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Ungarn | Viktor Orbán: Plan im Kampf gegen die Inflation geht nicht auf


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Schlusslicht in Europa
Orbán hat sich verzockt


17.12.2023Lesedauer: 4 Min.
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Viktor Orbán: Er will die Politik Europas gestalten, doch die desolate Wirtschaftslage im eigenen Land, könnte das erschweren.
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Ungarn leidet unter hohen Verbraucherpreisen. Im Land herrscht die höchste Inflation Europas. Für Ministerpräsident Orbán könnte das zum Problem werden.

Hohe Preise, vor allem für Lebensmittel und Energie, waren in diesem Jahr in ganz Europa zu spüren. Doch Ungarn war besonders stark betroffen. Zeitweise lag die Teuerung bei 25,8 Prozent, der höchste Wert aller EU-Länder. Lebensmittel verteuerten sich zwischenzeitlich sogar um 46 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat.

Diese drastischen Preisanstiege haben sich auf den Lebensstandard der Ungarn ausgewirkt. Der durchschnittliche Reallohnverlust vom ersten Quartal 2022 bis zum ersten Quartal 2023 lag bei 15,6 Prozent – der höchste Wert aller OECD-Länder. Die Ungarn versuchten sich in der Folge einzuschränken, wodurch die Umsätze im Einzelhandel im zweistelligen Prozentbereich einbrachen.

Für Ministerpräsident Viktor Orbán ist das ein Problem. Denn er will nicht nur seine Macht in Ungarn selbst erhalten, sondern bei den anstehenden EU-Wahlen auch die Machtverhältnisse in Europa verändern. Doch gleichzeitig ist er auf EU-Gelder angewiesen (mehr dazu lesen Sie hier).

Orbáns Taktik geht nicht auf

Wenn es nach ihm geht, soll die EU bis 2030 anders aussehen. "Wir Mitteleuropäer werden bis dann zu Nettozahlern der EU", sagte er vor einem Jahr auf der traditionellen Sommerakademie der ungarischen Regierungspartei Fidesz in der rumänischen Kleinstadt Băile Tușnad.

Doch während Orbán als politischer Provokateur viel Zuspruch aus rechtskonservativen Kreisen erhält, steht sein Land wirtschaftlich schlecht da. Bis zum Nettozahler dürfte es also noch ein langer Weg sein. Bei der Bekämpfung der Inflation ging seine Taktik zumindest nicht auf.

Inflation wieder unter 10 Prozent

Mittlerweile liegt die Inflation zwar offiziell wieder unter 10 Prozent. Doch mit 6,7 Prozent im Oktober ist sie immer noch höher als in allen anderen europäischen Staaten. Zum Vergleich: In Deutschland lag die Teuerungsrate zuletzt bei 3,0 Prozent.

Zudem könnte die Rate in Ungarn noch höher sein, als diese Zahlen vermuten lassen: Denn es gibt Zweifel an der Vollständigkeit der Daten zur Inflation der Energiepreise. Die europäische Statistikbehörde Eurostat hat Anfang Dezember bekannt gegeben, dass sie mit Ungarn über die Berechnung der Inflationsdaten spreche.

Zuvor hatten zwei ungarische Forscher Zweifel an den Zahlen geäußert. Diese würden nicht die tatsächliche Preisentwicklung darstellen. Die ungarische Statistikbehörde hatte dieser Darstellung widersprochen. Änderungen an der Berechnung seien in Übereinstimmung mit europäischen Richtlinien bereits im Jahr 2022 erfolgt, teilte die Behörde mit.

Maßnahme hat sich ins Gegenteil verkehrt

Dass es um Ungarns Wirtschaft so schlecht bestellt ist, liegt auch daran, dass Orbán bei den Wahlen 2022 seine Macht erhalten wollte und deshalb teure Versprechen abgab. "Die wirtschaftlichen Probleme Ungarns beruhen teilweise auf den Wahlgeschenken von damals", sagt Sandor Richter vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) der "Neuen Zürcher Zeitung". Darunter waren etwa die Steuerfreiheit für Personen unter 25 Jahren, eine Steuerrückerstattung für Familien und eine 13. Monatsrente für Pensionierte.

Video | Orbán verlässt den Raum – und schimpft in Video über die EU
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Quelle: t-online

Experten gehen davon aus, dass diese Maßnahmen zwar die Nachfrage ankurbelten, dies aber zu einem ungünstigen Zeitpunkt passierte. Durch internationale Logistikprobleme nach der Corona-Pandemie waren viele Produkte ohnehin knapp. In der Folge stiegen die Preise in Ungarn noch schneller als anderswo. Hinzu kam dürrebedingt eine schlechte Ernte, was die Lebensmittelpreise abermals in die Höhe trieb.

Orbán versuchte gegenzusteuern, indem er Preisobergrenzen für besonders nachgefragte Produkte wie Benzin, Mehl, Eier und Fleisch einführte. Doch diese erwiesen sich als kontraproduktiv. Denn viele Händler zogen daraufhin die Preise anderer Produkte weiter in die Höhe, um die wegbrechenden Margen der preislich begrenzten Produkte auszugleichen.

Höhere Steuereinnahmen für Haushalt benötigt

Für die Bevölkerung hatte das teils dramatische Auswirkungen. Die österreichische Zeitung "Standard" berichtete im Sommer darüber, dass Menschen mit niedrigen Gehältern in Ungarn nur noch von sieben Lebensmitteln leben, deren Preise seit Jahren gedeckelt sind. Hilfsorganisationen verzeichneten einen deutlichen Anstieg an Hilfsanfragen.

Besonders deutlich äußerte sich zwischenzeitlich Norbert Tóth, Begründer und Leiter der Stiftung "Age of Hope". "Sie verhungern", zitiert der MDR seine Antwort auf die Frage, wie die ärmsten Bürger Ungarns mit den hohen Preisen klarkämen.

Und auch in der Wirtschaft droht die Stimmung zu kippen, besonders im Bausektor klagen die Unternehmer, wie das "Handelsblatt" berichtet. Was dabei ebenfalls nicht hilft: Ungarn hätte eigentlich Anspruch auf 28 Milliarden Euro bis 2027 aus dem Wiederaufbau- und dem Kohäsionsfonds der EU. Diese Gelder werden dem Land derzeit aber verwehrt, unter anderem weil bezweifelt wird, dass es ausreichende Vorkehrungen gibt, damit die Gelder nicht versickern. In der Vergangenheit soll EU-Geld in die privaten Taschen von Geschäftsleuten geflossen sein, die Orbán nahestehen.

Riskante Rechnung

Der Agrarökonom und Unternehmer György Raskó äußerte im MDR dazu die Vermutung, dass Orbán die EU-Mittel nun im Haushalt fehlen und ihm deshalb die hohen Preise sogar gelegen kommen, da somit auch die Mehrwertsteuereinnahmen stiegen.

Eine riskante Rechnung: Noch hat Orbán seine Bevölkerung im Griff, Proteste blieben bisher aus. Die Regierung gibt sich optimistisch und kämpferisch. In Orbáns Erzählung sind immer die anderen Schuld, allen voran die EU mit ihren Russland-Sanktionen. Auch wenn das mit Blick auf die deutlich niedrigeren Raten in den umliegenden EU-Mitgliedsstaaten nicht der einzige Grund sein kann, spricht die Regierung sogar von einer "Sanktionsinflation".

Doch bei aller Kritik an der EU und allen Plänen, zum Nettozahler zu werden: Dieser Tage lässt sich Orbán dafür feiern, dass die EU zehn Milliarden der eingefrorenen EU-Gelder für Ungarn freigegeben hat. Kurz darauf blockierte er dann beim EU-Gipfel die Auszahlung weiterer Hilfen für die Ukraine. Er selbst bestreitet, dass er sich davon einen Deal im Gegenzug für die verbliebenen Gelder für Ungarn erhofft. "Es geht hier nicht um einen Handel. Es geht hier nicht um einen Deal", sagte er. Ungarn habe Prinzipien. Aktuell rechnen diese sich aber nur mit Unterstützung.

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