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Auto – Wie Audi die Kunst des eleganten Rauswurfs beherrscht


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Stellenstreichungen
Wie Audi die Kunst des eleganten Rauswurfs beherrscht


Aktualisiert am 28.11.2019Lesedauer: 3 Min.
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Bis 2025: Der Ingolstädter Autobauer Audi plant alleine in Deutschland 7.500 Stellen zu streichen. (Quelle: Glomex)

Der Ingolstädter Autohersteller trennt sich von 9.500 Mitarbeitern – scheinbar ohne jeglichen Protest. Welchen Grund gibt es für den massiven Personalabbau und welche Konsequenzen werden auf das Unternehmen zukommen?

9.500 Stellen weg – und es gab keine Demo, keinen Protest, nicht einmal einen kleinen Aufstand. Der Auto-Hersteller Audi hat am gestrigen Dienstag gezeigt, wie man 15 Prozent seiner Belegschaft vor die Tür setzen kann, ohne dabei einen einzigen Mitarbeiter zu feuern: man nutzt den demografischen Wandel. Weil Audi mit seinen Produktionsstätten in Ingolstadt und Neckarsulm viele ältere Mitarbeiter hat, schickt man die Leute ein bisschen früher in Rente, gibt den anderen eine Beschäftigungsgarantie, und besetzt die Stellen einfach nicht nach. Auf den ersten Blick eine prima Sache, alle sind zufrieden – die Tücken offenbaren sich erst später.

Eingeständnis von Fehlern der vergangenen Jahre?

Sicher: Konjunkturkrise und der Handelsstreit mit den USA treffen alle Autohersteller und haben in diesem Jahr einen allgemeinen Arbeitsplatzabbau erzwungen. Doch für Audi ist die Entscheidung zudem das Eingeständnis der strategischen und taktischen Fehler der vergangenen Jahre. Da waren die verheerenden Diesel-Betrügereien, die ihren Ursprung in den Ingenieurs-Büros in Ingolstadt hatten. Zu lange glaubten Vorstand und Firma, man werde wohl unbehelligt davonkommen, zu spät wurde umgesteuert. Für die nachgerüsteten Autos hatte man zu wenig Prüfstände, um sie schnell zulassen zu können – Audi konnte 2019 nur drei Viertel der Autos verkaufen, die es hätte bauen können, wenn die Firma schneller und besser gewesen wäre.

Audi fehlt Geld und verliert Marktanteile

Jetzt fehlt das Geld zum Aufbau der Elektromobilität – es muss mühsam in der Firma zusammengekratzt werden. Dazu soll der Personalabbau beitragen. Zu lange hielt die Konzernspitze trotz des Desasters am Vorstand fest, dann aber gab es einen Personalwechsel nach dem anderen. Es ist kein Wunder, dass Kreativität, Präzision und der Mut zu Neuem auf der Strecke blieben. Das Unternehmen verliert laufend Marktanteile an seine Wettbewerber BMW und Mercedes.

Vor diesem Hintergrund sollte sich niemand freuen, dass der Personalabbau jetzt so
geschmeidig über die Bühne gehen soll. Denn erstens muss man davon ausgehen, dass in einer zweiten Runde auch die Zulieferer des Konzerns noch einmal nachlegen müssen. Und hier wird es kaum ohne Entlassungen gehen, zumal diese Unternehmen von einem Beschäftigungsaufbau in der Elektromotorensparte nicht profitieren werden. Zweitens zeigt der Plan, dass Audi nicht einmal selbst damit rechnet, die Krise in kurzer Frist zu bewältigen. Drittens aber ist der Audi-Weg für die gesamte Volkswirtschaft ein Menetekel: Eine älter werdende Mitarbeiterschaft lässt sich ohne großes Murren vom Feld stellen. Das ist erst einmal bequem. Doch die Leute kommen nicht wieder, wenn die Lage in der Branche besser wird. Sie sind nicht mehr da, wenn eine neue Technologie neue Beschäftigung ermöglicht, oder wenn der Arbeitsmarkt in verwandten Bereichen Chancen bietet.

Personalabbau nicht genau durchdacht

In Ingolstadt und Neckarsulm herrscht immer noch Vollbeschäftigung, Fachkräfte werden verzweifelt gesucht. Statt nun aber länger zu arbeiten, wie es eigentlich nötig wäre, wird wieder eine Generation von Facharbeitern frühzeitig in die (teure) Rente geschickt. Das ist nicht nur kurzsichtig. Der Personalabbau entlastet zwar die Bilanz von Audi und der Konzernmutter Volkswagen. Für die gesamte Volkswirtschaft aber hat die Sache bedenkliche Folgen. Die Wirtschaft wird langsamer wachsen, in den betroffenen Regionen wird der Facharbeitermangel nicht ab- sondern zunehmen, wenn das Beispiel Schule macht. Wer in den Vorruhestand geht und dabei Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung in Anspruch nimmt, darf nicht einfach irgendwo anders anheuern und dazuverdienen. Er muss dem Arbeitsmarkt fernbleiben.

Stagnation statt Dynamik

Fehlen den Unternehmen aber dauerhaft Arbeitskräfte, sinkt deren Flexibilität und
Bereitschaft zu investieren, die Dynamik erlahmt. Stagnation ist die Folge. Die schlechte Nachricht hinter dem Audi-Jobabbau ist, dass offensichtlich weder Vorstände noch Betriebsräte, weder Regionalpolitiker, Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften das begreifen – oder begreifen wollen.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Gemeinsam mit t-online.de
und der Leibniz-Gemeinschaft produziert sie den Podcast "Tonspur Wissen"

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