t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomeWirtschaft & FinanzenDie Anleger

Dax-Allzeithoch? Rekordjagd an der Börse hat Tücken


Historische Höchststände
Darum ist die Rekordjagd an der Börse tückisch

MeinungVon Jessica Schwarzer

Aktualisiert am 25.06.2023Lesedauer: 4 Min.
Meinung
Was ist eine Meinung?

Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
Blick in den Handelssaal der Frankfurter Börse:Vergrößern des Bildes
Blick in den Handelssaal der Frankfurter Börse. (Quelle: Malte Ossowski/SVEN SIMON/imago images)

Der Dax kämpft mit der Marke von 16.000 Punkten. Sogar ein neues Allzeithoch hat er jüngst markiert. Warum das tückisch ist.

Der Deutsche Aktienindex notiert mal unter dem psychologischen 16.000-Punkte-Wert, dann wieder darüber. Ein Grund zur Freude? Eigentlich schon, aber auch tückisch.

Natürlich dürfen Sie sich über das Dax-Allzeithoch freuen! Vor gut einer Woche, genauer am Freitag, dem 16. Juni, hat der Deutsche Aktienindex bei 16.427 Punkten sein neues Rekordhoch markiert. Seither ist ihm ein wenig die Puste ausgegangen. Sogar unter die Marke von 16.000 Punkte ist er wieder gerutscht. Nun geht es munter hoch und runter, ein paar Pünktchen vor, ein paar zurück.

Und meine Kollegen und Kolleginnen in den Wirtschaftsredaktionen schreiben vom Kampf um eine psychologisch wichtige Marke oder verkünden wahlweise eine Atempause nach der Rekordjagd und berechnen quasi im Stundentakt, wie viele Punkte oder Prozentpunkte der Index denn nun von einem Allzeithoch entfernt ist. Aber ist das eigentlich wichtig?

t-online-Kolumnistin Jessica Schwarzer
(Quelle: Michel Passin)

Die Börsenexpertin

Jessica Schwarzer ist Finanzjournalistin, Bestsellerautorin und langjährige Beobachterin des weltweiten Börsengeschehens. Die deutsche Aktienkultur ist ihr eine Herzensangelegenheit. Zuletzt ist ihr jüngstes Buch "Warum wirklich jeder entspannt reich werden kann" erschienen. Bei t-online schreibt sie über Investments und Finanztrends, die eine breit gestreute Basis-Geldanlage ergänzen. Sie erreichen sie auf LinkedIn, Twitter, Facebook und Instagram.

Psychologisch wichtige Marken sagen wenig aus

Welche Relevanz haben solche Marken? Und warum sind sie "psychologisch wichtig"? Natürlich freuen wir uns als Anleger über steigende Kurse. Schließlich bedeutet das, dass auch unser Depotwert steigt. Und wenn es dann auch noch ein Rekordhoch ist oder eine schöne runde Zahl geknackt wird, tun wir es eben erst recht. Wir sollten aber wissen, welche Bedeutung solche Zahlen haben.

Ob Index oder Einzelaktie, ein Rekord bedeutet nicht gleich, dass ein Markt oder eben ein Unternehmen teuer ist. Es heißt auch nicht, dass es erst mal nicht mehr weiter aufwärts geht oder eben das Gegenteil. Im Grunde heißt es: nichts. Es ist nur eine Wasserstandsmeldung.

Daran sollten wir immer denken, wenn das nächste Allzeithoch oder die nächste psychologisch ach so wichtige Marke geknackt wird. Der bloße Indexstand oder der reine Aktienkurs in Euro und Cent sagen nichts über die Bewertung aus.

Dazu braucht es andere Zahlen und Fakten. Trotzdem faszinieren uns solche Marken. Aber verlieren Sie dabei bitte nicht den Blick auf das Wesentliche. Ein Kurs-Gewinn-Verhältnis, also der Aktienkurs im Verhältnis zu dem, was das Unternehmen verdient, oder eine Dividendenrendite und damit der Aktienkurs im Verhältnis zu den Gewinnausschüttungen, haben sehr viel mehr Aussagekraft als der bloße "Preis" von Aktie oder Index.

Kleine Rücksetzer fühlen sich wie Verluste an

Trotzdem gibt es diese Faszination für Rekorde und runde Zahlen. Und das kann uns ganz schön in die Irre führen. Börsenpsychologen können das recht einfach erklären: Wir setzen als Anleger nämlich Referenzpunkte, werfen im Grunde einen emotionalen Anker – beim Rekordhoch, bei einer runden Marke, bei unserem Kaufkurs. Besonders tückisch ist es, wenn der Referenzpunkt ein jüngst markiertes Rekordhoch ist und die Aktie oder unser Dax-ETF wieder leicht zurückgekommen sind. Dann können wir sogar einen Verlust fühlen, obwohl unser Depotauszug eigentlich einen satten Kursgewinn ausweist.

Rekorde haben eine fast schon magische Anziehungskraft, am extremsten ist es bei runden Zahlen. Deshalb sprechen Experten auch von "psychologisch wichtigen Marken". Manchmal scheinen Börsianer vor solch einer Schwelle geradezu Angst zu haben. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie schwer sich der Dax getan hat, die Marke von 10.000 Punkten erstmals zu überwinden. Ein Schritt vor, zwei Schritte zurück. Eine gähnend langweilige Seitwärtspendelei war das damals im Frühjahr 2014. Die 10.000 wollte einfach nicht fallen. Kaum hatte sich der Index bis auf wenige Prozentpunkte heran gerobbt, ging es wieder abwärts.

Wochenlang scheiterte der deutsche Standardwerte-Index immer wieder an der psychologisch wichtigen Marke, denn viel mehr oder weniger ist ein solcher historischer Höchststand nicht. Mit Blick auf die Bewertungen ist es natürlich völlig egal, ob der Dax bei 9.900, 10.000 oder 10.100 Punkten steht. Trotzdem fieberten Börsianer der Marke entgegen, die Anfang Juni 2014 erstmals fiel. Endlich fünfstellig! Dax 10.000 – das ist vor allem für Privatanleger ein ziemlich starker Anker. Mittlerweile haben wir natürlich viele solcher Marken überwunden; und der Dax "kämpft" um die 16.000.

Verzerrte Wahrnehmungen

Das Problem mit diesen Ankern oder Referenzpunkten: Mitunter verzerrt ein falsch gesetzter oder überholter Anker unsere Wahrnehmung und in der Folge leiden auch unsere Entscheidungen. Oder warum halten wir jahrelang an Nieten im Depot fest, in der Hoffnung, dass sie ihren Einstiegskurs – ein ziemlich starker Anker – wieder erreichen? Warum warten wir mit dem Verkauf, bis eine Aktie erneut ihr Allzeithoch trifft?

Anzeige
Zum Artikel passende Produkte
Foto Benjamin FeingoldAusgewählt von unserem Börsenexperten Benjamin Feingold
Für wen geeignet?Mittel- bis Langfristanleger
In welcher Marktsituation geeignet?Steigende Aktienkurse bei Unternehmen aus dem asiatisch-pazifischen Raum
Risikoklasse: Mittel
Laufende Gebühren: 1,74 Prozent
Für wen geeignet?Mittel- bist Langfristanleger
In welcher Marktsituation geeignet?Steigende Aktienkurse von nachhaltig wirtschaftenden Unternehmen aus Schwellenländern
Risikoklasse: Mittel
Laufende Gebühren: 0,50 Prozent, sparplanfähig

Wir sind Menschen und keine Roboter. Wir sind hochemotional – auch und vor allem, wenn es um unser Geld geht. Das müssen wir wissen. Einsicht ist bekanntlich der erste Schritt zur Besserung.

Hinterfragen Sie Ihre Anker. Schauen Sie genauer hin, wenn Rekordmarken fallen. Trauen Sie der Aktie oder dem Index weitere Gewinne zu? Ist die Aktie vielleicht schon zu teuer und der Markt völlig überbewertet? Erst dann sollten Sie über Ihre nächsten Schritte entscheiden. Freuen dürfen Sie sich natürlich trotzdem!

Transparenzhinweis
  • Der Artikel stellt keine Kauf- oder Anlageberatung dar. Auf Finanzanalysen von Dritten hat die t-online-Redaktion keinen Einfluss.
Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website