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Wirtschaftsprognose im Krieg: Die Unsicherheit ist die neue Realität


Wirtschaftsprognose
Die Folgen des Ukraine-Krieges lassen sich kaum abschätzen

Eine Analyse von Mauritius Kloft

23.03.2022Lesedauer: 3 Min.
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Zerstörtes Einkaufszentrum in Kiew (Symbolbild): Die wirtschaftliche Unsicherheit ist seit dem Krieg hoch.Vergrößern des Bildes
Zerstörtes Einkaufszentrum in Kiew (Symbolbild): Die wirtschaftliche Unsicherheit ist seit dem Krieg hoch. (Quelle: ZUMA Wire/imago-images-bilder)

Wegen des russischen Angriffskriegs wissen Deutschlands Ökonomen nicht, wie es mit der Wirtschaft und den Preisen weitergeht. Es bleibt nur eines: Wir müssen mit der Unsicherheit des Krieges leben.

Böse Zungen behaupten gern, die Vorhersagen von Ökonomen grenzten bisweilen an Kaffeesatzleserei. Schließlich schauen die Forscher auf die vergangenen Monate und versuchen anhand der Entwicklung eine Prognose für das künftige Wirtschaftswachstum abzuleiten.

Klar: Die Unsicherheiten waren seit Anbeginn der Konjunkturprognosen da; mal irrten sich die Ökonomen, mal waren sie dichter an der Wirklichkeit.

Aber dieses Jahr ist es anders. Denn dieses Mal können Wirtschaftsforscher schlicht keine genauen Prognosen mehr treffen. So auch die Ökonomen des Münchner Ifo-Instituts.

Putins Krieg wirbelt Prognosen durcheinander

Schuld daran hat Wladimir Putin und sein Angriffskrieg auf die Ukraine vor einem knappen Monat: die größte kriegerische Auseinandersetzung in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Ifo-Forscher haben daher gleich zwei Szenarien berechnet, um die groben Kriegsfolgen abzuschätzen.

  • Im optimistischen Szenario nehmen die Ökonomen an, dass der Ölpreis von derzeit 101 Euro pro Barrel schrittweise sinkt und am Jahresende bei 82 Euro liegt. Der Preis für Erdgas sinke parallel dazu von aktuell 150 Euro pro Megawattstunde auf 108 Euro, so die Forscher.
  • Im pessimistischen Szenario gehen die Ökonomen davon aus, dass der Ölpreis zunächst weiter steigt: auf 140 Euro pro Fass bis Mai. Anschließend würde er auf 122 Euro zum Jahresende sinken. Erdgas dürfte sich in diesem Szenario bis Mai auf 200 Euro verteuern und anschließend schrittweise auf 163 Euro pro Megawattstunde sinken.

"Die Unsicherheit ist extrem"

Auch die Entwicklung der Preise lässt sich nur grob vorhersagen. Das Ifo-Institut rechnet aktuell mit einer Teuerungsrate 5,1 bis 6,1 Prozent, statt wie noch im Dezember mit 3,3 Prozent.

Timo Wollmershäuser, Ifo-Konjunkturchef, sagte bei der Ifo-Pressekonferenz, die Szenarien brauche es immer, "wenn wir im Nebel stochern". Das sei nun einmal aktuell der Fall, die Folgen des Krieges ließen sich bei Weitem nicht absehen. Auch Fuest pflichtete ihm bei: "Die Unsicherheit ist extrem."

Energieembargo hätte drastische Folgen

Die Hoffnung ist, dass die Wahrheit am Ende irgendwo dazwischen liegt. Doch die Möglichkeit eines Energieembargos, eines Lieferstopps durch die EU oder durch Russland, haben die Forscher noch gar nicht eingepreist.

Die kurzfristigen Schäden wären "weit größer", so Wollmershäuser. Mit "hoher Wahrscheinlichkeit" würde ein Energieembargo auch zu einer Rezession in diesem Jahr führen, die Wirtschaft würde also schrumpfen.

Die Folgen wären drastisch: steigende Arbeitslosigkeit, eine galoppierende Inflation, womöglich auch eine höhere Verschuldung. Doch konkret werden die Forscher nicht, können sie gar nicht. Die Unwägbarkeiten seien zu groß, so Wollmershäuser.

Viele offene Fragen

Sicherlich wäre allen Beteiligten lieber, wenn es eine klare Prognose gebe. Immerhin stützt sich der Bund auf solche Vorhersagen, auch Firmenchefs richten ihr unternehmerisches Tun teils an Wirtschaftsprognosen aus.

Doch aktuell sind nun einmal zu viele Fragen offen: Steigen die Ölpreise weiter? Wie schlägt sich das auf die Kauflaune der Deutschen nieder? Und reicht das, was die Ampelkoalition plant, um die Bürger zu entlasten?

Antworten? Gibt es nicht.

Bund solle sich nicht "allzu lange festlegen"

Mit Blick auf die Pläne der Regierung plädiert Fuest derweil dafür, sich Handlungsoptionen offenzuhalten. Die Ampel sollte befristete Hilfen beschließen, die der Bund bei Bedarf verlängern könne. Und: Gezielt sollten sie sein, "keine Gießkanne", so Fuest – und spielt auf den Tankrabatt von Finanzminister Christian Lindner (FDP) an.

Auch eine Mehrwertsteuersenkung auf Benzin und Diesel wäre zu teuer, sagte er. Das aktuell debattierte Mobilitätsgeld hält er daher ebenfalls nicht für zielführend, der Heizkostenzuschuss sei deutlich sinnvoller (lesen Sie hier, wie Deutschlands Ökonomen die Vorschläge bewerten). In jedem Fall sei es derzeit nicht der Weg, "sich allzu lange festzulegen".

Klar: Im Grunde sind wir eine unsichere Situation bereits gewöhnt. Wegen der Corona-Krise kamen so manche Entscheidungen der Politik ebenfalls überraschend. Auch hier hatte das Ifo-Institut im Frühjahr 2020 bereits mit zwei Szenarien gerechnet – einem optimistischen und einem pessimistischen.

Wann kommt wieder "Licht ins Dunkle"?

Trotzdem war die Pandemie eben eine ganz andere Situation. Denn es gab keinen Krieg in Europa, keine Tausenden Tote durch Bomben und Raketen, keine Millionen Flüchtlinge. Und auch nicht die Gefahr, dass deutsche Wohnungen kalt bleiben, weil kein Gas mehr fließt.

Zudem gilt: Trotz der Aufmerksamkeit, die aktuell auf dem Ukraine-Krieg liegt, ist die Pandemie noch nicht ausgestanden. Die hohen Infektionszahlen könnten das Wirtschaftswachstum noch hinauszögern, sagte Wollmershäuser. Einfach weil die Deutschen Angst haben, sich beim Shoppen oder Reisen anzustecken.

Der Ausblick ist daher düster, aber vor allem eines: ungewiss. "Bis wieder Licht ins Dunkle kommt", wie Wollmershäuser sagte. So bitter das ist, wir müssen es akzeptieren.

Die Unsicherheit ist in den nächsten Monaten die neue Realität. Zumindest das ist sicher.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Pressekonferenz des Ifo-Instituts
  • Ifo-Konjunkturprognose
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und AFP
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