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Coronavirus – für die Wirtschaft heißt: Alle Schleusen auf


Virus-Pandemie
Für die Wirtschaft heißt es jetzt: Alle Schleusen auf


Aktualisiert am 13.03.2020Lesedauer: 4 Min.
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Menschen mit Schutzanzügen desinfizieren ein Büro: Die Corona-Krise könnte zu einer Wirtschaftskrise führen.Vergrößern des Bildes
Menschen mit Schutzanzügen desinfizieren ein Büro: Die Corona-Krise könnte zu einer Wirtschaftskrise führen. (Quelle: Xinhua/imago-images-bilder)

Aus der Gesundheitskrise droht eine Wirtschaftskrise zu werden. Daran führt fast kein Weg vorbei. Um die Rezession abzuwenden, braucht es umfassende Schritte – und kein Klein-Klein.

So viel Wert wurde lange nicht vernichtet. So viele Arbeitsplätze waren selten in Gefahr. So viele Sorgen haben sich Menschen seit Ewigkeiten nicht mehr um ihre Zukunft gemacht. Nach einer Woche im Ausnahmezustand weiß an diesem Wochenende jeder, was das Corona-Virus für die eigene Gesundheit, die der Familie, Freunde, Nachbarn und Kollegen bedeuten kann. Dagegen weiß noch niemand, welche Folgen die Pandemie für den Arbeitsplatz, die private Altersvorsorge, die Firma, die fällige Kreditrate und den eigenen Wohlstand hat. Diese Ungewissheit wird noch eine Weile anhalten.

Denkbar sind zwei Szenarien, Ökonomen benennen sie mit den Buchstaben V und U.

Im V-Szenario folgt dem ersten Schock ein steiler Absturz aller wirtschaftlichen Aktivität. Kurz später aber beginnt eine ebenso spektakuläre Erholungsphase. Die Firmen produzieren wieder, die Konsumenten kaufen wieder ein, die internationalen Handelsbeziehungen leben wieder auf, die alten Lieferbeziehungen werden wiederherstellt. Das Versäumte wird schnell nachgeholt.

Corona wird Arbeitslosigkeit bringen

Im U-Szenario sieht das anders aus. Auch hier gibt es einen steilen Absturz. Doch die Erholung lässt auf sich warten. Je länger die Wirtschaft in der Talsohle verharrt, desto wahrscheinlicher werden Entlassungen, Unternehmensinsolvenzen, zerrüttete Lieferketten. Der Wiederaufstieg aus diesem Szenario ist langwieriger und schmerzhafter.

Es wird Beschäftigte geben, die keinen neuen Arbeitsplatz – oder nur einen viel schlechter bezahlten – finden. Unternehmer verlieren möglicherweise wichtige Kunden für immer, weil die selbst vom Markt verschwinden, oder sich neue Lieferanten suchen. Die Unternehmen treten auf die Investitionsbremse und verzichten auf wichtige Innovationen. Die Wirtschaft insgesamt fällt zurück.

Kurz gesagt: V ist gut, U ist schlecht. Die Finanzkrise der Jahre 2008 und 2009 war für die deutsche Volkswirtschaft ein V-Szenario. Nach einem Wirtschaftseinbruch um 5,5 Prozent im Jahr 2009 war die spätere Erholung um so eindrucksvoller. Ein zehnjähriger Aufschwung folgte. Die Weltwirtschaftskrise nach dem Jahr 1929 dagegen hatte in Europa einen typischen U-Verlauf. Nach dem Zusammenbruch der Börsen folgte eine schwere Depression, die durch staatliche Sparmaßnahmen zusätzlich verschärft wurde.

Es heißt jetzt: Alle Schleusen auf

Die Wirtschafts- und Finanzpolitik, die Notenbanken und die internationalen Organisationen unternehmen im Augenblick alles, die Bedingungen für ein globales V-Szenario herzustellen. Die Bundesregierung und die Europäische Zentralbank versprechen unbegrenzten Kredit für die Unternehmen, Kurzarbeitergeld und schnelle Liquidität, „Whatever it takes.“

In Deutschland hat sich in dieser Woche eine Gruppe der führenden Ökonomen zusammengefunden, um die Voraussetzungen dafür zu formulieren. Dieser Umstand ist schon deshalb spektakulär, weil es das erste Mal ist, dass sich Wirtschaftswissenschaftler hinter einem Vorschlag versammeln, die ansonsten nur ungern miteinander reden.

In der Stunde der Not haben die alten Animositäten zwischen angebots- und nachfrageorientierten Wissenschaftlern ebensowenig Platz, wie ein Streit um die schwarze Null oder die Staatsverschuldung. Jetzt heißt es bei allen: alle Schleusen auf.

An Rezession führt kein Weg vorbei

Zu Recht: Um einen dauerhaften Einbruch zu verhindern, können jetzt nur entschlossene Arbeitsmarkt-, wirtschafts- und finanzpolitische Maßnahmen helfen. Die Notenbanken stehen zwar auch bereit, doch sie haben ihr Pulver in der Finanz- und Eurokrise weitgehend verschossen. Die Verantwortung liegt in der Politik.

An einer Rezession führt vermutlich kein Weg vorbei. Ob die aber mit Massenentlassungen verbunden sein muss, ist nicht ausgemacht. Die Regierung will den Unternehmen Liquidität zur Verfügung stellen, damit sie Rechnungen und Löhne kurzfristig bezahlen können, und Insolvenzen vermieden werden. Das Kurzarbeitergeld hilft, wenn die Krise länger dauert als ein paar Wochen.

Ein Konjunkturprogramm würde dagegen zur Zeit nicht sehr viel Sinn machen: Denn anders als in der Finanzkrise könnten viele Firmen gar nicht liefern, wenn die Nachfrage nach ihren Produkten unterstützt würde. Sie können zur Zeit nicht produzieren, weil ihre Zulieferer – zum Beispiel in China oder in Nord-Italien – nicht liefern. Es gibt also auch eine Angebotskrise, in der zum Beispiel eine Abwrackprämie gar nicht helfen würde.

Unternehmensinsolvenzen werden dauerhaft nicht zu vermeiden sein. Doch die Forderung, Firmen notfalls vorübergehend zu verstaatlichen, ist ausnahmsweise die richtige Idee. Die USA haben das in der Finanzkrise mit den Banken und Firmen wie General Motors getan. Wenn jetzt zentrale Unternehmen zusammenbrächen, würden auch die Zulieferer und Kunden dieser Firmen untergehen. Kurzfristig muss man das verhindern.

Konsumenten müssten glauben, dass alles getan werde

Nach der Krise allerdings müssen diese Firmen zügig reprivatisiert oder abgewickelt werden. Aus der Finanzkrise sollten gerade die europäischen Unternehmen gelernt haben, dass kein Segen darauf liegt, Firmen dauerhaft zu erhalten, die nicht lebensfähig sind. Das italienische Bankensystem und einige deutsche Landeszentralbanken sind eindrucksvolle Beispiele dafür. Für kleine und mittlere Unternehmen und Freiberufler sollten Steuerstundungen und Liquiditätshilfen in den ersten Wochen ausreichen, die Krise zu überleben.

Wichtig ist, dass Unternehmer, Konsumenten und Arbeitnehmer dem Versprechen trauen, dass alles getan werde, was nötig ist. Die kommenden Monate werden hart genug. Solange aber die Beteiligten im Wirtschaftsleben zuversichtlich bleiben, dass es danach wieder aufwärts geht, ist der Einbruch zu verkraften. Die Chancen für eine glimpfliche Krise, ein V-Szenario, sind gar nicht so schlecht, wie es im Augenblick aussieht.

Alles andere – wer bleibt wettbewerbsfähig und wer muss aus dem Wirtschaftsgeschehen ausscheiden, wie werden sich die Lieferketten nachhaltig verändern, welche Rolle spielen neue Investitionen in neue Produktionsformen, erholen sich Börsen und Lebensversicherungen? – alles andere kommt danach.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Gemeinsam mit t-online.de und der Leibniz-Gemeinschaft produziert sie den Podcast "Tonspur Wissen".

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