40 Prozent der Deutschen wollen weiter auf Atomkraft setzen
Um die aktuelle Energiekrise zu lΓΆsen, steht der Atomausstieg wieder zur Debatte: Ein Gutteil der Deutschen hielte Kernkraft trotz Risiken weiter fΓΌr sinnvoll. Doch eine Wiederbelebung ist unwahrscheinlich.
Vor genau 11 Jahren schockierte die Fukushima-Katastrophe die Welt: Wegen eines Erdbebens und Tsunamis kam es im Atomkraftwerk Fukushima Daiichi zu einem Super-GAU. Deutschland stieg damals aus der Atomkraft aus β eine Entscheidung, die bis heute umstritten ist.
Um Deutschland von Putins Gas zu lΓΆsen, wird nun ΓΌber die Wiederbelebung der Atomkraft diskutiert. Aktuell sind nur noch drei AKWs in Deutschland im Betrieb: Emsland, Neckarwestheim 2 und Isar 2. Alle drei sollen bis Ende des Jahres vom Netz gehen.
Aber nicht, wenn es nach der BevΓΆlkerung geht. Das Wohlwollen fΓΌr die RΓΌckkehr zur Atomkraft ist so hoch wie seit Jahren nicht.
Zustimmung zur Kernenergie hat sich verdoppelt
40 Prozent der Deutschen sprechen sich fΓΌr eine Reaktivierung der Kernkraft aus. Das geht aus einer reprΓ€sentativen Umfrage des Vergleichsportals Verivox hervor, die t-online exklusiv vorliegt. Damit hat sich die Zustimmung zur Kernenergie in den vergangenen vier Jahren fast verdoppelt. 2018 war nur jeder FΓΌnfte dieser Meinung.
Eine andere Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag der "Augsburger Allgemeinen" geht sogar noch weiter. Hier sprechen sich 70 Prozent der Befragten fΓΌr eine LaufzeitverlΓ€ngerung aus.
Mehr als die HΓ€lfte der Befragten in der Verivox-Umfrage (54 Prozent) ist zudem der Meinung, dass die Atomkraft benΓΆtigt wird, um unabhΓ€ngiger von importierter Energie zu werden.
Experte: "Die Sorge vor hohen Energiepreisen ist sehr berechtigt"
Der Grund liegt auf der Hand: die Sorge vor den Energiepreisen. Knapp die HΓ€lfte der Befragten in der Verivox-Umfrage, immerhin 46 Prozent, gab an, sich sehr groΓe Sorgen um die Entwicklung bei den Energiepreisen zu machen. 35 Prozent der Befragten sorgen sich etwas. Nur 4 Prozent der Befragten lΓ€sst der Gedanke an hohe Energiekosten gΓ€nzlich kalt.
"Die Sorge vor hohen Energiepreisen ist sehr berechtigt", sagt Thorsten Storck, Energieexperte beim Vergleichsportal Verivox. Mit Ausbruch des Krieges in der Ukraine haben die bereits im Vorfeld stark gestiegenen GroΓhandelspreise fΓΌr Strom erneut deutlich angezogen.
Der Preis fΓΌr eine Megawattstunde zur Lieferung im kommenden Jahr liegt aktuell bei rund 187 Euro β im langjΓ€hrigen Mittel bewegt er sich zwischen 35 und 55 Euro. Mehr dazu lesen Sie hier. "In den kommenden Monaten werden das auch die privaten Haushalte in Form weiter steigender Strompreise zu spΓΌren bekommen", so Storck weiter.
Weiterbetrieb ist unwahrscheinlich
Dass tatsΓ€chlich die Atomkraftwerke weiter laufen werden, ist unrealistisch. Das Wirtschafts- sowie Umweltministerium hatten mit Blick auf den Ukraine-Krieg und fΓΌr den Fall eines Ausfalls russischer Energielieferungen geprΓΌft, ob die Kraftwerke weiter genutzt werden sollten.
Das Ergebnis: LΓ€ngere Laufzeiten seien weder sinnvoll noch vertretbar, sagte Umweltministerin Steffi Lemke (GrΓΌne) Anfang der Woche. "Einem kleinen Beitrag zur Energieversorgung stΓΌnden groΓe wirtschaftliche, rechtliche und sicherheitstechnische Risiken entgegen."
In einem gemeinsamen PrΓΌfvermerk des Wirtschafts- und Umweltministeriums heiΓt es: "Im Ergebnis einer AbwΓ€gung von Nutzen und Risiken ist eine LaufzeitverlΓ€ngerung der drei noch bestehenden Atomkraftwerke auch angesichts der aktuellen Gaskrise nicht zu empfehlen."
Deutlich realistischer ist die Verschiebung des Kohleausstiegs. Das befΓΌrworten laut Verivox aktuell sogar 42 Prozent der Deutschen. Noch vor sechs Monaten konnte sich das nur jeder Achte (12 Prozent) vorstellen.
Habeck will aber am angepeilten Kohleausstieg bis 2030 festhalten. Man treibe die Diversifizierung der LieferlΓ€nder fΓΌr Energie sowie den Ausbau der erneuerbaren Energien mit aller Kraft voran, teilte das Wirtschaftsministerium am Donnerstag mit.
Zudem wolle man Reserven fΓΌr Gas und Kohle aufbauen. "Die beste mittelfristige Antwort auf die ImportabhΓ€ngigkeit ist der Ausstieg aus der Kohle, der schrittweise bis 2030 erfolgt", hieΓ es weiter.
- Eigene Recherche
- Verivox-Umfrage
- Statement von Thorsten Storck
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und Reuters