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EU-Gipfel in der Corona-Krise: Merkel will den Super-GAU verhindern


Merkel will den Super-GAU verhindern

Von dpa, pdi

Aktualisiert am 19.07.2020Lesedauer: 4 Min.
Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union ringen in Brüssel um ein Corona-Hilfspaket: Die Verhandlungen verlaufen zäh.Vergrößern des BildesDie Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union ringen in Brüssel um ein Corona-Hilfspaket: Die Verhandlungen verlaufen zäh. (Quelle: ap-bilder)
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Dass die Verhandlungen über das größte Finanzpaket in der Geschichte der EU hart werden dürften, war klar. Aber so hart? Für die Kanzlerin steht auf dem EU-Sondergipfel in Brüssel viel auf dem Spiel.

Gelingt es der Europäischen Union, sich auf das größte Konjunkturprogramm in ihrer Geschichte zu einigen? Auf einen Plan, der die Folgen der Corona-Pandemie zumindest abfedert? Der neue Gräben zwischen den Mitgliedstaaten verhindert? Der vielleicht sogar die Basis für eine noch engere, international noch schlagkräftigere Gemeinschaft bietet? Und kann die ausgewiesene Krisenmanagerin Angela Merkel ihrem Ruf gerecht werden?

Am späten Samstag, kurz vor Mitternacht am Abend zwei des EU-Sondergipfels in Brüssel, steht hinter diesen Fragen weiter ein großes Fragezeichen. Zum zweiten Mal werden die Verhandlungen für eine kurze Bettruhe unterbrochen. Seit rund 30 Stunden sitzen Kanzlerin Angela Merkel und die anderen 26 Staats- und Regierungschefs da schon in wechselnden Formaten zusammen und versuchen, eine Einigung über die Konfliktpunkte zu erzielen. Es geht darum, wie viel Geld es braucht, wie es vergeben wird und wer wie viel zum vermutlich mehr als 1.800 Milliarden Euro schweren Finanzpaket beitragen muss.

Höhere Rabatte und Reformauflagen

Wieder einmal wird klar, dass auch in der EU beim Geld die Freundschaft meist aufhört. Mit unverhohlenen Blockadedrohungen versuchen Länder wie die Niederlande, Ungarn und die Polen ihre Interessen durchzudrücken. Wie bei allen großen Entscheidungen in der EU gilt bei Haushaltsfragen das Einstimmigkeitsprinzip. Theoretisch könnten damit selbst Mini-EU-Staaten wie Zypern oder Malta Verhandlungen zum Platzen bringen. In der Nacht zum Samstag, nach Ende der ersten langen Verhandlungsrunde, sei die Stimmung eher düster gewesen, sagen Diplomaten.

Im Laufe des Tages kommt dann immerhin etwas Hoffnung auf. In einem Kompromisspapier schlägt Ratspräsident Charles Michel höhere Rabatte für Länder vor, die ihre jeweiligen Beiträge zum EU-Haushalt ohne Korrektur als zu hoch erachten. Schweden, Österreich und Dänemark könnten zusammen eine weitere jährliche Ermäßigung in Höhe von 100 Millionen Euro bekommen. Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte soll hingegen wie verlangt ein Einspruchsrecht gegen die Vergabe von Corona-Hilfen erhalten, wenn er Reformauflagen als nicht erfüllt betrachtet. Die ersten Reaktionen seien positiv gewesen, erklären EU-Vertreter und Diplomaten.

Doch gilt das auch für Ungarns Viktor Orban? Zusammen mit seinem polnischen Kollegen Mateusz Morawiecki ist Orban in Total-Opposition gegen ein neues Instrument, das die Vergabe der Corona- und Haushalts-Milliarden an rechtsstaatliche Standards knüpfen soll. Michel hatte den Rechtsstaatsteil in seinem Kompromissvorschlag allerdings nicht gestrichen, sondern ihn nur um wenige Klarstellungen ergänzt. Orban präsentierte daraufhin einen eigenen, komplett entzahnten Gegenvorschlag. Eine Kürzung von EU-Mitteln soll demnach nur einstimmig, also nicht ohne seine Zustimmung, beschlossen werden.

Manche fürchten schon ein Ende der EU

Merkel und die anderen Befürworter des neuen Rechtsstaatsmechanismus saßen damit in der Zwickmühle: Lassen sie die Forderung nach dem neuen Instrument fallen, müssen sie den Vorwurf fürchten, die Rechtsstaatlichkeit wirtschaftlichen Interessen geopfert zu haben. Bleiben sie hart, könnten sie für ein Scheitern des Gipfels verantwortlich sein.

Für die Kanzlerin ist das ein großes Risiko. Ihr geht es beim EU-Sondergipfel nicht nur um Milliarden gegen Corona-Krise und Massenarbeitslosigkeit. Merkel sieht in den Verhandlungen auch ein Signal im internationalen Kräftemessen mit den USA, China und Russland: Reißt sich die EU zusammen? Schafft sie die gemeinsame Kraftanstrengung? Oder scheitert alles an Einzelinteressen – selbst in der größten Krise, in der die Gemeinschaft wegen des Corona-Virus nach dem Ende der Zweiten Weltkrieges steht?

Ein Scheitern wäre auch Merkels Scheitern. Und es wäre ein denkbar schlechtes Zeichen gleich zu Beginn der bis Ende des Jahres dauernden deutschen EU-Ratspräsidentschaft – und im letzten Jahr ihrer Ära als Kanzlerin. Die EU zerstritten, zersplittert in Grüppchen wie die selbst ernannten "Sparsamen Vier" – die Niederlande, Österreich, Schweden und Dänemark. Das will Merkel unbedingt vermeiden. Manche in Berlin fürchten schon ein Ende der EU, würde dies so weitergehen.

Konflikt mit den "Sparsamen Vier"

Auch deshalb ist die Nacht nach dem Ende der Beratungen in großer Runde für Merkel noch nicht zu Ende. Gleich nach dem Abendessen lädt Ratspräsident Michel Merkel und Macron zum Gespräch im kleinen Kreis, gemeinsam mit den "Sparsamen Vier" – Österreich, Dänemark, Schweden und die Niederlande. Auch Finnland ist dabei, es hat sich im Laufe des Tages der Viererrunde angeschlossen.

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Doch zufrieden wirkt Merkel nicht, als sie anschließend um Punkt 0.36 Uhr gemeinsam mit ihrem wichtigsten EU-Berater Uwe Corsepius und der Delegation das Gipfelgebäude verlässt. Satzfragmente sind da kurz zu hören und die Worte "... wir bezahlen". Dazu sieht man eine Kanzlerin, die kurz den Kopf schüttelt.

Ein Grund für ihre Unzufriedenheit dürfte gewesen sein, dass sich der Konflikt mit den "Sparsamen Vier" und Finnland noch einmal verhärtet hat – so erzählen es französische Diplomaten. Die "Sparsamen" wollen demnach weitere Kürzungen an den nicht zurückzahlbaren Zuschüssen aus dem Konjunkturprogramm durchsetzen. Und das, obwohl Merkel und Macron sogar bereit sind, ihre Wunschsumme von 500 auf 400 Milliarden Euro zu reduzieren.

Nach einigen Anläufen für einen Kompromiss hätten die Kanzlerin und der Präsident dann das Treffen gemeinsam verlassen, heißt es. Keine guten Ausgangsvoraussetzungen für einen erfolgreichen Gipfelabschluss an diesem Sonntag.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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