t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon

Menü Icont-online - Nachrichten für Deutschland
Such Icon
HomeWirtschaft & FinanzenAktuellesWirtschaft

Kolumne: Schluss mit den staatlichen Fördergeldern für den deutschen Stahl!


Warum der Staat den Stahl nicht retten darf


Aktualisiert am 09.06.2021Lesedauer: 4 Min.
Meinung
Was ist eine Meinung?

Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
Ein Arbeiter bei ThyssenKrupp: Stahlkocher sorgen für extrem hohe CO2-Emissionen.Vergrößern des Bildes
Ein Arbeiter bei ThyssenKrupp: Stahlkocher sorgen für extrem hohe CO2-Emissionen. (Quelle: Rupert Oberhäuser/imago-images-bilder)

Die Bundesregierung hilft den Stahlunternehmen beim Umbau zu klimaneutralen Produktionsweisen mit Milliardensummen. Vernünftig ist das nicht.

Wenn es um Stahl geht, werden in Deutschland auch ganz harte Politiker sinnlich: Die Stahlindustrie sei eine "Schlüsselindustrie" für das ganze Land, sagen die Spitzenkandidaten und -kandidatinnen aller Parteien. Ihr müsse unbedingt geholfen werden, den Weg zur klimaneutralen Produktion zu bewältigen. Ohne Geld vom Staat werde die Industrie untergehen.

Dabei übersehen sie, dass die schlimmsten Probleme der Branche hausgemacht sind. Und: Beim Stahl offenbart sich schon heute das ganze Dilemma der künftigen Klima-Industriepolitik. Deshalb sollte man ganz genau hinschauen – und sich bei fünf wichtigen Fragen ehrlich machen:

  • Wie ist der Markt?

In Deutschland wird mit rund 40 Millionen Tonnen im Jahr etwa ein Viertel des europäischen Stahls produziert, die deutschen Stahlkocher werden vor allem wegen ihrer Spezialstähle gelobt. International gibt es allerdings viel zu viel Stahl, Europa spielt auf dem Weltstahlmarkt eine verschwindende Rolle. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) schätzt die weltweiten Überkapazitäten auf rund 700 Millionen Tonnen.

Irgendwo werden deshalb in den kommenden Jahren Werke stillgelegt werden müssen. Wer den deutschen Herstellern mit staatlichem Geld unter die Arme greift, verzögert diesen Strukturwandel und verlagert das Problem in andere Regionen der Welt. Dafür braucht man gute Argumente.

Außerdem ist Stahl ein Produkt, dessen Preis im Konjunkturverlauf enorm schwankt. Nach zwei Jahren mit schlechten Preisen ist in diesem Frühjahr ein deutlicher Aufwärtstrend zu sehen. Im Vergleich zum vergangenen Jahr haben sich die Preise gerade verdoppelt. Bis die Politiker aber Hilfen sorgfältig planen und auf den Weg bringen können, hat sich der Markt meistens schon gedreht: Dann wird eine vermeintlich notleidende Branche unterstützt, die aber gerade blendend verdient und Dividenden an ihre Aktionäre ausschüttet. Genau das passiert jetzt.

  • Wie schwer ist die Aufgabe, klimaneutral zu werden?

Für den Stahl ist das besonders schwierig. Die Branche ist bisher für ein Drittel der industriellen CO2-Emissionen in Deutschland verantwortlich. Das hat einerseits mit den enormen Energiemengen zu tun, die man zur Eisenherstellung und zum Stahlkochen braucht.

Heute noch stammt diese Energie zum großen Teil aus Steinkohle. Zum anderen aber wird aus Roheisen nur dann Stahl, wenn man den Kohlenstoffgehalt des Vorproduktes reduziert. Dazu bläst man Sauerstoff in die glühende Masse, der sich mit dem Kohlenstoff zum klimaschädlichen CO2 verbindet.

Es sei denn, man nutzt von Anfang an Wasserstoff: Wird der statt Steinkohle eingesetzt, entsteht weniger Kohlendioxid, stattdessen aber vor allem harmloser Wasserdampf. Auf dieser Technologie ruhen die Hoffnungen der Branche, in den kommenden Jahren klimaneutral werden zu können.

Die Sache hat nur einen gewaltigen Haken: Sie ist wahnsinnig teuer. Und bisher ist nicht klar, woher genügend erneuerbare Energie für den benötigten Strom und den grünen Wasserstoff kommen sollen. Wettbewerbsfähig ist das Verfahren jedenfalls noch lange nicht. Hier liegt eins der wenigen richtigen Argumente, der Stahlindustrie im Übergang zu helfen.

  • Braucht die Branche tatsächlich Subventionen?

Es ist das ewige Mantra der drei großen deutschen Stahlunternehmen – ThyssenKrupp , ArcelorMittal und Salzgitter AG –, dass es ohne staatliche Hilfe nicht gehe. Richtig daran ist: Wenn man das Wasserstoff-Verfahren politisch möchte, muss man auch den Preisunterschied zu den anderen Stahlproduzenten, die den Stahl noch auf konventionelle Weise kochen, irgendwie ausgleichen.

Ob man dafür aber direkte Geldüberweisungen braucht, ist die große Frage. Die Europäische Union könnte den Preisunterschied auch ausgleichen, indem sie Zusatzzahlungen auf importierten Stahl verlangt, der den europäischen Klimaauflagen nicht genügt. Dann würde sich die Politik wettbewerbsneutral verhalten. Es würden nur die Belastungen ausgeglichen, die der politische Wille verursacht.

  • Führen Staatshilfen tatsächlich effizient und sparsam zum gewünschten Strukturwandel?

Die Bundesregierung steckt Milliarden in die Wasserstoff-Forschung, hilft den Firmen mit Geld und unterstützt eine Allianz aus deutschen Firmen, die die Zukunft der Stahlindustrie und deren Vernetzung mit Energie- und Chemieunternehmen auf den Weg bringen soll. Sogar über eine staatliche Beteiligung am Krisenunternehmen ThyssenKrupp wurde zwischenzeitlich nachgedacht.

Die Hauptgefahr: Am Ende werden nicht die Unternehmen und die Technologien gefördert, die die Herausforderungen der Zukunft am besten bewältigen, sondern die Fabrik mit den meisten Arbeitsplätzen, die Firma mit der schönsten Tradition, der Standort mit dem mächtigsten Ministerpräsidenten. Dadurch wird der Umbau zu einer klimaneutralen Industrie viel teurer als nötig.

  • Taugen die Unternehmen etwas?

Hier sind wir beim Kernproblem der Staatshilfe. Als die Bundesregierung im November vergangenen Jahres eine 5-Milliarden-Euro-Finanzspritze für ThyssenKrupp ankündigte, war die Firma an der Börse nicht einmal mehr die Hälfte dieses Betrags wert. Die deutschen Stahlunternehmen haben eine beeindruckende Historie an Missmanagement, verunglückten Fusionen und schiefgegangener staatlicher Einflussnahme vorzuweisen.

Fakt ist: Die Krise von ThyssenKrupp ist vor allem hausgemacht. Wer jetzt hilft, weiß niemals genau, ob hier gerade ein technologisches Problem der Zukunft gelöst oder doch nur ein peinlicher Fehler aus der Vergangenheit geheilt wird – den Unternehmen aus gutem Grund aus eigener Kraft bewältigen müssen.

Deshalb wäre es richtig, sich bei der Stahlpolitik auf die Prinzipien vernünftiger staatlicher Wirtschaftspolitik zu besinnen. Denn auch für den Umgang mit Subventionen, Unterstützung und Interessengegensätzen ist die Stahlindustrie eine Schlüsselbranche. Der Grundsatz sollte lauten: Der Staat bestimmt die Rahmenbedingungen, aber in die unternehmerischen Details mischt er sich nicht ein. Dieser Versuchung zu widerstehen, wird die Kernaufgabe der Wirtschafts- und Klimapolitik der kommenden Jahrzehnte – nicht nur in der Stahlindustrie.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Im August erscheint ihr neues Buch: Die Kanzlerin. Portrait einer Epoche. Sie können es jetzt schon vorbestellen.

Hinweis: Ein Absatz war missverständlich formuliert. Wir haben ihn deshalb angepasst.

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

t-online - Nachrichten für Deutschland


TelekomCo2 Neutrale Website