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Chipkrise: Jetzt rächen sich die Corona-Maßnahmen der Autoindustrie


Chipkrise
Jetzt rächen sich die Corona-Maßnahmen der Autoindustrie

MeinungEine Kolumne von Ursula Weidenfeld

27.04.2021Lesedauer: 3 Min.
Meinung
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BMW-Produktion in China (Symbolbild): Die Autoindustrie hat mit einem weltweiten Chipmangel zu kämpfen.Vergrößern des Bildes
BMW-Produktion in China (Symbolbild): Die Autoindustrie hat mit einem weltweiten Chipmangel zu kämpfen. (Quelle: Xinhua/imago-images-bilder)

Die deutschen Autohersteller haben im vergangenen Jahr ihre Lieferanten vor den Kopf gestoßen – und werden jetzt dafür bestraft. Ihnen gehen die Mikrochips aus.

Paradoxer geht es nicht. Die Auftragsbücher der deutschen Autohersteller quellen über, die starke Nachfrage aus den USA und China macht die Konzerne zu den ersten Gewinnern des Nach-Corona-Booms. Eigentlich.

Denn trotz der guten Nachrichten schicken sie in diesen Wochen wieder Tausende Mitarbeiter in Kurzarbeit: Der Nachschub an Mikrochips stockt, und ohne die kann man Autos heute nicht mehr bauen.

Die Chipkrise ist eine direkte Folge des ersten Corona-Jahres. Sie wirft ein scharfes Licht auf die Kurzsichtigkeit in einer der wichtigsten Branchen der deutschen Wirtschaft.

Autoindustrie legte Produktion lahm

Als im März des vergangenen Jahres die Weltwirtschaft zum Stillstand kam, reagierten die meisten Unternehmen mit Notstandsmaßnahmen: Bestellungen wurden storniert, Lieferungen nicht mehr angenommen, die Mitarbeiter wurden nach Hause geschickt, die Produktion gestoppt.

In der Finanzkrise der Jahre 2008 und 2009 hatte man gelernt, dass bei einem Zusammenbruch der Wirtschaft Liquidität alles ist. Wer in der vergangenen Krise bei den Banken wegen eines Betriebsmittelkredits vorsprechen musste, hatte schon verloren.

Und später, als die Wirtschaft wieder anlief, konnte man ja immer noch schauen, wer von den alten Lieferanten noch am Markt war, und welche der gestrandeten Lieferungen noch genutzt werden konnten.

Autohersteller müssen auf Mikrochips warten

Diesmal machte man es genauso. Doch diesmal lief es anders. Ausgerechnet die Mikrochips strandeten nirgends. Die Lieferanten orientieren sich einfach um.

Denn die Kunden stornierten zwar ihre Autobestellungen: Wenn es keine Dienstreisen mehr gibt, das Pendeln durch Homeoffice ersetzt wird und die Ferienreise im Sommer unmöglich ist, dann braucht man auch keine neuen Autos. Stattdessen aber bestellten sie Computer, Bildschirme, Playstations, Tablets. Auch die kann man ohne Mikrochips nicht betreiben.

Der Nachfrageausfall der Autobauer wurde durch den Boom der Elektronikindustrie überkompensiert. Als Mercedes, BMW, Audi und Volkswagen zu Jahresbeginn frohen Mutes bei den alten Lieferanten durchklingelten und ihre Aufträge durchgeben wollten, reagierten die bisherigen Lieferanten kühl. Ihre Fertigungen seien ausgelastet, die Premiumhersteller mögen sich doch bitte hinten anstellen.

Der Markt hat sich gedreht

Die Angelegenheit zeigt, dass Lieferketten nicht nur eine Seite haben. Bisher haben die Manager der deutschen Industrie dem Freihandel vor allem deshalb das Wort geredet, weil sie davon ausgingen, dass jedes Produkt jederzeit irgendwo in der Welt verfügbar ist und geordert werden kann, wenn es gebraucht wird. Nun erfahren sie, dass sich der Markt gedreht hat.

Die Hersteller der vermeintlichen Halbleiter-Massenware diktieren den Takt und zunehmend auch den Preis. Bis genügend neue Fertigungskapazitäten entstanden sind, werden Jahre vergehen.

Deshalb hilft auch die europäische Mikrochip-Initiative in der akuten Lage kaum: Selbst wenn die Industrie in den kommenden Jahren mit rund 50 Milliarden Euro gefördert werden sollte, wird es dauern, bis die neuen Werke produzieren können.

Es braucht mehr Investitionen in Europa

Vernünftiger wäre es, die Investitionsbedingungen in Europa generell zu verbessern. Was heute die Chips sind, sind morgen die leistungsfähigen Datenserver, und übermorgen eine massentaugliche Wasserstofftechnologie für die Schwerindustrie.

Statt immer da nachzusteuern, wo es gerade brennt, schaut eine moderne Wirtschaftspolitik auf die Bedingungen für Innovationen und Investitionen. Kurzfristig hilft das zwar auch nicht. Doch wenn Unternehmer und Wissenschaftler ihre Erfindungen in Europa auch herstellen wollen, anstatt für die Produktion und die Investitionen regelmäßig nach Asien, in die USA oder nach Lateinamerika auszuweichen, wird Europas Verhandlungsposition langfristig besser.

Bis dahin werden sich die Autohersteller wohl damit abfinden müssen, dass sie nicht mehr die besten Kunden der Halbleiter-Industrie sind. Sie selbst haben im ersten Corona-Jahr viel dafür getan, die Lieferbeziehungen zu zerrütten. Jetzt zahlen sie den Preis dafür.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Gemeinsam mit t-online.de und der Leibniz-Gemeinschaft produziert sie den Podcast .

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