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Corona-Sommerwelle in China: Virologe Kekulé warnt vor Virus in den Wäldern


Virologe: "Wahrscheinlich wird es zu vielen Toten kommen"


Aktualisiert am 07.06.2023Lesedauer: 4 Min.
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Passanten in Hongkong: Durch China rollt eine neue Infektionswelle.Vergrößern des Bildes
Passanten in Hongkong: Durch China rollt eine neue Infektionswelle. (Quelle: IMAGO/Foto: Frank Sorge)

In China werden bis zu 65 Millionen Corona-Infektionen erwartet – jede Woche. Was bedeutet das für uns? t-online fragte den Virologen Alexander Kekulé.

Eine Corona-Sommerwelle rollt durch China. Experten erwarten bis zu 65 Millionen Infektionen in einer Woche. Kann das für Deutschland ebenfalls gefährlich werden? Ist mit neuen Varianten zu rechnen und droht gar abermals eine Gesundheitskrise? Bei SARS-CoV-2 wissen wir: Es kann auch erst mit Verzögerung gefährlich werden. t-online hat dazu den Virologen Alexander Kekulé befragt.

t-online: Herr Kekulé, beunruhigt Sie das, was in China gerade passiert?

Alexander Kekulé: Durchaus. Sehr wahrscheinlich wird es als Folge dieser Welle in China wieder zu vielen Toten kommen.

Schon bei der letzten Welle, nachdem China seine Zero-Covid-Strategie aufgegeben hatte, war befürchtet worden, dass es zu sehr vielen Toten kommen würde. Das ist aber nicht eingetroffen, oder?

Meines Erachtens Nein. Man weiß das im Falle von China ja nie so genau, da wir keine verlässlichen Daten und Informationen erhalten. Aber die horrenden Todeszahlen, die in verschiedenen Modellrechnungen vorhergesagt wurden – es sollten bis zu 1,8 Millionen in wenigen Wochen werden –, sind sicher nicht eingetreten. Offiziell meldet China jetzt 90.000 Tote. Diese Zahl dürfte allerdings deutlich zu niedrig sein, die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen.

Abgesehen davon: Haben die Chinesen auch eine andere Definition, wen sie als Covid-Toten zählen?

Ja, Peking zählte bis vor Kurzem nur als Covid-Toten, wer in Folge eines Lungenversagens mit dem Virus verstorben ist. Damit werden diverse andere Todesarten, also etwa Leber-, Nieren- oder anderes Organversagen infolge einer Corona-Infektion nicht erfasst.

Alexander Kekule (Archivbild): Der Virologe hat das Vorgehen der Regierung bei den Grenzöffnungen kritisiert.
Alexander Kekulé (Quelle: imago images)

Alexander Kekulé ist Professor für Medizinische Mikrobiologie und Virologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. In der Corona-Pandemie machten ihn zahlreiche TV-Auftritte sowie sein MDR-Podcast "Kekulés Corona-Kompass" bekannt.

Schon in der ersten Welle sollen sich in China sehr viele Menschen in relativ kurzer Zeit infiziert haben. Ist nun Ähnliches zu erwarten?

Viele Modellierer gingen im Winter von einer Ansteckungsrate von über 90 Prozent aus. Ich meine allerdings, dass sich in der ersten Welle deutlich weniger Menschen infiziert haben. Man hat in China großen Respekt vor dem Virus, die Bevölkerung wurde ja drei Jahre lang in Angst und Schrecken gehalten.

Deshalb waren insbesondere die Älteren nach dem Ende der Zero-Covid-Strategie weiter vorsichtig und haben sich selbst geschützt. Meiner Einschätzung nach dürften sich in der ersten Welle um die 50 Prozent der Bevölkerung infiziert haben. Bei Omikron-Ausbrüchen in Hongkong und Singapur, über die wir recht gute Daten haben, lag die Infektionsquote auch nicht höher. Das bedeutet aber auch, dass die Sommerwelle in China jetzt sehr heftig ausfallen könnte. Es wäre nicht überraschend, wenn sich dort ein Drittel der Bevölkerung in den kommenden zwei Monaten ansteckt.

Bei so hohen Zahlen wird es auch die treffen, für die eine Infektion fatale Folgen haben kann …

Ja, das ist leider sicher. Nach offiziellen Angaben sollen 80 Prozent der Alten geimpft sein, aber ob das stimmt und wie gut sie durch die chinesischen Impfstoffe geschützt sind, weiß niemand.

Und es werden auch neue Varianten auftauchen?

Davon ist auszugehen. Das Virus versucht ja, neue Wege zu finden, um zu überleben. Damit werden wir sicher auch neue Varianten sehen.

Muss uns das beunruhigen?

Nein, es werden sich sehr wahrscheinlich nur neue Omikron-Untervarianten bilden, so wie das derzeit ständig überall auf der Welt passiert. Die sind oft etwas ansteckender als ihre Vorgänger und können auch Geimpfte und Genesene infizieren, aber das Virus wird dadurch nicht gefährlicher.

So gefährlich wie in den ersten Wellen der Pandemie wird dieses Virus nicht mehr werden. Aber klar ist leider auch: Für die chinesische Bevölkerung und Wirtschaft wird das ein Rückschlag, die erhoffte Erholung von der Pandemie verzögert sich noch einmal.

Diese Wellenbewegungen wird es aber immer wieder geben, also Phasen mit sehr vielen Infektionen?

SARS-CoV-2 ist immer noch dabei, sich an den Menschen anzupassen. Wie lange das noch dauern wird, wissen wir nicht. Wir können nicht einmal vorhersagen, ob Covid einmal eine saisonale Erkrankung wird, die wie die Grippe fast ausschließlich in den Wintermonaten zuschlägt. Es wäre auch möglich, dass wir regelmäßig zusätzliche Sommerwellen bekommen. Ich bin aber optimistisch, dass unser Immunsystem so oder so auch mit diesem Erreger klarkommen wird. Etwas anderes beunruhigt mich dagegen viel mehr.

Was meinen Sie?

In den vergangenen Monaten mehren sich Hinweise auf Sars-CoV-2 bei wild lebenden Tieren, zum Beispiel in den Wäldern Polens oder der USA. Dort haben sich offenbar bislang unbemerkt Reservoire für diese Viren gebildet. Die Tiere wurden wohl bereits in der Anfangszeit der Pandemie von Menschen angesteckt, dann hat sich das Virus dort weiterverbreitet und neue Varianten gebildet.

In Polen hat man solche ziemlich exotischen Varianten auch bei Nerzen in Pelztierfarmen gefunden. Wenn sie auf den Menschen zurückspringen, könnten sie schwerere Verläufe verursachen als die aktuellen Omikron-Untervarianten.

Wie schwerwiegend schätzen Sie Folgen von Long-Covid-Erkrankungen ein?

Long Covid ist die große Unbekannte dieser Pandemie. Das könnte sich mit der Abnahme schwerer und tödlicher Verläufe zu unserem größten Problem entwickeln. Wir wissen nicht, wie häufig Long Covid wirklich ist, ob es sich um eine oder um mehrere verschiedene Erkrankungen handelt und wie lange die Symptome anhalten können. Und es gibt derzeit noch keine vielversprechenden Therapieansätze.

Herr Kekulé, wir danken Ihnen für das Gespräch!

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Interview mit Alexander Kekulé
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