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Bundestagswahl: Fünf Gründe, warum Laschet derzeit vieles richtig macht


Tagesanbruch
Das klingt verrückt

MeinungVon Florian Wichert

Aktualisiert am 18.10.2021Lesedauer: 9 Min.
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Armin Laschet.Vergrößern des Bildes
Armin Laschet: Er macht derzeit vieles richtig. (Quelle: Marcel Kusch/dpa-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

ein "Laschomat" würfelte vermeintlich nichtssagende Äußerungen zu austauschbaren Statements von Armin Laschet auf Zitatkarten zusammen und sorgte für Erheiterung in der Bevölkerung. Der "Spiegel" verspottete ihn auf dem Titel als "Häuptling Wirdsonix" im Asterix-Stil und nannte ihn "Problemkandidat". Gegner verhöhnten ihn aufgrund seiner Statur als "Hobbit". Und in seinen 160 Tagen Wahlkampf schossen ihn in aller Regelmäßigkeit sogar Leute aus den eigenen Reihen an – teils mit offenem Visier. Noch schlimmer: meist zwischen den Zeilen.

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Der Rheinländer selbst gab seinen Kritikern und Spöttern dabei regelmäßig neues Futter. Sie kennen die Fälle von Selbstzerstörung. Er lachte peinlich und unpassend bei der schlimmen Flutkatastrophe, ein Plagiat in seinem Buch kam ans Licht oder ihm fielen auf die Frage einer Reporterin spontan keine drei Themen ein, die ihm im Wahlkampf wichtig seien. Seine Umfragewerte wurden von Woche zu Woche immer mieser. Und dann kassierte er mit der Union die üble Schlappe bei der Bundestagswahl mit 24,1 Prozent.

Nie hat ein Kanzlerkandidat – insbesondere der Union – so viel auf die Mütze bekommen wie Laschet. Und zwar zum einen vor der Bundestagswahl, zum anderen aber auch hinterher und damit in den vergangenen drei Wochen. Die einen stellten ihn öffentlich und deutlich an den Pranger als den Verantwortlichen für das schlechteste Unions-Ergebnis aller Zeiten bei einer Bundestagswahl, andere dachten das Gleiche – beschränkten sich aber wie schon vor der Wahl auf Floskeln, die zumindest auf den ersten Blick diplomatisch klangen.

Dabei macht Laschet – und das klingt aufgrund dieser Historie erst mal total verrückt – gerade vieles richtig. Vielleicht sogar alles, wie diese fünf Punkte zeigen:

Erstens: sein Auftritt beim Deutschlandtag der Jungen Union in Münster. Nach den oben genannten Fehlern, Patzern und Peinlichkeiten stand Laschet bei der JU der nächste schwere Gang bevor. Und natürlich gab es auch durchaus deutliche Kritik, trotzdem kam es anders als erwartet. Laschet erklärte, warum er die Einladung angenommen habe: "Ein CDU-Vorsitzender muss bei der Jungen Union sein – in guten wie in schlechten Zeiten." Und sammelte sogleich erste Sympathiepunkte insbesondere im Vergleich zu CSU-Chef Markus Söder. Der hatte zuletzt bei der Jungen Union in Bayern mächtig Gegenwind bekommen angesichts des schwachen CSU-Ergebnisses und der "One-Man-Show", zu der die kleine Schwester der CDU verkommen sei. Nun schenkte er sich den Deutschlandtag, was noch schlechter ankam.

Zweitens: sein Schuldeingeständnis. Laschet hielt bei der JU seine wohl beste Rede seit Monaten und nahm ihr gleich den Wind für Kritik aus den Segeln. "Wir haben ein bitteres Ergebnis erzielt. Nichts daran lässt sich schönreden. Und die Verantwortung für dieses Ergebnis, die trage ich als Vorsitzender und als Kanzlerkandidat", so Laschet. Und weiter: "Den Wahlkampf, die Kampagne, habe ich zu verantworten und sonst niemand. Und das muss auch jedem so klar sein." Ein Eingeständnis zur rechten Zeit.

Denn auch in der Union hätten viele diese Worte gern schon früher gehört, statt erst drei Wochen nach der Wahl. Das Salami-Eingeständnis erklärte Laschet allerdings mit der zunächst noch vorhandenen Chance, mit Grünen und FDP über ein Jamaika-Bündnis und somit eine Regierungsoption zu sprechen. Diese Chance ist zwar theoretisch immer noch vorhanden, allerdings deutet nach diesem Wochenende alles auf konkrete Ampel-Verhandlungen hin. Grüne und SPD haben die Aufnahme bereits abgesegnet, heute wird die FDP höchstwahrscheinlich nachziehen. Deshalb ergibt es für Laschet Sinn, genau jetzt die Waffen zu strecken.

Abgesehen von der Sicht aus der Partei darf man zudem seine persönliche nicht ignorieren. Laschet hat mit seiner Ankündigung zum Rückzug vom Amt des Ministerpräsidenten in Nordrhein-Westfalen alles auf eine Karte gesetzt. Kanzler oder nix – dann kann man einem Spitzenpolitiker mit großen Plänen, Ideen und Ambitionen möglicherweise schon mal zugestehen, die Chance auf das angestrebte Amt nicht früher als irgendwie nötig abzuschreiben.

Drittens: seine Ich-mache-den-Weg-frei-aber-nicht-sofort-Ansage. Bei einer Pressekonferenz vor eineinhalb Wochen hätten sich viele eine klare Ansage von Laschet erhofft, einen Rücktritt und das eben beschriebene Schuldeingeständnis. Laschet dagegen sprach von einem Neuanfang mit neuen Persönlichkeiten, den er sich wünschen würde. An seiner Person werde der nicht scheitern. Wenn man zu anderen Lösungen kommen wolle, sei dies möglich. Zurück ließ er verdutzte Parteimitglieder, Medienvertreter und Anhänger der Union. War das nun ein Rücktritt oder nicht? Oder ein halber, weil er ankündigte, einen Übergang moderieren zu wollen? Auch wenn ihm nun nach und nach der Einfluss entgleitet: Zumindest herrscht erst einmal keine völlige Anarchie in der CDU. Und die Nachfolgekandidaten halten sich einigermaßen zurück und schlagen sich nicht die Köpfe ein.

Viertens: sein Umgang mit der Ampel-Entwicklung. Laschet nannte das Sondierungspapier von Grünen, FDP und SPD beim Deutschlandtag der Jungen Union "in Ordnung", "beachtlich" und sagte, man müsse nicht sofort alles schlechtmachen. Das kam auf jeden Fall bei der Jungen Union sehr viel besser an als die Abrechnung von Fraktionschef Ralph Brinkhaus mit der künftigen Ampelkoalition. Gleich mehreren JU-Delegierten platzte beim Brinkhaus-Auftritt der Kragen, weil der so "dreist" sei, das eigene politische Versagen den Gegnern in die Schuhe zu schieben.

Fünftens: sein Handyverbot. Laschet sprach anschließend davon, nach den Durchstechereien der vergangenen Wochen das CDU-Präsidium gebeten zu haben, alle Handys auf die Fensterbank zu legen. Laschet: "Solange ich CDU-Vorsitzender bin, gilt ein Handyverbot – und ich würde jedem das Gleiche danach empfehlen." Ob das noch umsetzbar ist in Zeiten von Schaltkonferenzen, darf man wohl bezweifeln. Aber zumindest verleiht die Idee seiner Kritik an den Indiskretionen eine gewisse Vehemenz. Mit dieser Thematik werden sich auch seine Nachfolger auseinandersetzen müssen.

Bei der Jungen Union brachten sich Friedrich Merz ("Natürlich fegen neue Besen gut, aber die alte Bürste kennt die Ecken"), Brinkhaus ("Das Sondierungspapier der Ampel ist die strammste Linksagenda, die wir seit Jahrzehnten in Deutschland gehabt haben"), Jens Spahn ("Ich habe Lust, die neue CDU zu gestalten“) und Carsten Linnemann ("Wir müssen wieder eine Mitgliederpartei werden") schon mal mit Reden in Stellung. Nimmt man Norbert Röttgen dazu, der als Gast ebenfalls vor Ort war, sind das bislang nur fünf Männer als Bewerber für die CDU-Spitze, die allesamt aus NRW kommen. So wie Laschet, aber dessen Zeit neigt sich dem Ende zu.

Bundeskanzler wird er nicht mehr, ein Spitzenamt bekleiden auch nicht. Aber zumindest arbeitet er an einem ehrenhaften Abgang, den er sicher verdient hat – nachdem er monatelang durch die Hölle gegangen ist.

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Oder wie Manfred Weber, stellvertretender CSU-Parteivorsitzender und Vorsitzender der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, am Wochenende sagte: "Wir würden als Union einen großen Fehler machen, wenn wir alles nur auf Armin Laschet schieben. Das Laschet-Bashing muss ein Ende haben."


Zündstoff für die Ampel-Verhandlungen

"Nein", antwortete FDP-Chef Christian Lindner bei der Vorstellung des 12-seitigen Sondierungspapiers von Grünen, FDP und SPD am vergangenen Freitag auf die Frage, ob man bereits über Posten und Personalien gesprochen habe. Logisch, zunächst geht es bei der Regierungsbildung schließlich immer um Inhalte. Angeblich zumindest. Denn die Ressorteinteilung und Besetzung ist eigentlich zu wichtig, um sie bei Sondierungen völlig außen vor zu lassen.

Zumal es nun womöglich schon das erste Gerangel um den besten Kandidaten für das Amt des Finanzministers gibt. Am Sonntagabend sprach sich Lindner in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin" zwar gegen öffentliche Diskussionen über Ministerposten aus, signalisierte zugleich aber Interesse am Finanzministerium.

Auch der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Marco Buschmann, nannte Parteichef Lindner im "Spiegel" als Favoriten für das Finanzressort: "Ich kann mir niemand Besseren für diese Aufgabe vorstellen." Lindner habe sich lange und intensiv auf diese Aufgabe vorbereitet. Der stellvertretende Vorsitzende Wolfgang Kubicki ergänzte bei NDR-Info: "Ansonsten hätte die FDP die Torte im Gesicht."

Der grüne Finanzminister aus Baden-Württemberg, Danyal Bayaz, sieht das anders und erklärte: "Ich kann mir niemand Besseren als Robert Habeck für die Aufgabe des Bundesfinanzministers vorstellen. Er hat sich nicht erst seit gestern gründlich auf diese verantwortungsvolle Aufgabe vorbereitet. Er hat außerdem Erfahrungen als Chef eines Ministeriums gesammelt."

Neben der Unschärfe, die das Sondierungspapier noch enthält (Lesen Sie hier die Analyse von Sven Böll, Tim Kummert und Johannes Bebermeier), steckt also durchaus weiterer Zündstoff in den kommenden Gesprächen – aber vielleicht ist nach der zumindest nach außen vorgetragenen Harmonie der vergangenen Woche auch etwas Reibung gar nicht schlecht.

Und vorher muss ohnehin nach dem Go der Grünen von gestern Nachmittag heute die FDP die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen für eine Ampel durchwinken.


Nach den Spielen ist vor den Spielen

Noch keine drei Monate sind die Olympischen Spiele in Tokio her, bei denen – wahrscheinlich erinnern Sie sich – die Weitspringerin Malaika Mihambo oder Tennisstar Alexander Zverev für Deutschland Gold gewannen. Trotzdem wird heute bereits im antiken Olympia auf der griechischen Halbinsel Peloponnes in einer feierlichen Zeremonie das olympische Feuer für die Winterspiele in Peking 2022 entzündet. Die Flamme wird anschließend nach Athen gebracht, wo sie am Dienstag, 19. Oktober, an das Pekinger Olympische Komitee übergeben wird. Beide Zeremonien sollen wegen Corona ohne Publikum stattfinden. Bilder dieser ganz besonderen Veranstaltung wird es natürlich dennoch geben.


Wandert der teuerste Spieler aller Zeiten jetzt ins Gefängnis?

Es gibt nichts, wirklich gar nichts, das häusliche Gewalt rechtfertigt. Und genau dafür ist Lucas Hernández 2017 verurteilt worden – gegenüber seiner damaligen Freundin Amelia Llorente. Lucas Hernández? Das ist der teuerste Fußballer, der jemals in die deutsche Bundesliga gewechselt ist. 80 Millionen Euro hat der FC Bayern 2019 für den französischen Nationalspieler bezahlt. Eine vollkommen irrsinnige Summe – unter den Eindrücken der Corona-Krise ohnehin, aber auch vorher war das schon wahnsinnig viel Geld.

Dieser Lucas Hernández hat seine Strafe von 30 Sozialstunden 2017 abgearbeitet und eine Geldstrafe bezahlt. Nur eine Auflage hat er nicht befolgt: das Kontaktverbot. Warum? Weil er sich mit seiner Freundin versöhnt und sie anschließend geheiratet hat. Mit ihr sowie dem gemeinsamen Kind wohnt er heute in München.

Ist das ein triftiger Grund, um eine Kontaktsperre zu verletzen? Für die spanische Justiz nicht. Sie verkündete: "Das 32. Strafgericht von Madrid, das für die Vollstreckung von Urteilen wegen Gewalt gegen Frauen zuständig ist, hat den Antrag auf Aussetzung der gegen Lucas François B. H. verhängten sechsmonatigen Freiheitsstrafe abgelehnt und ihn aufgefordert, am 19. Oktober um 11 Uhr vor Gericht zu erscheinen, damit ihm der Antrag auf freiwillige Inhaftierung innerhalb einer nicht verlängerbaren Frist von zehn Tagen zugestellt werden kann."

Der teuerste Spieler aller Zeiten in der Bundesliga soll in den Knast. Nun gibt es verschiedene Fragen, die sich anschließen: Muss der Spieler wirklich hinter Gitter, nachdem diverse Stars wie Lionel Messi oder Cristiano Ronaldo beispielsweise trotz Steuerhinterziehung letztlich um einen Gefängnisaufenthalt herumkamen? Was kann der FC Bayern tun, wenn der Spieler wirklich ins Gefängnis muss?

Dazu diskutiere ich im "Zweikampf der Woche" mit unserem Sportchef Robert Hiersemann darüber, ob Hernández nun der größte Transferflop in der Geschichte des FC Bayern ist. In dem Zusammenhang ein TV-Tipp: Am heutigen Montagabend diskutieren wir diese Frage auch in einem Videoformat im Rahmen der Sendung "Bundesliga Pur" auf Sport 1 zwischen 21 und 21.45 Uhr. t-online gibt es also ab heute Abend auch regelmäßig im Free-TV.


Weitere Termine des Tages

  • Drei Wochen nach der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus entscheiden die Gremien von SPD, Grünen und Linken in der Hauptstadt über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen.
  • Im Rahmen des Deutschen Buchpreises wird heute der beste deutschsprachige Roman ausgezeichnet.
  • Die Vereinten Nationen nehmen in Genf einen neuen Anlauf, um die Gespräche über eine neue Verfassung für Syrien wieder in Gang zu bringen.
  • Beim EU-Außenministertreffen in Luxemburg geht es um die Lage in Afghanistan, Äthiopien und Nicaragua.
  • Roland Kaiser stellt seine Autobiografie "Sonnenseite" vor. Einen Auszug haben wir vor wenigen Tagen vorab hier veröffentlicht.

Was lesen oder anschauen?

Im Konflikt zwischen China und den USA ist Taiwan ein Spielball der gegensätzlichen Ideologien. Doch das klingt harmloser, als es ist: Die Lage droht mehr und mehr zu eskalieren, wie mein Kollege Bastian Brauns hier beschreibt.


Was werden Sie an Angela Merkel vermissen? Diese Frage zur scheidenden Bundeskanzlerin haben unsere Kolleginnen und Kollegen von Watson mehr als 100 Bundestagsabgeordneten gestellt. Dabei kam unter anderem die am Wochenende viel zitierte Geschichte einer Fraktionsvorsitzenden heraus, die ohne eine SMS von Merkel wohl heute nicht mehr in der Politik wäre.


Inflationsangst, gestörte Lieferketten, hohe Rohstoffpreise: Braut sich an der Börse was zusammen? Warum eine Korrektur gar nicht so schlimm ist, sondern sogar eine Chance, das erklärt unsere Kolumnistin Jessica Schwarzer hier.


Was amüsiert mich?

Da wird man wohl weiter rasen müssen.

Ich wünsche Ihnen einen wunderbaren Start in die Woche. Morgen schreibt an dieser Stelle Florian Harms den Tagesanbruch für Sie.

Ihr

Florian Wichert
Stellvertretender Chefredakteur t-online
Twitter: @florianwichert

Was denken Sie über die wichtigsten Themen des Tages? Schreiben Sie es uns per E-Mail an t-online-newsletter@stroeer.de.

Mit Material von dpa.

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