griechischen Waldbrandgebieten herrschen apokalyptische Zustände. "Man hat uns brennen lassen!", hat ein verzweifelter Mann unserer Reporterin Carolina Drüten zugerufen, die nördlich von Athen unterwegs ist. Hier ist ihr Bericht vom Brandherd.


Jahrelang verteidigten Bundeswehrsoldaten Kundus – nur wenige Wochen nach ihrem Abzug aus Afghanistan haben nun die Taliban die Stadt erobert. Der "Tagesspiegel" analysiert den gescheiterten Einsatz.


Deutschland muss bei der Digitalisierung dringend vorankommen – aber was genau ist zu tun? Der Ökonom Michael Hüther macht fünf konkrete Vorschläge.


Was amüsiert mich?

Schade, dass die Olympischen Spiele vorbei sind. Wobei, vielleicht hat es ja auch sein Gutes …

Ich wünsche Ihnen einen federleichten Wochenstart.

Herzliche Grüße,

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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