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Rente | Heil: "Kräftige Erhöhung" im Jahr 2022 – was steckt dahinter?


Aussage von Minister Heil
Renten sollen "kräftig" steigen – das steckt dahinter

Von Mauritius Kloft

Aktualisiert am 13.01.2022Lesedauer: 4 Min.
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Ältere Frau (Symbolbild): Rentner können sich auf ein sattes Rentenplus einstellen.Vergrößern des Bildes
Ältere Frau (Symbolbild): Rentner können sich auf ein sattes Rentenplus einstellen. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)

Arbeitsminister Hubertus Heil hat eine "kräftige" Rentenerhöhung angekündigt. Tatsächlich aber dürfte die Anpassung in diesem Jahr sogar geringer ausfallen als ursprünglich gedacht.

Es sind warme Worte, mit denen Bundesarbeitsminister Hubertus Heil Deutschlands Rentner umarmt. Der Nachrichtenagentur dpa sagte er: "Es wird nach all dem, was wir wissen, in diesem Jahr eine kräftige Rentenerhöhung geben."

Ende November diktierte Heil dagegen noch der "Bild am Sonntag" in den Notizblock: "Prognostiziert waren 5,2 Prozent. Jetzt erwarte ich, dass die Renten in Deutschland ab Juli 2022 um 4,4 Prozent steigen. Das ist immer noch sehr ordentlich."

Wie passt das zusammen? Was stimmt denn nun? Beides.

An Heils Aussage vom November hat sich nichts geändert. Denn auch jetzt sagte er, dass er die Reaktivierung des sogenannten Nachholfaktors rechtzeitig vor der turnusgemäß am 1. Juli anstehenden Anpassung auf den Weg bringen wolle.

Und hier steckt der eigentliche Casus knacksus seiner Worte: Denn erst dadurch, dass die Ampelkoalition den Nachholfaktor wieder einführt, sorgt Heil dafür, dass die Rentenerhöhung dieses Jahr etwas kleiner ausfallen wird als im vergangenen Jahr noch vorhergesagt. Damals, ehe die Regierung stand, ging die Rentenversicherung noch davon aus, dass die Renten in Westdeutschland um 5,2 Prozent und im Osten um 5,9 Prozent steigen – in der Annahme, der Nachholfaktor bleibe deaktiviert.

Olaf Scholz führte Rentengarantie ein

Was aber bringt der Nachholfaktor genau? Um das zu begreifen, muss man die grundsätzliche Logik hinter der jährlichen Rentenanpassung verstehen. Die Entwicklung der gesetzlichen Renten folgt der Lohnentwicklung.

Wegen der Finanz- und Wirtschaftskrise hat 2009 noch Olaf Scholz als Heils Vorvorgänger als Arbeitsminister eine Rentengarantie per Gesetz festgeschrieben: Die sollte verhindern, dass die Renten gekürzt werden können, wenn die Löhne in Krisenzeiten sinken. Gleichzeitig hat Scholz den Nachholfaktor in der Rentenanpassungsformel installiert.

Der sorgt dafür, dass der Effekt der Rentengarantie ausgeglichen wird: Dass bei wieder steigenden Löhnen nach einer Konjunkturkrise die verhinderte Rentenkürzung rechnerisch ausgeglichen wird – die Rente also weniger stark steigt. Ziel war es, dass die Rentengarantie nicht zu einer dauerhaften Zusatzbelastung der Beitragszahler führt.

Nachholfaktor sorgt für Ausgleich in der Rentenformel

Allerdings hatte die schwarz-rote Koalition – genauer: Heil – den Nachholfaktor von 2018 an ausgesetzt. Eigentlich sollte diese Ausnahme bis Juni 2026 gelten. Ein Schritt, den Ökonomen scharf kritisierten, vor allem jetzt in der Corona-Krise. Mit der aktuellen Reaktivierung, die vor allem die FDP gefordert hatte, macht Heil also eine 180-Grad-Wende.

Die aber ist dringend nötig, so Experten. Wegen der Pandemie, in der der Arbeitsmarkt kräftig durcheinandergewirbelt wurde, hatte es 2021 eine Nullrunde für Rentner im Westen gegeben. Die Renten von Menschen in Ostdeutschland stiegen zumindest leicht an – um 0,72 Prozent. Das hat nicht mit der Lohnentwicklung zu tun, sondern schlicht damit, dass sich die Ostrenten bis 2024 den Westrenten angleichen sollen und so immer etwas kräftiger steigen.

"Ohne den Nachholfaktor hätten sich die Renten also von den Löhnen entkoppelt", sagte etwa der Sozialpolitik-Professor Martin Werding jüngst im Interview mit t-online. "Wenn der Faktor wieder greift, haben Krisen wie eine Pandemie keinen dauerhaften Einfluss auf das Rentensystem. Wenn der Nachholfaktor dagegen weiter ausgesetzt bliebe, würde das die Finanzierung des Rentensystems noch schwerer machen."

Auch Minister Heil bezeichnete den Nachholfaktor nun als Ausgleich dafür, "dass es im Jahr 2021 trotz Corona-Einbruch keine Rentenkürzung gab". Die Rentenentwicklung folge weiterhin im Grundsatz der Lohnentwicklung, so Heil. Lesen Sie hier mehr zur Wirkung des Nachholfaktors.

So viel macht der Nachholfaktor für Rentner aus

Für Senioren macht die Frage nach dem Nachholfaktor bares Geld aus, wie folgende Rechnung zeigt. Mit der Rentenanpassung steigt der Wert eines Rentenpunkts. Diese sammeln Sie, wenn Sie Beiträge in die Rentenversicherung einzahlen. Ein Rentenpunkt entspricht dem Gegenwert des Brutto-Durchschnittsgehalts.

  • Gehen wir also davon aus, dass Sie 40 Rentenpunkte gesammelt haben und im Westen Deutschlands wohnen. Dann lag Ihre monatliche Bruttorente 2021 bei 1367,60 Euro, ein Rentenpunkt liegt nämlich aktuell bei 34,19 Euro. Wegen der Nullrunde blieb sie auch zur Rentenanpassung gleich hoch. Würde nun der Wert der Rentenpunkte um 5,2 Prozent steigen, wie Anfang November berechnet, läge er bei knapp 36 Euro. Ihre Rente liege bei 1.440 Euro.
  • Anders sieht es aus, wenn der Gegenwert eines Rentenpunkts "nur" um 4,4 Prozent anzieht. Er liegt dann bei 35,7 Euro, Ihre Rente beträgt also 1.428 Euro.

Der Nachholfaktor macht also in dem Beispiel immerhin 12 Euro im Monat aus. Multipliziert mit der Anzahl der Senioren, aktuell rund 21 Millionen Rentner in Deutschland, wird klar, warum das Thema des Nachholfaktors in der Debatte eine wichtige Rolle spielt.

Allerdings lässt sich das Problem der klammen Finanzen nicht allein dadurch lösen, dass der Faktor wieder aktiviert ist. Experten fordern daher schon seit Längerem eine grundlegende Reform des gesetzlichen Rentensystems.

Die Ampelkoalition hat sich zwar einiges auf die Fahne geschrieben, doch das kommt vor allem jetzigen Rentnern zugute – oder solchen, die in wenigen Jahren in Rente gehen. Lesen Sie hier mehr zu den Ampelplänen.

Heil: "Entscheidende Schlacht zur Stabilisierung der Rente"

Zwar plant die Ampelkoalition auch, die gesetzliche Rente teilweise in ein kapitalgedecktes System umzuwandeln. In einem ersten Schritt sollen dafür 2022 zehn Milliarden Euro in einen Fonds fließen. Viel zu wenig, kritisieren Experten.

Heil verteidigte die Rentenpläne hingegen als "Doppelstrategie" – einerseits "durch den Aufbau des Kapitalstocks", andererseits über den Arbeitsmarkt. Nötig sei es vor allem, möglichst viele Menschen im erwerbsfähigen Alter in gut bezahlter Arbeit zu haben.

"Die entscheidende Schlacht zur Stabilisierung der Rente findet am Arbeitsmarkt statt", sagte er – auch in Richtung der Arbeitgeber. Die hatten zum Jahreswechsel Alarm geschlagen und vor steigenden Beiträgen oder der Notwendigkeit von weiteren Steuermilliarden für die Rentenkasse gewarnt.

Rentner können auf Plus hoffen

Fakt ist trotz allem: Bestandsrentner können sich auf ein sattes Plus freuen. Wie hoch es am Ende ausfallen wird, steht erst im Frühjahr fest, hieß es von der Rentenversicherung. Deren Präsidentin Gundula Roßbach schlug jüngst vor, die Rentenanpassungsformel zu überarbeiten – damit es solche Sprünge wie in der Corona-Krise künftig nicht mehr gibt.

Anders als Heil fand sie deutlich klarere Worte zur Reaktivierung des Faktors: "Die Rentenerhöhung im nächsten Jahr soll gedämpft werden, indem der Nachholfaktor wieder eingeführt wird." Wohl auch, weil ihre Mitarbeiter diejenigen sind, die Deutschlands Senioren das Heil'sche Kauderwelsch erklären müssen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Deutsche Rentenversicherung Bund
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