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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Erfahrungen in der Kindheit Trauma könnte einen Reizdarm im späteren Leben auslösen

Ein Reizdarm kann stark belasten – und die Ursachen sind oft unbekannt. Eine neue Studie zeigt: Auch traumatische Erfahrungen in der Kindheit können entscheidend sein.
Regelmäßige Bauchschmerzen, Verstopfung und Durchfall sind typische Symptome des Reizdarmsyndroms. In Deutschland ist die Erkrankung weitverbreitet. Schätzungen gehen davon aus, dass rund 10 bis 20 Prozent der Bevölkerung betroffen sind.
Die genauen Ursachen für die meist chronische Darmerkrankung sind bislang nicht abschließend geklärt. Es gibt allerdings die Vermutung, dass Stress, Angst und psychische Belastungen eine wichtige Rolle spielen könnten. Ein Forschungsteam aus China liefert mit einer neuen Studie jetzt weitere Hinweise: Wer in der Kindheit emotional misshandelt oder vernachlässigt wurde, hat ein deutlich höheres Risiko, später ein Reizdarmsyndrom zu entwickeln oder stärkere Symptome zu zeigen. Die Studie wurde im Fachjournal "BMC Gastroenterology" veröffentlicht.
Reizdarm: Psychische Belastungen verstärken die Symptome
Die Forschenden befragten insgesamt 158 Erwachsene, darunter 88 Patienten mit diagnostiziertem Reizdarmsyndrom und 70 gesunde Personen. Alle Teilnehmenden füllten Fragebögen zu Kindheitserfahrungen und aktuellen Lebensereignissen aus. Die Auswertung zeigte: Emotionale Vernachlässigung und psychische Gewalt in der Kindheit führten häufiger zur Entwicklung eines Reizdarmsyndroms im Erwachsenenalter. Zudem waren die Reizdarmbeschwerden bei diesen Personen stärker ausgeprägt.
Hinzu kam: Negative Erlebnisse im Erwachsenenleben verschlimmerten die Symptome besonders stark bei denjenigen, die schon in der Kindheit seelisch belastet waren. Dieser sogenannte Interaktionseffekt war deutlich messbar.
Die Studienautoren schließen daraus, dass Kindheitstraumata ein Risikofaktor und ein Verstärker des Reizdarmsyndroms sind.
Ursachen des Reizdarmsyndroms
Die genaue Ursache des Reizdarmsyndroms ist bis heute nicht eindeutig geklärt – es gibt jedoch viele Theorien dazu. Unter anderem wird vermutet, dass überempfindliche Darmnerven, Störungen der Darmmuskulatur, Infektionen, Antibiotika, Veränderungen der Darmflora und Entzündungen der Darmwand eine Rolle spielen könnten.
Schmerz kommt oft aus der Psyche
Auch andere Forschende kamen zu einem ähnlichen Schluss. Eine frühere US-amerikanische Studie mit über 400 Reizdarmpatienten zeigte: Wer in der Kindheit Gewalt oder sexuellen Missbrauch erlebt hatte, litt häufiger an dem Reizdarmsyndrom mit starken Bauchschmerzen. Dabei spielte die sogenannte Somatisierung eine Rolle: Das bedeutet, dass sich seelische Belastungen in Form körperlicher Beschwerden äußern.
Die Betroffenen hatten zudem erhöhte Werte bei Angst und Depressionen. All das könne zu einer verstärkten Empfindlichkeit des Darms führen, vermuten die Autoren. Als möglichen Erklärungsansatz führen sie Veränderungen im Nervensystem und ungünstige Bewältigungsstrategien an, die sich infolge von Traumata entwickeln könnten, wie ungesunde Ernährung, Alkohol- oder Drogenkonsum.
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Therapie: Wenn der Bauch die Seele braucht
Die Autoren der chinesischen Studie empfehlen daher, bei der Behandlung des Reizdarmsyndroms gezielt nach frühkindlichen Belastungen zu fragen. Denn wer in der Kindheit emotionale Gewalt oder Vernachlässigung erlebt hat, scheint für weitere Stressfaktoren besonders anfällig zu sein. Eine individuelle psychologische Betreuung könne dann womöglich hilfreich sein.
Auch andere Gesundheitsexperten sehen die Erkenntnisse zum Zusammenhang von Reizdarm und Psyche als wichtigen Hinweis für den Behandlungsalltag. Besonders Menschen mit schwerem Reizdarm profitieren unter Umständen von Verfahren wie der kognitiven Verhaltenstherapie oder aber von der Einnahme von Antidepressiva.
- biomedcentral.com: "The interaction effect between childhood trauma and negative events during adulthood on development and severity of irritable bowel syndrome" (Stand: April 2025; Englisch)
- journals.lww.com: "Somatization Mediates the Relationship Between Childhood Trauma and Pain Ratings in Patients with Irritable Bowel Syndrome" (Stand: Dezember 2024; Englisch)
- gesundheitsinformation.de: "Was hilft bei Reizdarm – und was nicht?". (Stand: Februar 2023)
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.