Wer ist Wolfgang Grupp? "Ich habe versucht, mein Leben zu beenden"
Wolfgang Grupp zählt zu den markantesten Unternehmern der Republik. Nun spricht der Trigema-Patriarch öffentlich über seinen Suizidversuch – und eine tiefe Krise im Alter. Wer ist der Mann?
Der frühere Trigema-Chef Wolfgang Grupp hat einen Suizidversuch infolge von Altersdepressionen öffentlich gemacht. In einem Brief an seine ehemaligen Mitarbeiter schildert der 83-Jährige, wie er sich nicht mehr gebraucht fühlte: "Ich bin im 84. Lebensjahr und leide an sogenannten Altersdepressionen. (...) Ich habe deswegen auch versucht, mein Leben zu beenden." Zugleich ruft er andere Betroffene dazu auf, sich professionelle Hilfe zu holen.
- Suizidversuch: Wolfgang Grupp versuchte, sich das Leben zu nehmen
- Der Brief: Wolfgang Grupps Nachricht im Wortlaut
- Die Familie: Sie stärken Grupp den Rücken
- Altersdepressionen: Das sind die Warnzeichen
Ein Leben für die Firma
Wolfgang Grupp galt über Jahrzehnte als Inbegriff des mittelständischen Familienunternehmers. Geboren 1942 in Burladingen, stieg er nach einem BWL-Studium in Köln 1969 in dritter Generation in die Firma Trigema ein. Das Unternehmen war 1919 von seinen Urgroßonkeln Josef und Eugen Mayer als "Mechanische Trikotwarenfabrik Gebrüder Mayer" gegründet worden. Später übernahm Wolfgang Grupps Vater, Franz Grupp, die Geschäftsleitung. Als Wolfgang Grupp die Firma 1969 übernahm, befand sie sich in einer wirtschaftlich schwierigen Phase: Bei einem Umsatz von rund 8,7 Millionen Euro hatte das Unternehmen 5,1 Millionen Euro Schulden.
Grupp straffte das Geschäft, kehrte zur Kernkompetenz zurück und tilgte binnen weniger Jahre alle Verbindlichkeiten. Bereits 1972 wurde er alleiniger Geschäftsführer und Inhaber. Sein Prinzip: volle Verantwortung – auch mit dem Privatvermögen. Daher führte er das Unternehmen in der Rechtsform des eingetragenen Kaufmanns. Er verweigerte Tarifbindung, bot im Gegenzug aber Jobsicherheit. Trigema schrieb über Jahrzehnte keine Kurzarbeit aus und verzichtete auf betriebsbedingte Kündigungen.
Trigema: Aufstieg zur Marke
Trigema entwickelte sich zu einem der größten Hersteller von Sport- und Freizeitbekleidung in Deutschland. 2023 lag der Produktionsumsatz bei rund 129 Millionen Euro, die Zahl der Mitarbeitenden bei über 1.160. Das Besondere: Alle Produkte wurden in Deutschland gefertigt. Grupp selbst warb offensiv mit "100 Prozent Made in Germany". Heute erzielt Trigema rund 40 Prozent des Umsatzes über den eigenen Onlineshop, 40 Prozent über die firmeneigenen Testgeschäfte in Urlaubsregionen – und etwa 20 Prozent durch den Verkauf an Geschäftskunden.
Bekannt wurde Grupp nicht nur durch seine wirtschaftlichen Erfolge, sondern auch durch ungewöhnliche Werbung. Der "Trigema-Affe" – ein als Nachrichtensprecher verkleideter Schimpanse – wurde zur Kultfigur. Grupp trat über Jahrzehnte in den Werbespots auf, warb persönlich für seine Produkte und prägte das Markenbild entscheidend.
Positionen und Polarisierungen
Grupp wurde zur festen Größe in Talkshows. Er vertrat markante, oft konservative Positionen. Er forderte die persönliche Haftung von Unternehmensführern, äußerte sich kritisch zu Genderrollen, zur Rolle von Frauen im Beruf und warnte vor Verantwortungslosigkeit in Konzernen. Seine Aussagen polarisieren bis heute: "Wenn der Sohn die Firma nicht übernehmen will, hat der Vater versagt", ist einer seiner bekanntesten Sätze.
Gleichzeitig engagierte er sich lokal: Über die Wolfgang und Elisabeth Grupp Stiftung unterstützte er regionale Kulturprojekte, den Rettungsdienst und den Sport. Er galt als CDU-nah, sprach sich früh für den Mindestlohn aus und verpflichtete auch Geschäftspartner zur fairen Entlohnung.
Grupp war ein Unternehmer mit Ritualen und Eigenheiten. Er las E-Mails nie digital, sondern ließ sie sich ausdrucken, der Beifahrersitz seines Dienstwagens war gegen die Fahrtrichtung montiert – für ihn bequemer, wie er sagte –, und zu geschäftlichen Terminen reiste er mit dem eigenen Helikopter an.
Familiendynastie im Aufbau
Seit den 2010er-Jahren bereitete Grupp seine Nachfolge vor. Seine Kinder Bonita Grupp (*1989) und Wolfgang Grupp junior (*1991) studierten beide an Elitehochschulen in der Schweiz und in London und traten bereits früh in das Familienunternehmen ein. Beide sammelten Erfahrungen in verschiedenen Unternehmensbereichen wie Marketing, Personal, Vertrieb und IT. Grupp legte großen Wert auf eine familiäre Lösung und sagte in einem Interview: "Ich führe Trigema in der dritten Generation. Ich hätte sicher das falsche Vorbild abgegeben, wenn meine Kinder den Betrieb nicht weiterführen wollten."
Die Nachfolge war für ihn nicht nur betriebswirtschaftlich, sondern auch moralisch grundlegend. Der Senior inszenierte den Staffelstab-Transfer über Jahre hinweg medienwirksam und machte daraus einen öffentlichen Wettbewerb zwischen seinen Kindern. Immer wieder betonte er in Interviews, dass nur eines der beiden Kinder das Unternehmen letztlich führen könne.
In Porträts und Reportagen wurde der Eindruck eines Duells zwischen Bonita und Wolfgang Grupp junior gepflegt. "Meine Kinder haben mir zum 70. Geburtstag versprochen, die Firma in meinem Sinne weiterzuführen", sagte Grupp. Doch wer dieses Versprechen einlöst, wurde lange öffentlich verhandelt. Trigema ist auch ein Familienschauspiel – mit festen Rollen und öffentlicher Erwartung.
Abschied in Etappen
Zum 1. Januar 2024 übergab Grupp das operative Geschäft: Sohn Wolfgang wurde persönlich haftender Gesellschafter, Tochter Bonita und Ehefrau Elisabeth sind ebenfalls Gesellschafterinnen. Die Aufteilung auf die Familie hat auch steuerliche Gründe. Wie bei rund 90 Prozent der deutschen Unternehmen handelt es sich bei Trigema um einen Familienbetrieb. Die Aufteilung auf Sohn, Tochter und Ehefrau als Gesellschafter diente dazu, steuerliche Freibeträge optimal zu nutzen und das Unternehmen als Ganzes in Familienhand zu halten.
In einem Porträt des "Redaktionsnetzwerks Deutschland" (RND) wird Wolfgang Grupp junior als zurückhaltend, strategisch denkend und betont teamorientiert charakterisiert. Er übernehme Führung im Tagesgeschäft, doch komme noch kaum aus dem Schatten des Patriarchs, hieß es. Bonita Grupp hingegen, die für die CDU im Kreistag sitzt, gilt als eloquent, öffentlichkeitserprobt und politisch schlagfertig.
Grupp blieb bis zuletzt präsent. Während des Interviewtermins seines Sohnes mit dem "RND" saß der Patriarch im Hintergrund, las Zeitung und lieferte ein paar Zitate, als Wolfgang junior auf die Toilette verschwand. Auch öffentlich nahm Wolfgang Grupp weiter Stellung, äußerte sich zur Weltlage und kritisierte zuletzt etwa den hohen Krankenstand im Land.
Der Brief aus dem Krankenhaus zeigt nun einen anderen Wolfgang Grupp: verletzlich, zweifelnd, entfremdet von seinem Lebenswerk. "Ich habe versucht, mein ganzes Leben in den Dienst von Trigema (...) zu stellen", schreibt er. Doch nach der Übergabe kamen die Zweifel, ob er noch gebraucht werde. In einem Interview mit dem "Focus" kurz vor dem Suizidversuch hatte Grupp erklärt, er warte nur noch auf den Tod. Auf dem Familienfriedhof ist bereits sein Grabstein mit Name und Geburtsdatum platziert, als sei sein Leben längst zu Ende erzählt – nur das letzte Datum fehlt.
Redaktioneller Hinweis
Hinweis: Falls Sie viel über den eigenen Tod nachdenken oder sich um einen Mitmenschen sorgen, finden Sie hier sofort und anonym Hilfe.
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
- morgenpost.de: Der Firmenboss mit dem Affen: Wolfgang Grupp im Porträt
- rnd.de: Trigema-Erbe: "Ich habe eine Firma geschenkt bekommen. Jetzt muss ich zeigen, dass ich es kann."