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Finanzminister Christian Lindner: Wie will er alles bezahlen?


Haushaltspläne
Jetzt kommt es auf Christian Lindner an


Aktualisiert am 25.11.2021Lesedauer: 6 Min.
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Christian Lindner: Er wird wohl der nächste Finanzminister.Vergrößern des Bildes
Christian Lindner: Er wird wohl der nächste Finanzminister. (Quelle: Mike Schmidt/imago-images-bilder)

Die Liste der Ampelvorhaben ist lang. Allein: Wie soll all das bezahlt werden? Antworten muss jetzt der Finanzminister in spe, Christian Lindner, liefern.

An Pathos mangelt es der Ampelkoalition nicht. Ein Jahrzehnt der "Zukunftsinvestitionen" stehe Deutschland ins Haus, eines der "Bildungschancen" und, natürlich, eines der "Innovationen". Das alles klingt erst einmal gut. Doch fest steht auch: Billig werden die Vorhaben von SPD, Grünen und FDP in den kommenden Jahren nicht.

Ob beim Ausbau der Ladesäulen für Elektroautos, bei der geplanten Aktienrente oder der flächendeckenden Versorgung mit Glasfaser – die Koalition in spe wird Hunderte Milliarden Euro brauchen, um unser Land fit zu machen für die 2020er-Jahre. Das Problem, das Olaf Scholz, Robert Habeck, Annalena Baerbock und speziell Bald-Finanzminister Christian Lindner haben: Anders als beim Start der großen Koalition 2017 stottert der wirtschaftliche Motor des Landes wegen der Corona-Krise noch gehörig.

Allein aufs Wirtschaftswachstum zu setzen, darauf, dass die Steuereinnahmen weiter sprudeln, wird darum nur bedingt helfen. Zudem haben Bund, Länder und Kommunen im Kampf gegen die Pandemie Schulden in Rekordhöhe aufgenommen, die die finanziellen Spielräume verringern. Obwohl die Ampel mit Milliarden-Rücklagen in die Regierung startet, kommt es jetzt umso mehr auf die Haushaltspolitik der Ampel an. t-online erklärt, wie die aussehen könnte – und wer im Kabinett den härtesten Job haben dürfte.

Wie viel will Geld will die Ampel wofür ausgeben?

Das scheinen die Koalitionäre selbst noch nicht so genau zu wissen, zumindest wenn man dem 177 Seiten starken Koalitionsvertrag glaubt. Eine konkrete Summe für die zusätzlich nötigen Investitionen jedenfalls findet sich nirgends.

Gleichwohl sehen die Ampelpartner Handlungsbedarf beim Klimaschutz, der Digitalisierung, Bildung und Forschung sowie der Infrastruktur. Hier werden also große Summen Staatsgeld benötigt. Gleichzeitig betont FDP-Chef Christian Lindner, dass auch privates Kapital genutzt werden solle, um die Modernisierung des Landes zu stemmen.

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Konkret heißt das: Der Staat will finanzielle Anreize schaffen, damit Unternehmen Geld für Klimaschutz und Digitalisierung ausgeben, zum Beispiel für Elektrodienstwagen. Dafür soll es in den Jahren 2022 und 2023 sogenannte "Superabschreibungen" geben, also Vorteile bei der Steuererklärung.

Geprüft wird zudem, welchen Beitrag die staatliche Förderbank KfW zur Risikoabsicherung privater Investitionen leisten kann. Sie soll eine größere Rolle spielen, Fördermaßnahmen sollen also ausgeweitet werden. Eingebunden werden soll dabei auch die Europäische Investitionsbank.

Wie soll all das finanziert werden?

Wie bei allen neuen Regierungen ist das die Gretchenfrage. Eine klare Antwort geben SPD, Grüne und FDP bislang nicht, wie im Gespräch mit t-online auch der Ökonom Michael Hüther kritisierte. Einerseits heißt es im Koalitionsvertrag wörtlich: "Wir werden im Rahmen der grundgesetzlichen Schuldenbremse die nötigen Zukunftsinvestitionen gewährleisten." Andererseits stellen die Parteien fest: "Die haushaltspolitische Ausgangslage des Bundes für die 20. Wahlperiode ist äußerst angespannt."

Obwohl also die genauen Ausgaben noch nicht fix sind, ähnelt die Mission der Ampel der sprichwörtlichen Quadratur des Kreises: Langfristig soll der Bund nicht allzu viele neue Schulden aufnehmen – trotzdem soll genug Geld da sein, um Deutschland klimaneutral zu machen, das Rentensystem stabil zu halten und Behörden auf den Stand des 21. Jahrhunderts zu bringen.

Dass diese Rechnung allein durch eine Steigerung an Steuereinnahmen aufgeht, ist unwahrscheinlich. Zwar rechnete unlängst IW-Ökonom Tobias Hentze mit einem Plus von rund 52 Milliarden Euro, etwa durch die Erholung nach Corona oder Einnahmen aus einer Cannabis-Steuer. Das wird aber bei Weitem nicht ausreichen.

Zusätzliche Steuererhöhungen soll es indes auf Bestreben der FDP nicht geben. Bleiben auf der anderen Seite staatliche Ausgaben, die sich kürzen lassen. Hier will die Ampel weitere Spielräume durch die Abschaffung "überflüssiger, unwirksamer und klimaschädlicher" Förderungen schaffen, zum Beispiel indem sie die staatliche Förderung von Plug-in-Hybrid-Autos infrage stellt.

Mit welchen Tricks könnte die Koalition die Schuldenbremse umgehen?

Ganz ohne neue Schulden wird es kaum gehen. Die Herausforderung dabei: Eigentlich darf sich der Bund pro Jahr nur um 0,35 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung verschulden. So will es die Schuldenbremse, die im Grundgesetz verankert ist und damit Verfassungsrang hat.

Die Ampelpartner haben sich deshalb eine Reihe von Ideen einfallen lassen, um die Schuldenbremse zumindest teilweise zu umgehen. Ein Blick in die Trickkiste:

  • Corona-Schulden: Wegen der Corona-Krise greift die Schuldenbremse momentan nicht. Diesen Notfall-Zustand wollen SPD, Grüne und FDP noch 2022 beibehalten, so wie es die bisherige Bundesregierung bislang plante. Erst 2023 soll die Schuldenbremse wieder gelten. Das heißt, im kommenden Jahr dürfte der Bund abermals deutlich mehr Kredite aufnehmen, wenngleich auch nur für den Kampf gegen die Pandemie. Zudem will die Koalition die Corona-Schulden über einen längeren Zeitraum zurückzahlen als bisher geplant. Das würde milliardenschwere Finanzspielräume schaffen.
  • Staatsunternehmen: Wichtiger werden bei der Finanzierung der Investitionen dürften künftig Unternehmen, die zu 100 Prozent dem Staat gehören. Laut Koalitionsvertrag sind das vor allem die Bahn sowie die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima). Die Idee: Anstelle des Bundes könnte künftig die Bahn verstärkt Schulden aufnehmen, etwa um neue Schienen zu bezahlen. Diese fielen aber nicht in den Bundeshaushalt, die Schuldenbremse ließe sich leichter einhalten.
  • Spezial-Fonds: Einen weiteren "Joker" schafft sich die Ampel nach Einschätzung des Ökonomen Jens Südekum mit der Umwandlung des bereits existierenden Energie- und Klimafonds (EKF) in einen Klima- und Transformationsfonds (KTF). Gemeint ist damit ein Geldtopf, in den staatliche Mittel fließen sollen, die in der Pandemie nicht abgerufen wurden. Die Ampel will für ihn über einen Nachtragshaushalt dieses Jahr sogar noch weiteres Geld bereitstellen. "Auch dieser Fonds hilft, Investitionen im Rahmen der Schuldenbremse zu finanzieren", sagte Südekum t-online. Das hänge mit einer neuen Regel im Umgang mit Sondervermögen zusammen: "Fließt Geld aus der Staatskasse in den Fonds, vergrößert das die Möglichkeit, neue Kredite aufzunehmen. Anders als bislang würde es bei einem späteren Rückfluss in den Haushalt keine Auswirkungen auf die Schuldenbremse haben."

Daneben gibt es noch eine Reihe anderer Instrumente, die das Finanzministerium in der Haushaltspolitik nutzen kann. "Die Ampel hat quasi den kompletten Werkzeugkasten zur Verfügung", so Südekum. "Auch wenn die Investitions- und Finanzierungspläne kaum konkret sind, hat das Finanzministerium damit zumindest sehr großen Gestaltungsraum."

Was heißt das alles für den künftigen Finanzminister?

Schon im Wahlkampf drängte FDP-Chef Christian Lindner darauf, im Falle einer Regierungsbeteiligung das Bundesfinanzministerium (BMF) zu übernehmen. Sein Kalkül hängt auch mit einer politischen Entwicklung des vergangenen Jahrzehnts zusammen.

Spätestens seit der Weltfinanzkrise 2008 hat das Kanzleramt das Außenministerium bei fast allen weltpolitischen Fragen, globalen Krisen und Gipfeln abgelöst. In der FDP sieht man es deshalb als großen Fehler an, dass Guido Westerwelle in der schwarz-gelben Koalition vor zwölf Jahren als Außenminister an die Zeiten Hans-Dietrich Genschers anknüpfen wollte, statt sich das Finanzministerium zu sichern.

Dieses wiederum hat in den vergangenen Jahren deutlich an Macht gewonnen. Das liegt einerseits daran, dass der Finanzminister bei fast allen Vorhaben der Regierung mitredet – schließlich gibt er am Ende das Geld frei oder eben nicht. Andererseits ist das BMF das einzige Ressort, das über sogenannte Spiegelabteilungen verfügt, die dem Finanzminister Einblicke in andere Ministerien erlauben.

Lindner muss stets mit knappem Geld haushalten

Der Preis für diese Machtfülle jedoch ist hoch, besonders für Christian Lindner. Denn ihm kommt angesichts der finanziellen Zwänge der Ampelkoalition eine Schlüsselrolle zu. Er wird der Hüter der Geld-Trickkiste. Er wird genau wissen müssen, wann er welches Kaninchen aus dem Hut zaubert.

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Ihm muss es gelingen, solide mit dem stets knappen Geld zu wirtschaften, nicht zuletzt, um dem BMF ein liberales Antlitz zu verpassen. Gleichzeitig darf er den Koalitionsfrieden mit SPD und Grünen nicht aufs Spiel setzen, indem er den Regierungspartnern den Finanzhahn zudreht.

Sein größtes Problem jedoch ist: Als Finanzpolitiker ist Lindner bislang kaum aufgefallen. Und obwohl sich die FDP gern den Anstrich einer Wirtschaftspartei gibt, fehlt es ihm auch in den eigenen Reihen wahrscheinlich an ausreichend Spezialisten, die ihn bei seiner künftigen Aufgabe unterstützen.

Hinzu kommt, dass er keine Verwaltungserfahrung mitbringt, also erst einmal lernen muss, wie man das wohl komplexeste Ministerium führt. Inwieweit er dabei auf erfahrene Abteilungsleiter setzen kann, ist noch offen. Einige von ihnen, so munkelt man im politischen Berlin, wird es ins Kanzleramt ziehen, um weiter für Lindners Vorgänger zu arbeiten, der am Kabinettstisch schon bald sein Chef ist: Olaf Scholz.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Gespräch mit Jens Südekum
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen Reuters und dpa-AFX
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