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FDP-Politiker Johannes Vogel: "Die Aktienrente wird dieses Jahr kommen"


FDP-Experte
"Die Aktienrente wird noch dieses Jahr kommen"

InterviewVon Mauritius Kloft

Aktualisiert am 27.03.2022Lesedauer: 6 Min.
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"Entscheidend ist, dass ein gutes Modell der Aktienrente vorgestellt wird – nicht, in welcher Kalenderwoche das genau passiert", sagt der arbeitsmarkt- und rentenpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion Johannes Vogel.Vergrößern des Bildes
"Entscheidend ist, dass ein gutes Modell der Aktienrente vorgestellt wird – nicht, in welcher Kalenderwoche das genau passiert", sagt der arbeitsmarkt- und rentenpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion Johannes Vogel. (Quelle: imago-images-bilder)

Wegen des Ukraine-Kriegs und der Corona-Krise rückt ein Thema in den Hintergrund: die Stabilisierung des Rentensystems. t-online hat mit FDP-Politiker Vogel gesprochen, dem Erfinder der Aktienrente. Kommt sie wirklich?

Die gesetzliche Rente galt über Jahrzehnte als eingespieltes System: Die jetzigen Beiträge finanzieren die Renten der derzeitigen Senioren. Doch weil auf immer mehr Rentner immer weniger Beitragszahler kommen, soll sich das ändern. Wenngleich zunächst nur ein wenig.

Denn die Ampelkoalition will die gesetzliche Rente ergänzen: mit einer Aktienrente. Genauer einem staatlichen Fonds, der Milliarden an den globalen Aktienmärkten anlegt und in die Rentenkasse speist. Den Plan in den Koalitionsvertrag eingebracht hat die FDP, maßgeblich die Politiker Christian Dürr und Johannes Vogel.

Umso größer war der Schrecken, als vor wenigen Tagen die Nachricht die Runde machte, die Aktienrente finde sich nicht im Haushaltsentwurf von Finanzminister Christian Lindner, ebenfalls von den Liberalen, wieder. t-online hat daher mit FDP-Mann Vogel gesprochen. Er verspricht, dass die Aktienrente kommen wird.

t-online: Herr Vogel, im Haushaltsentwurf von Finanzminister Christian Lindner taucht Ihre Idee, die Aktienrente, nicht auf. Sind Sie sauer auf Ihren Parteikollegen?

Johannes Vogel: Nein. Die Aktienrente wird kommen.

Ist das so?

Auf jeden Fall. Sie ist integraler Bestandteil der Arbeit dieser Koalition. Darauf lege ich auch großen Wert, weil ich diese Idee ja mit vorangetrieben habe. Florian Toncar hat als Staatssekretär im Finanzministerium ja gerade noch mal klargestellt: Sobald wir uns über Details verständigt haben, wird das Projekt auch im Bundeshaushalt seinen Niederschlag finden.

Auch noch dieses Jahr?

Ja, das ist unverändert der Plan. Wir verabschieden den Haushalt ohnehin erst im Juni. Bis dahin passiert noch viel.

Wie meinen Sie das?

Zurzeit arbeitet die Regierung an einem Modell, wie die Aktienrente, so wie sie im Koalitionsvertrag festgehalten ist, im Detail umgesetzt wird. Entscheidend ist, dass ein gutes Modell vorgestellt wird – nicht, in welcher Kalenderwoche das genau passiert. Aktuell warte ich auf den Vorschlag der Regierung hierfür.

Und wann kommt der?

Die Bundesregierung steht inmitten historischer Herausforderungen. Es war sicherlich die schwierigste Regierungsübernahme in der Geschichte der Bundesrepublik: Erst die Corona-Krise und dann noch Putins Überfall auf die Ukraine. Dass wir den konkreten Gesetzentwurf zur Aktienrente noch nicht vorliegen haben, macht mir keine Sorge. In den nächsten Wochen kommt er aber sicher.

Johannes Vogel, 1982 geboren, war von 2009 bis 2013 und ist erneut seit 2017 Mitglied des Deutschen Bundestages für die FDP. Er ist seit 2021 stellvertretender Bundesvorsitzender der Liberalen und seit Dezember Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion. Zuvor war er renten- und arbeitsmarktpolitischer Sprecher. Er hat Politikwissenschaft, Geschichte und Völkerrecht studiert und war bei der Arbeitsagentur tätig. Dort ist er auf eigenen Wunsch hin beurlaubt.

Bislang sollten im ersten Jahr ohnehin nur zehn Milliarden Euro in den Fonds fließen. Experten kritisierten das als bei Weitem nicht ausreichend. Wie viel ist denn für die kommenden Jahre geplant?

Es ist wichtig, dass die Regierung an dem Modell gründlich arbeitet und dass wir das Projekt mit Leben füllen. Klar ist: Einmalig zehn Milliarden Euro wären bei der Rente nur ein Tropfen auf den heißen Stein. So ist der Koalitionsvertrag aber auch nicht zu lesen.

Dort steht: Der Bund werde "in einem ersten Schritt der Deutschen Rentenversicherung im Jahr 2022" einen Kapitalstock von zehn Milliarden Euro zuführen.

Richtig. Die Formulierung macht ja deutlich, dass einem ersten Schritt weitere folgen werden.

Aber?

Es gibt kein Aber. Es kommt jetzt darauf an, ein gutes Modell zu schaffen, besonders mit Blick auf die Zukunft. Eine Aktienrente muss über Jahrzehnte wirken.

Können Sie das ausführen?

Aktienmärkte haben eine große Stärke: ihre langfristige Entwicklung. Aktien schwanken, aber bei langfristigen Anlagen, etwa über 15 Jahre und länger, hat man ein verlässliches Plus. Und bei der Altersvorsorge geht es eben um die langfristige Anlage. So ist es im Koalitionsvertrag auch angelegt. Da stehen nicht nur die zehn Milliarden als erster Schritt im ersten Jahr. Sondern der Plan ist, einen – ich zitiere – "dauerhaften Fonds" zu schaffen, der global anlegt.

Offen ist auch die Frage der Aufsicht. Vor rund einem Jahr, als Sie die Idee einer Aktienrente vorstellten, sagten Sie, die Bundesbank sollte das machen. Wird das so kommen?

Hier ist das Ziel ausschlaggebend. Entscheidend ist, dass Profis global und dauerhaft anlegen. Dafür wird man Experten brauchen. Wo die dann angebunden werden, ist zweitrangig. Ich könnte mir weiter gut vorstellen, dass die Bundesbank die beste Lösung ist. Aber es geht ohnehin nur um die Rechtsaufsicht.

Was bedeutet das?

Die Aktienrente muss vor allem unabhängig gemanagt werden. Die Staatsfonds unserer Vorbilder, Schweden, Norwegen, leben davon, dass sie einen klaren Auftrag haben: die langfristige Stabilisierung des Rentensystems. In der konkreten Anlagepolitik müssen die Experten frei sein, da darf die Politik nicht reinreden.

Die Aktienrente allein wird das System der gesetzlichen Rente wohl kaum stabilisieren. Im Koalitionsvertrag ist weder von einer Anhebung des Rentenalters noch von steigenden Beiträgen die Rede.

Das wollen wir auch nicht. Richtig ist: Wir haben nach der Wahl auch kein FDP-Programm in Reinform im Koalitionsvertrag umgesetzt. Das war gar nicht möglich, wir mussten ja Kompromisse machen. Hätten wir die absolute Mehrheit, sähe die Rentenpolitik natürlich noch mal anders aus. Mir ist aber wichtig, dass wir in dieser Legislaturperiode eine Trendwende erreichen und die Tür zu einer enkelfitten Rente öffnen. Die Aktienrente ist ein entscheidender Baustein. Doch wir planen mehr.

Und zwar?

Wir werden ein Punktesystem für mehr Einwanderung auf den Arbeitsmarkt nach dem Vorbild Kanadas etablieren. Und wir reaktivieren den Nachholfaktor.

Durch den theoretische Rentenkürzungen mit künftigen Rentenerhöhungen verrechnet werden. Das dämpft die Rentenerhöhung dieses Jahr leicht. Trotzdem dürfen Deutschlands Rentner auf ein sattes Rentenplus hoffen.

Die Renten folgen in Deutschland den Löhnen des Vorjahrs. Das ist fair und ich freue mich für alle Rentnerinnen und Rentner angesichts dieser Erhöhung. Zur Fairness gehören zwingend aber auch die wichtigen demografischen Faktoren mit Blick auf die Generationengerechtigkeit. Man stelle sich vor, wie kräftig die Rentenerhöhung sonst ausgefallen wäre, wenn wir die Wiedereinführung des Nachholfaktors nicht erreicht hätten. Dann wären die Renten in Summe stärker als die Löhne gestiegen. Jetzt sparen wir dauerhaft Jahr für Jahr wichtige Milliarden für die künftigen Generationen ein und stabilisieren so die Rente.

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Experten fürchten dennoch, dass Rentner wegen der Inflation und der steigenden Energiepreise einen Kaufkraftverlust hinnehmen müssen. Im jüngst beschlossenen Paket gibt es für sie keine konkrete Entlastung.

Das stimmt so nicht. Menschen, die auf die Grundsicherung angewiesen sind, erhalten eine verdoppelte Einmalzahlung von 200 Euro. Und Wohngeldbezieher einen doppelten Heizkostenzuschuss von 270 Euro. Von all dem profitieren auch Rentner, sofern sie betroffen sind. Zusätzlich steigen die Renten zum 1. Juli so stark wie seit 1983 nicht mehr. Die Koalition hat zudem schon vor einigen Wochen ein erstes Entlastungspaket beschlossen. Die EEG-Umlage auf die Stromkosten fällt beispielsweise bereits ab Sommer. Doch unser zweites Paket geht jetzt noch deutlich weiter.

Und ist auch entsprechend teuer. Manch einer spricht von der Entlastung per "Gießkanne". War das wirklich nötig?

Die oben genannten Maßnahmen gehen ja sehr zielgenau auf die steigenden Energiepreise. Klar ist aber auch: Wir sehen die akut steigenden Preise derzeit überall. An der Zapfsäule, bei den Heizkosten. Ich erwarte auch, dass die Lebensmittelpreise wegen Putins Krieg steigen. Und die Mitte in Deutschland ist im internationalen Vergleich ohnehin am stärksten belastet. Wir entlasten daher auch die breite Mitte, etwa durch eine steuerliche Energiepreispauschale.

… Millionen Erwerbstätige bekommen einen Zuschlag aufs Einkommen von 300 Euro.

Das greift explizit auch für Selbstständige in Form einer Senkung der Steuervorauszahlung in entsprechender Höhe. Zusätzlich senken wir den Benzin- und Dieselpreis durch eine befristete Steuersenkung. Und als Alternative zum Auto ermöglichen wir sehr günstige ÖPNV-Tickets.

Viele Ökonomen sind erleichtert, dass der Tankrabatt nicht kommt. Zumindest nicht so, wie Lindner das vorhatte. Hand aufs Herz: Sie auch?

Ich bin Christian Lindner für seinen Vorschlag dankbar, denn er hat eine wichtige Diskussion angestoßen und damit dieses Entlastungspaket mit ermöglicht. Die Menschen spüren die aktuellen Marktreaktionen ganz akut, gerade diejenigen, die aufs Auto angewiesen sind. Daher brauchten wir hier auch eine akute Maßnahme. Welches der in Europa hierfür gewählten Instrumente es wird, war zweitrangig – das haben wir auch vorher gesagt. Und ein solches kommt nun.

Herr Vogel, vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Persönliches Interview mit Johannes Vogel
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