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Skandal um Cum-Ex: Steuerraub könnte bis zu 150 Milliarden Euro betragen


Schlupflöcher nicht geschlossen
Recherchen legen Steuerraub in Höhe von 150 Milliarden Euro nahe

Von Olaya Argüeso, Jonas Seufert (Correctiv)

Aktualisiert am 21.10.2021Lesedauer: 3 Min.
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Die Bankentürme in Frankfurt im Nebel: Deutsche Geldhäuser sind in die umstrittenen Geschäfte verwickelt. (Quelle: Jan Eifert/imago-images-bilder)

Der weltweite Steuerschaden durch Cum-Ex-Geschäfte könnte noch höher sein als bisher bekannt. In Deutschland sind die Geschäfte entgegen aller Beteuerungen der Politik weiter möglich.

Lange Zeit galt der Cum-Ex-Steuerraub als ein deutscher Skandal. Eine neue Recherche von 30 Journalisten und Journalistinnen aus allen fünf Kontinenten unter Leitung des Recherchebüros "Correctiv" zeigt jetzt, dass der Cum-Ex-Betrug global ist. Nach Berechnungen von Steuerexperten dürfte der Schaden mindestens 150 Milliarden Euro betragen – also fast so viel Geld, wie die EU in einem Jahr ausgibt. "Der Schaden könnte sogar noch höher liegen", sagt Wirtschaftsprofessor Christoph Spengel von der Universität Mannheim. Zusammen mit seinem Team hat er weltweit Transaktionsdaten ausgewertet, um die Summe zu errechnen.

Kooperation von 15 Medien weltweit

Unter dem Namen "CumEx Files 2.0" haben sich unter Leitung des Recherchezentrums "Correctiv" 15 Medien aus weltweit 15 Ländern zusammengetan, um das ganze Ausmaß des Steuerraubs zu recherchieren. Dazu gehören neben dem ARD-Magazin "Panorama" auch BBC aus Großbritannien, "Le Monde" aus Frankreich und NBC aus den USA.

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Bei den sogenannten Cum-Ex-Geschäften lassen sich Banken, Investoren und Anwälte Steuern auf Aktiengeschäfte mehrfach vom Staat erstatten, die sie nur einmal gezahlt haben. Es handelt sich also nicht um die Hinterziehung von fälligen Steuern, sondern um Betrug. 2018 ergaben Recherchen unter der Leitung von "Correctiv", dass der so entstandene Schaden aller steuergetriebenen Geschäfte in Europa bis dahin bei etwa 55 Milliarden Euro lag.

"Geschäfte lediglich erschwert, weiter möglich"

Laut den aktuellen Recherchen gehen die Summen, die Steuerzahlern weltweit geraubt wurden, weit darüber hinaus. Die Daten der Steuerexperten zeigen aber noch etwas Beunruhigendes: In Deutschland geht der Steuerraub offenbar weiter, und zwar durch Cum-Cum-Deals, einer speziellen Form steuergetriebener Geschäfte. Ein Gesetz von 2016 sollte genau das verhindern. Steuerexperte Spengel sagt nun: "Cum-Cum-Geschäfte wurden lediglich erschwert, sie sind weiterhin möglich."

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Politiker beteuern, dass solche Deals seit der Gesetzesänderung nicht mehr möglich seien. Das Bundesfinanzministerium (BMF) schreibt per E-Mail an "Correctiv" und das ARD-Magazin "Panorama", dass es keine Hinweise zu konkreten Cum-Cum-Fällen nach 2016 gefunden habe. Es stehe in regelmäßigem Austausch mit den Ländern zu Cum-Ex- und Cum-Cum-Geschäften. Daher, so schreibt das von SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz geführte Ministerium, lassen sich die von Spengel berechneten Steuerschäden "auf Grundlage der Angaben der für die Steuerverwaltung zuständigen Länder nicht bestätigen".

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Das sehen Ermittler anders. "Wir haben einen Anfangsverdacht, dass es neue Modelle gibt", sagt die Kölner Staatsanwältin Anne Brorhilker, die die Cum-Ex-Aufklärung maßgeblich vorangetrieben hat und weiter ermittelt, dem ARD-Magazin "Panorama". Auch eine weitere Variante, sogenannte Cum-Fake-Geschäfte, bei denen Steuern erstattet werden für Geschäfte mit Aktien, die es gar nicht gibt, sind nach Einschätzung von Experten in Deutschland weiter möglich. Sogar der Bundesrechnungshof warnte vergangenes Jahr davor.

Die deutsche Bankenaufsicht Bafin erklärte sich für nicht zuständig und hat trotz diesbezüglicher Warnungen von US-Aufsichtsbehörden auch keine Hinweise auf solche Deals gefunden. Ein Insider allerdings, der sich gegenüber "Panorama" und "Correctiv" ausführlich über die Deals äußert, und gegen den unter anderem in Deutschland ermittelt wird, hält die Geschäfte für weiterhin möglich.

Das Finanzministerium von Scholz ist laut der Recherchen nicht die einzige Behörde, die die steuergetriebenen Deals nicht wirksam verhindert. Über Informationsfreiheitsgesetze beantragte Akten geben einen Einblick, wie europäische Behörden hinter den Kulissen mit der Problematik der Cum-Ex-Geschäfte und anderer steuergetriebener Deals umgehen. Das Bild ist auch drei Jahre nach den Cum-Ex-Enthüllungen verheerend.

Europäische Staaten scheitern demnach weiter bei der Bekämpfung des systematischen Steuerbetrugs. Es fehlt offenbar an Bewusstsein, dass das Problem nur gemeinsam gelöst werden kann. Aufsichtsbehörden schieben ihre Verantwortung weg und behaupten, nicht zuständig zu sein. Aber selbst, wenn sie wollen: Oft hindern Gesetze die Behörden daran, wichtige Informationen miteinander zu teilen.

Verwendete Quellen
  • Die ganze Recherche unter Leitung von "Correctiv" finden Sie unter cumex-files.com. Den TV-Beitrag von "Panorama" können Sie am Donnerstag, 21. Oktober 2021, 21.45 Uhr in der ARD sehen und danach in der ARD-Mediathek.
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