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Skandal um Bayern-Star Franck Ribéry: Die Freiheit, ein Steak zu essen


Statussymbole
Die Freiheit, ein Steak zu essen

MeinungEine Kolumne von Ursula Weidenfeld

Aktualisiert am 08.01.2019Lesedauer: 3 Min.
Meinung
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Rohes Steak auf dem TellerVergrößern des Bildes
Steak: Essen ist das neue Statussymbol der Gesellschaft. (Quelle: gruizza/getty-images-bilder)

Erstaunlich ist nicht, dass Franck Ribéry ein vergoldetes Stück Fleisch gegessen hat. Erstaunlich ist, dass niemand darüber lacht.

Dieser Bissen Fleisch ist noch lange nicht verdaut: Der Fußballstar Franck Ribéry hat in der vergangenen Woche ein Foto im sozialen Medium Instagram gepostet, das ihn zusammen mit einem riesigen vergoldeten Steak zeigt. Sein Publikum fand das nicht lustig. Auf die Kritik wiederum reagierte der Fußballer mit unangemessenen Beleidigungen. Es ist ein perfekter Sturm im Wasserglas, der vieles lehrt.

Mit Gold-Steak ins Gangsta-Jet-Set

Warum veröffentlicht man ein solches Foto? Die Antwort ist einfach: Weil man es kann. In einem sehr angesagten Restaurant ein sehr großes und sehr teures Steak zu essen, ist ein Statussymbol. Es sich mit Blattgold belegen zu lassen, qualifiziert einen für den internationalen Gangsta-Jet-Set. Dumm ist nur, wenn man damit ausgerechnet denen ins Gehege kommt, die die Fotogeschichten von Fußballern, Rappern und anderen reichen Lümmeln normalerweise nicht sehen: Bildungsbürgern, Vegetariern, ehrenamtlich Engagierten. Genau das ist mit Franck Ribéry und seinem Steak passiert.

Für Statussymbole gibt es eine einfache Erklärung, die in allen Gesellschaftsschichten gültig ist: Man zeigt seine Zugehörigkeit zu einer Gruppe. Es ist gleichgültig, ob es Sneakers oder Autos sind, Reisen im Privat-Jet, Mitgliedschaften in teuren Golf-Klubs, oder die Teilnahme am Weltwirtschaftsforum in Davos – die Funktion ist immer dieselbe. Man wird erkenn- und unterscheidbar, und grenzt sich von anderen ab. Die einen tun es nur lauter, die anderen leiser.

Reichtum wird diskret verschwiegen

Im Bürgertum ist "Stealth Wealth" (englisch: heimlicher Reichtum) seit der Finanzkrise des Jahres 2008 das herrschende Motto. Man verhüllt den eigenen Reichtum hinter einem achtsamen Lebensstil, der seine eigenen Statussymbole hat. Zum 10.000-Euro-Wellness-Urlaub versteckt man sich in Schloss Elmau. Den nachhaltigen Garten lässt man anlegen und von einer 20.000-Euro-Sprenkelanlange zuverlässig bewässern. Seinem Steak sieht man idealerweise beim Wachsen zu, um es nach dem Schlachttag bei "unserem Bauern" auf dem Land abzuholen. Alles ganz diskret.

Im Fußball macht man es umgekehrt. Franck Ribéry ist dafür bekannt, dass er noch lauter und ordinärer kann als alle anderen.

Überraschend ist es also nicht, dass Ribéry seinen Fans das Bild mit dem vergoldeten Steak gerne zeigen wollte. Schließlich hat die Welt zuvor auch schon über seine spektakulären Autos gestaunt, genauso, wie sie Mesut Özils Kleiderschrank bewunderte oder Jerome Boatengs Sneakers-Sammlung. Fußballer, Rapper und andere reiche Kinder zeigen ihre Sachen. Das ist ein eigenes Genre auf Instagram, es ist jung, es ist geschmacklos, und es ist ziemlich erfolgreich.

Ernährung als neues Statusmerkmal

Warum die Sache diesmal schief ging? Wahrscheinlich, weil es nicht um Sport, Autos und Mode, sondern um Essen ging. Ein goldener Ferrari kann die Schranke zwischen dem Instagram-Publikum und moralisch gefestigteren Zeitgenossen nicht überwinden. Ein protziges Steak dagegen kann es. Der SPD-Politiker Karl Lauterbach befand, Ribéry habe einen "falschen Bezug zu Geld", das Gericht sei "dekadent". Der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bosbach erinnerte daran, dass viele Fußballfans schon froh sind, wenn sie sich neben dem Ticket fürs Bundesligaspiel noch eine Bratwurst leisten können.

Die Aufregung hat mit der neuen Bedeutung von Ernährung als Statusmerkmal im Bürgertum zu tun. Der Soziologe Andreas Reckwitz sagt, dass Essen in den vergangenen Jahren zu einem der wichtigsten sozialen Unterscheidungsmerkmale geworden ist. Durch das tägliche Brot drückt man aus, wie man sich vom Rest der Gesellschaft unterscheidet. Die neue Bedeutung der Ernährung könne man am Wert und an der Position der Küchen im Haushalt ablesen, die in den vergangenen Jahren vom Rand der Wohnung in den Mittelpunkt gerückt seien. Nicht mehr mit der Bücherwand im Wohnzimmer, sondern durch den Speiseplan unterscheidet sich der gebildete Mittelschichtbürger. Er entwickelt "ethisch orientierte Ernährungsstile", die ihn moralisch anheben und die anderen deklassieren. Essen soll nicht nur gut schmecken, es soll "gut" sein.

Vor diesem Hintergrund ist das goldene Steak des Franck Ribéry geniale Provokation. Die Empörung der Dry-aged-Professoren und ihrer Gattinnen, die am liebsten Mangold aus dem eigenen Garten dünsten, zeigt: Besser kann man es nicht machen.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Ihr neues Buch heißt: "Regierung ohne Volk. Warum unser politisches System nicht mehr funktioniert."

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