Währungseffekte Schwacher Dollar, starker Euro – wer gewinnt, wer verliert?

Ein schwacher Dollar klingt nach Risiko – doch an den Börsen und in deutschen Geschäften kann genau das zum Vorteil werden.
Der US-Dollar gilt seit Jahrzehnten als Fels in der Brandung der Weltwirtschaft. Wenn Krisen drohen, flüchten Investoren in die amerikanische Währung, weil diese ihnen Stabilität verspricht. Umso erstaunlicher wirkt die aktuelle Entwicklung: Der Dollar hat in den vergangenen Monaten gegenüber dem Euro kräftig nachgegeben.
Wer Anfang des Jahres einen Dollar in Euro getauscht hat, bekam dafür noch knapp 97 Cent. Inzwischen sind es nur noch rund 87 Cent. Für viele klingt das nach abstraktem Börsenjargon. Aber der Wechselkurs bestimmt am Ende, wie viel wir für unsere Urlaubsreise bezahlen, wie teuer der Sprit wird und ob Unternehmen im Exportgeschäft Gewinne machen oder nicht.
Doch wer profitiert eigentlich von einem schwachen Dollar – und für wen wird es teuer?
Was bedeutet ein schwacher Dollar überhaupt?
Ein schwacher Dollar heißt, dass man für einen Euro mehr Dollar kaufen kann als zuvor. Beispiel: Steht der Kurs bei 1,20 US-Dollar pro Euro, erhält man für 100 Euro ganze 120 Dollar. Das war im Jahr 2021 der Fall. Vor einigen Monaten lag der Kurs bei 1,05 US-Dollar – da bekam man für dieselben 100 Euro nur 105 Dollar. Mittlerweile bekommt man für 100 Euro wieder 115 Dollar. Der Euro ist also stärker geworden, der Dollar schwächer.
Die Ursachen dafür sind vielfältig: Neben Zinsdifferenzen zwischen der US-Notenbank Fed und der Europäischen Zentralbank (EZB) spielen Erwartungen von Investoren, politische Risiken und Handelsabkommen eine Rolle. Aber für den Alltag zählt vor allem, welche Auswirkungen die Wechselkursbewegungen haben.
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Gewinner in Europa: Wer jubelt über den starken Euro?
Importeure aus der EU, die aus den USA Waren oder Rohstoffe beziehen, kaufen günstiger ein. Ein Beispiel: Ein deutscher Maschinenbauer bestellt Spezialteile in Kalifornien für 1 Million Dollar. Steht der Kurs bei 1,05 USD pro Euro, muss er dafür rund 952.000 Euro auf den Tisch legen. Bei einem Kurs von 1,15 USD sind es nur noch rund 869.565 Euro. Er spart also mehr als 82.000 Euro allein durch den Wechselkurs. Das macht Geschäfte in den USA attraktiver.
Auch Verbraucher können die Währungsentwicklung im Alltag spüren, allerdings mit zeitlichem Versatz und unter Bedingungen. Elektronik, Mode und andere US-Produkte werden günstiger, wenn der Euro gegenüber dem Dollar zulegt. Ein neues iPhone aus den USA? Je nach Kurs plötzlich 10 bis 15 Prozent billiger – einfach, weil der Dollarpreis in Euro umgerechnet wird. Auch Fahrzeuge aus US-Produktion wie Ford, Chrysler, Jeep oder Tesla könnten preiswerter werden – vorausgesetzt, die Händler geben den Währungsvorteil an ihre Kunden weiter.
Die meisten Rohstoffe wie Öl oder Gas werden weltweit in US-Dollar gehandelt. Ein schwacher Dollar senkt damit für Europa die Importpreise. Energieversorger zahlen weniger für Ölimporte, was sich mittelbar auch auf den Spritpreis auswirken kann. Zwar machen Steuern und andere Faktoren den Löwenanteil an der Zapfsäule aus, doch günstige Wechselkurse dämpfen Preisspitzen.
Gewinner in den USA: Wer freut sich über den schwachen Dollar?
Für exportorientierte US-Unternehmen ist ein schwacher Dollar ein echter Vorteil: Ihre Produkte werden für Käufer in Europa oder Asien günstiger, was die Nachfrage im Ausland ankurbelt. Dabei ist für den amerikanischen Exporteur entscheidend, dass der vereinbarte Preis in US-Dollar stimmt – der genaue Euro-Betrag, den das europäische Unternehmen zahlt, ist für ihn zunächst zweitrangig.
Ein günstiger Wechselkurs verbessert somit die Chancen auf neue Aufträge. Besonders profitieren davon Branchen wie die Landwirtschaft, der Fahrzeugbau und auch der US-Tourismus, denn Reisen in die Vereinigten Staaten werden für ausländische Gäste erschwinglicher.
Wer einen Roadtrip durch die USA plant, bekommt mehr für sein Geld. Hotels, Freizeitparks, Mietwagen und Restaurantbesuche kosten faktisch weniger. Und je mehr Reisende aus der Eurozone das ähnlich sehen, desto mehr verdienen diese Branchen in den USA. Das würde vor allem Regionen helfen, die stark vom Tourismus abhängen – von New York bis Las Vegas.
Derzeit dämpft allerdings die US-Politik die Reiseeuphorie, und die aktuelle Dollarschwäche könnte durch weniger Gäste verpuffen. Seit April ist der internationale Tourismus erheblch eingebrochen. So kamen im März 23 Prozent weniger Besucher aus Mexiko, 17 Prozent weniger aus Europa, 26 Prozent weniger aus der Karibik und 35 Prozent weniger aus Mittel- und Südamerika. Laut Schätzungen der U.S. Travel Association führt ein Rückgang der internationalen Besucherausgaben um ein Prozent bereits zu einem Verlust von 1,8 Mrd. US-Dollar. Bei anhaltendem Trend könnten es mindestens 21 Mrd. Dollar werden.
Schwellenländer atmen auf – zumindest vorübergehend
Länder in Asien wie China, Südkorea und Indonesien haben traditionell Teile ihrer Staats- und Unternehmensschulden in US-Dollar aufgenommen. Sinkt der Dollar-Kurs in Relation zur eigenen Währung, können diese Staaten ihre Kredite günstiger bedienen: Sie benötigen weniger ihrer eigenen Währung, um Zins- und Tilgungszahlungen in Dollar zu leisten. Das entlastet die Staatskassen und schafft finanziellen Spielraum, zum Beispiel für Investitionen in Infrastruktur oder Bildung.
Verlierer gibt es auch – auf beiden Seiten des Atlantiks
Für europäische Exporteure wird der Verkauf in die USA schwieriger, wenn der Euro gegenüber dem Dollar zulegt. Denn dadurch steigen die Preise ihrer Produkte in Dollar gerechnet – ein Auto, das in Europa 40.000 Euro kostet, verteuert sich bei einem Wechselkurs von 1,05 auf rund 42.000 Dollar, bei 1,15 sogar auf 46.000 Dollar.
Wenn US-Händler ihre Marge halten wollen, geben sie diese höheren Preise an die Kunden weiter. Die Folge: Amerikanische Käufer könnten dann zögern oder zur womöglich günstigeren Konkurrenz aus dem Inland wechseln.
Deutsche Autohersteller wie Volkswagen, BMW oder Mercedes spüren derzeit den doppelten Druck im US-Geschäft: Zum einen führt der schwächere Dollar dazu, dass ihre Erlöse bei Exporten in die Vereinigten Staaten schrumpfen.
Zum anderen führen neue Zölle in Höhe von 15 Prozent, die von den USA eingeführt wurden, zu einer weiteren Verteuerung der Ausfuhren. Dies betrifft nicht nur Autos, sondern alle Produkte, die in der EU hergestellt und in die USA geliefert werden.
Für amerikanische Verbraucher werden Importwaren spürbar teurer – mit zeitlicher Verzögerung zeigt sich das an der Supermarktkasse oder im Autohaus, etwa beim Kauf eines europäischen Fahrzeugs. Ein deutscher SUV ist davon ebenso betroffen wie französischer Käse oder Wein: Läuft der Wechselkurs gegen den Dollar, steigen die Preise.
Das wiederum treibt die Importinflation – also die Teuerung bei eingeführten Gütern – in die Höhe. Für US-Konsumenten ist das ein doppelter Nachteil: Sie zahlen mehr, und gleichzeitig erhöht sich der Inflationsdruck in der Gesamtwirtschaft.
Schwacher Dollar beflügelt die Börsen
An der Börse muss ein schwacher Dollar kein schlechtes Zeichen sein. Ganz im Gegenteil: Eine neue Analyse des Vermögensverwalters HQ Trust zeigt, dass der US-Leitindex S&P 500 in der Vergangenheit gerade in Phasen deutlicher Dollar-Abwertungen zulegen konnte.
"Seit der Euro-Einführung gab es zehn Phasen, in denen der US-Dollar gegenüber dem Euro um mehr als zehn Prozent an Wert verlor – und in allen zehn Fällen stieg der S&P 500", sagt Analystin Shijiao You. Im Schnitt verlor der Dollar in diesen Zeiträumen rund 17 Prozent pro Jahr, während der S&P 500 gleichzeitig um durchschnittlich 27 Prozent zulegte.
Selbst während längerer Schwächephasen – etwa zwischen 2002 und 2004 oder 2006 und 2008 – verzeichnete der US-Aktienmarkt positive Renditen. Auch zuletzt, zwischen Januar und Juli 2025, verlor der Dollar rund 13 Prozent an Wert. Dennoch kletterte der S&P 500 um sieben Prozent.
Das Fazit der Analystin: "In Zeiten nachlassender Dollar-Stärke – etwa aufgrund geldpolitischer Lockerung, fiskalischer Risiken oder globaler Umschichtung – entwickelten sich die US-Aktienmärkte dennoch robust."
Fazit
Ein schwacher Dollar und ein starker Euro sind kein Randphänomen – weder für Verbraucher noch für Börsianer. Der Wechselkurs beider Währungen beeinflusst direkt unseren Alltag. Urlauber, Unternehmen und ganze Volkswirtschaften gewinnen oder verlieren, je nachdem, wie sich die Wechselkurse entwickeln.
Während Europa beim Einkaufen und Reisen spart, kämpfen deutsche Exporteure um Wettbewerbsfähigkeit. Die USA wiederum stärken ihre Industrie und den Tourismus, während ihre Bürger mehr für Importwaren zahlen.
Die Lektion lautet: Wechselkurse sind mehr als Zahlen auf den Finanzseiten. Sie verschieben globale Handelsströme, entscheiden über Jobs und Preise – und sie können den einen reichlich beschenken, während sie dem anderen die Bilanz verhageln.
- HQ Trust / Analyse von Shijiao You, Strategische Asset Allokation, Stand: 15. Juli 2025.
- bound.co: "Why is a Weak US Dollar Good For Emerging Markets?" (Englisch)
- dmm.travel: "USA können auf ausländische Touristen gut und gerne verzichten..."
- finance.yahoo.com: "Dollar reaches one-month high versus euro on trade deal optimism, Fed in view" (Englisch)
- reuters.com: "Dollar shedding its tariff risk premium" (Englisch)
- thetimes.com: "Exporters face double whammy from weaker dollar and tariff woes" (Englisch)