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Real-Zerschlagung: Warum sich die Konkurrenz jetzt die Hände reibt


Real-Zerschlagung
Warum sich die Konkurrenz jetzt die Hände reibt

Von Mauritius Kloft

Aktualisiert am 22.10.2021Lesedauer: 5 Min.
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Die Real-Märkte werden an die Konkurrenz verkauft.Vergrößern des Bildes
Die Real-Märkte werden an die Konkurrenz verkauft. (Quelle: Montage/Kloft/imago-images-bilder)

Real steht vor der endgültigen Zerschlagung: Viele Geschäfte gehen dabei an Konkurrenten wie Rewe, Kaufland und Globus. Das könnte ihre Zukunft retten – zumindest vorerst.

Wenn etwas eine "Jahrhundertchance" ist, denkt man gleich an eine Weltmeisterschaft oder an Olympia: Also ein Sportereignis, bei dem es nur einen Versuch gibt, etwas Geschichtsträchtiges zu erlangen, einen Rekord aufzustellen, das entscheidende Tor zu schießen. Weniger geht dabei der Gedanke sicherlich an eine Lebensmittelkette, die Standorte eines Konkurrenten übernimmt.

Doch genau so sieht Jochen Baab, Sprecher der Globus-Geschäftsführung, die Übernahme der Märkte der Selbstbedienungs-Warenhauskette Real. Der russische Finanzinvestor SCP hatte im vergangenen Jahr die gut 270 Real-Filialen von dem Großhändler Metro übernommen, um die Handelskette zu zerschlagen und weiterzuverkaufen.

Das Kartellamt erlaubte Globus, bis zu 24 Märkte zu übernehmen. Im Moment stehen erst 16 fest, womöglich werden es auch einige mehr, wie Baab t-online sagt. "Die Übernahme der Real-Märkte ist für uns eine Riesenchance, unser Filialnetz zu erweitern", so Baab. "Denn es ist sehr schwer geworden, an große Warenhausflächen zu kommen."

Konkurrenzkampf im Lebensmittelhandel ist riesig

Denn: Der Lebensmittelhandel in Deutschland ist schon heute hochkonzentriert. Der Marktanteil der "großen Vier" – Edeka, Rewe, Aldi und die Schwarz-Gruppe mit Lidl und Kaufland – liegt laut Kartellamt mittlerweile bei mehr als 85 Prozent. Die Folge: Der Konkurrenzkampf ist immens.

Auch Peter Kenning weiß das. Er ist Handelsexperte und Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Uni Düsseldorf. "Die Margen im Lebensmittelhandel sind gering", sagt er t-online. "Daher kämpfen die Händler um jeden Kunden."

Wichtig sei es deshalb, an die großen Flächen zu gelangen. "Die Übernahme bereits bestehender Standorte bietet kurzfristig eine gute Chance für weiteres Wachstum", sagt der Handelsexperte. So versuchten die Firmen ihren Umsatz und insbesondere ihren Gewinn zu steigern.

"Händler können mit der Übernahme neuer Flächen aber nicht nur zusätzliche Umsätze erzielen, sondern oft auch ihre Kostenstruktur verbessern." Als Beispiel nennt Kenning, dass eine Werbekampagne ungefähr gleich viel an Fixkosten kostet – egal wie viele Filialen ein Geschäft hat.

Globus-Chef: "Größe ist im Lebensmittelhandel ein entscheidender Faktor"

Doch nicht nur der Kostenfaktor spielt bei der Übernahme eine Rolle. Auch verbessern Händler so ihre Einkaufssituation. Hier läuft viel über Boni, die ab einem gewissen Umsatz eines Produkts gezahlt werden. "Für Händler ist das oft auch ein wesentlicher Grund, ihr Filialnetz zu erweitern", erklärt Kenning.

Auch Baab aus dem Globus-Vorstand weiß das. "Größe ist im Lebensmittelhandel ein entscheidender Faktor", sagt er. Globus, die Warenhauskette aus St. Wendel im Saarland, zählt dabei mit rund 50 Geschäften zu den kleineren Händlern in Deutschland. Zum Vergleich: Unangefochtener Marktführer ist Edeka mit rund 11.200 Lebensmittelmärkten und einem Umsatz von mehr als 55 Milliarden Euro.

Standortauswahl entscheidend

Davon ist Globus weit entfernt, wird dort wohl auch nie hinkommen. Aber: Durch die Übernahme der 16 Standorte wächst das Unternehmen immerhin um ein Drittel. "Wir haben uns etwa 100 Standorte angeschaut, am Ende ist die Wahl auf diese 16 gefallen", sagt Baab.

Bei der Standortauswahl spielt vor allem eine Rolle, wie das Geschäft gelegen ist: Wie ist die Verkehrsanbindung? Wie lässt sich die Logistik deichseln? Wichtig ist aber auch, ob die Region kaufkräftig ist – und: wie die Zukunftsaussichten sind.

Denn ein Geschäft, das zwar aktuell gut besucht wird, wirkt erst einmal attraktiv. Wenn die Menschen aus der Region abwandern, ist der Standort schlecht für Lebensmittelhändler. "Wir müssen auch sehen, dass wir kein Geld versenken", meint Baab.

Hohe Investitionslücke bei Real-Märkten

Weniger entscheidend ist dabei, wie die Real-Geschäfte aktuell aussehen. "In einigen Real-Märkten scheint es einen Investitionsstau zu geben, hier hat die Metro offenkundig seit Jahren nicht mehr allzu viel Geld in die Hand genommen", sagt Kenning. "Für die Unternehmen spielen solche Einmalkosten bei der Standortauswahl allerdings langfristig und strategisch keine entscheidende Rolle."

Dennoch: Die Kosten sind hoch, der Investitionsbedarf lau Baab teils immens. Er geht von einer dreistelligen Millionensumme aus, die die Übernahme der Real-Märkte am Ende kosten wird. Für das Umflaggen der Märkte gebe es bei Globus eigens ein 100-köpfiges Team, das binnen kürzester Zeit den Markt umbauen – und auf "Globus" trimmen soll.

Was die Übernahme für Mitarbeiter bedeutet

Die Mitarbeiter sollen übernommen werden, beteuert Baab. Auch Kenning meint: "Für viele Mitarbeiter könnte eine Übernahme durch einen zukunftsfähigen Betreiber eher eine positive Nachricht sein." Anders sieht es freilich aus, wenn die Standorte geschlossen werden.

Vom Händler Edeka, der bis zu 51 Real-Filialen übernehmen darf, heißt es auf t-online-Anfrage dazu nur: "Unter dem Dach des genossenschaftlichen Edeka-Verbunds erhalten die Lebensmittelmärkte und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wieder eine tragfähige wirtschaftliche Zukunftsperspektive." Darüber hinaus wolle man keine weiteren Informationen geben, "aus Wettbewerbsgründen".

Auch Kaufland teilt mit: "Durch die Übernahme der Real-Filialen erhalten die Real-Mitarbeiter eine neue berufliche Perspektive bei Kaufland." Die neuen Kolleginnen und Kollegen hätten eine "langjährige Erfahrung". Und weiter: "Sie sind die Experten vor Ort, kennen das Geschäft und die Kunden." Die Kette darf bis zu 114 Standorte von Real umflaggen.

Kunden müssen sich umstellen

Doch nicht nur Mitarbeiter müssen sich umstellen, auch für Kunden gilt das. Denn dort, wo jetzt noch Real draußen dransteht, wird ein anderer Händler sein Konzept umsetzen. Bei Globus sieht das so aus, dass es mehr Frischetheken geben soll – Fernseher oder Laptops, die bislang bei Real im Angebot waren, finden Kunden dann nicht mehr am Platz. Bei Kaufland und Edeka dürfte das ähnlich sein.

"Kaufland bietet relativ wenig Service, sondern setzt auf günstigere Preise", sagt Kenning. "Bei Globus, Rewe und Edeka wird es im Vergleich zu Real wohl etwas teurer, dafür bekommen die Kunden aber auch mehr Service und andere Warenqualitäten." Vor allem der psychologische Aspekt sei hier wichtig. "Ich gehe davon aus, dass viele Kunden noch die nächsten Jahre zu ihrem 'Real' gehen werden, ganz egal wie er dann wirklich heißt."

Amazon als "Damoklesschwert" über dem Lebensmittelhandel

Die wichtige Frage ist ohnehin, welche Zukunft der Lebensmittelhandel in Deutschland in der jetzigen Form überhaupt hat. Schon längst machen sich junge Firmen breit, die online Lebensmittel verkaufen – und damit werben, binnen Minuten zu liefern, Gorillas aus Berlin zum Beispiel.

Und Amazon hat sich in den USA schon längst im Online-Lebensmittelhandel breitgemacht, sammelt international auf dem Gebiet Erfahrung. In Deutschland ist der Internetriese noch nicht so weit, das könnte aber in einigen Jahren der Fall sein, wie Kenning sagt. Er spricht von einem "Damoklesschwert", das über dem hiesigen Lebensmitteleinzelhandel hänge. "Die Erfolgsgeschichte der Sb-Warenhäuser könnte dann ein rasches Ende finden."

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Real-Märkte und Goethe

Globus-Vorstand Baab sieht das erwartungsgemäß anders, er glaube an die Zukunft des Sb-Warenhauses, versichert er. Dennoch: Die großen Händler bringen sich bereits im Onlinehandel in Stellung, Rewe als auch Edeka bieten Lieferservices an. Auch Globus kündigte die Woche an, künftig Lebensmittel jedem nach Hause zu bringen, die ersten Tests mit Kunden sollen bald starten.

"Wir arbeiten daran, an unseren Standorten attraktiv und zukunftsfähig zu bleiben", so Baab. "Auch die Real-Standorte gilt es zukünftig mit neuen Systemen, wie etwa Click & Collect oder eventuell auch einem Lieferservice zu verbinden."

Die Übernahme der Real-Märkte läuft bei Globus intern übrigens unter dem Namen "Projekt Goethe" – wegen der Hymne des deutschen Dichters an den Straßburger Münster. In jener schwärmt er von vollkommener Baukunst und Schöpferkraft. Ob er das Gedicht heute an die Real- und künftigen Globusmärkte richten würde, lässt sich dabei nur spekulieren.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Gespräch mit Jochen Baab
  • Gespräch mit Peter Kenning
  • Statement von Edeka und Kaufland
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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