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Trump, Macron, etc.: Wie viel Nelson Mandela steckt in den Staatschefs?


Politische Lichtgestalten
In diesen drei Politikern steckt ein Stück Mandela


Aktualisiert am 18.07.2018Lesedauer: 8 Min.
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Nelson Mandela war eine politische Lichtgestalt. Doch wie viel Mandela steckt in den aktuellen Staatsmännern und -frauen?Vergrößern des Bildes
Nelson Mandela war eine politische Lichtgestalt. Doch wie viel Mandela steckt in den aktuellen Staatsmännern und -frauen? (Quelle: getty-images-bilder)

Nelson Mandela gilt als politische Lichtgestalt. Und einen solchen Staatsmann könnte die Welt auch in dieser Zeit ganz gut gebrauchen. Doch gibt es da wen mit Potenzial?

Er kämpfte gegen Rassentrennung, saß als politischer Gefangener fast drei Jahrzehnte im Gefängnis, gewann den Friedensnobelpreis und wurde der erste schwarze Präsident seines Landes. Nelson Mandela wäre heute 100 Jahre alt geworden. Der 2013 gestorbene Südafrikaner gilt als herausragende Persönlichkeit des 20. Jahrhunderts und ist durch seine Vorreiterrolle im Kampf gegen die Apartheid und gegen die soziale Ungerechtigkeit in seinem Land zum Vorbild für viele Politiker geworden.

Während die Welt in immer turbulentere Zeiten schlingert, Fremdenhass und Nationalismus stärker werden, fehlen Lichtgestalten wie Mandela.

Die Welt könnte so einen Politiker erneut gut gebrauchen. Oder hat sie ihn vielleicht sogar schon? Ein Vergleich zwischen Mandela und den Führern der freien Welt, zwischen dem Friedensnobelpreisträger und Staatschefs, die in ihrer Region für ein besseres Leben kämpfen, könnte es zeigen. Eine unvollständige Bestandsaufnahme:

Donald Trump, Präsident der USA: Trump bezeichnet sich als „Dealmaker“, er selbst sieht sich aber wohl auch als Friedensstifter. Unbestreitbar: Er hat sich als erster amtierender US-Präsident überhaupt mit einem nordkoreanischen Diktator, mit Kim Jong Un, an einen Tisch gesetzt. Sie haben gesprochen: viel über die Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel – ein Riesenschritt. Weniger allerdings über die Menschenrechtsverletzungen, die das nordkoreanische Regime jeden Tag an seiner eigenen Bevölkerung verübt. Über die Hunderttausenden, die in Arbeitslagern verrotten, über die Millionen, die Hunger leiden. Und: Was wird überhaupt vom Trump-Kim-Deal bleiben? Bislang sind es Absichtserklärungen – mehr nicht.

Wo Trump aufbaut, da reißt er mindestens so viel auch ein: Mit China zettelte er einen Handelskrieg an, auch mit der EU steht der Präsident im Clinch, er crashte den G7-Gipfel der wichtigsten Industrienationen in Kanada. Ihn scheren jahrzehntealte bilaterale Abkommen nicht, stattdessen hofiert er Wladimir Putin, einen Regierungschef, der die Demokratie und Andersdenkende in seinem Land bekämpft.

Vielleicht bekommt Trump für sein Treffen mit Nordkorea sogar den Friedensnobelpreis, das spräche für einen gewissen Mandela-Faktor des Präsidenten. Allerdings hat auch die EU einen bekommen, 2012 war das. 2018 sterben tausende Menschen im Mittelmeer, Europa macht derweil seine Häfen für Seenotretter dicht. Der Preis kann also nur ein geringer Richtwert sein.

  • Mandela-Faktor: Nahe Null.

Kolinda Grabar-Kitarović, Staatspräsidentin von Kroatien: Manchmal sind es Bilder, die in Erinnerung bleiben. Auf der einen Seite der russische Präsident, der sich mit eiskalter Mimik über die vier-wöchige WM-Show freut. Auf der anderen Seite eine jubelnde Präsidentin, die mit ihren Auftritten viele Fans für ihr kleines Land gewonnen hat. Fast mehr noch als über die Auftritte der kroatischen Nationalmannschaft war nach dem verlorenen Finale von Kolinda Grabar-Kitarović zu lesen.

Patschnass, aber jeden Spieler der kroatischen Nationalmannschaft tröstend, wurde sie abgelichtet. Verlierer im Finale, trotzdem der größte sportliche Triumpf der Kroaten.

Ähnlich, wenn natürlich nicht ganz vergleichbar, muss sich Nelson Mandela gefühlt haben, als er 1995 der Mannschaft seines Landes den Pokal der Rugby-WM überreichte. Die „Springboks“ hatten zuvor Unmögliches geschafft. Sie siegten als totaler Underdog gegen das neuseeländische Team, den Turnierfavoriten. Dieser Sieg – von Hollywood verfilmt – wurde vom Staatspräsidenten auch dazu genutzt, das gespaltene Südafrika nach dem Ende der Apartheid wieder zu vereinen.

Etwas, das die kroatische Präsidentin in ihrem Land so natürlich nicht zu bewältigen hatte. Auch sonst wird Grabar-Kitarović, die überraschend 2015 zur Präsidentin ihres Landes gewählt wurde, im Ausland zwiespältig betrachtet. Ihre ehemalige Partei HDZ, aus der sie laut Verfassung als Präsidentin austreten musste, galt lange Zeit als rechtsgerichtet. In den 2000er Jahren nahm sie immer mehr liberale Haltungen ein, sie gilt heute als christdemokratisch, obwohl wieder ein Rechtsruck eingesetzt hat. Sie gilt als moderate Konservative, als gläubige Christin und patriotische Kroatin.

  • Mandela-Faktor: Kaum vorhanden.

Paul Kagame, Präsident von Ruanda: Sein offizieller Amtstitel ist Präsident, doch Kagame herrscht seit 2000 über das bitterarme zentralafrikanische Land und hat bei den letzten Präsidentenwahlen mehr als 98 Prozent der Stimmen bekommen. Das wirkt nicht wirklich demokratisch – und ist es auch nicht. Seine Leistung für sein Land hat er auf einem anderen Gebiet erwirkt: Kagame musste als Kind mit seiner Familie aus Ruanda fliehen. Er war Tutsi, eine Bevölkerungsgruppe gegen die die verfeindeten Hutu Pogrome verübten. Es kam zu Bürgerkriegen, bei denen bis 1994 mehr als eine Millionen Menschen starben. Nach einem bis heute nicht aufgeklärten Flugzeugabsturz, bei dem der damalige Präsident des Landes ums Leben kam und ein erneuter Völkermord begann, übernahm Kagame die Vizepräsidentschaft. Vorwürfe, er habe etwas mit dem Absturz zu tun, wurden später entkräftet, seine Rolle im Bürgerkrieg allerdings nie abschließend geklärt.

Dennoch schaffte es Kagame, die beiden verfeindeten Volksgruppen in Ruanda zu befrieden. Mehr noch, unter ihm gelang der Beginn eines langen Versöhnungsprozesses zwischen Tutsi und Hutu. Darüber hinaus wird ihm eine große Rolle beim wirtschaftlichen Aufschwung Ruandas angerechnet. Gleichwohl geschah dies sowohl unter Umgehung der Demokratisierung im eigenen Land als auch auf Kosten des Kongo, von dessen illegaler Rohstoffausbeutung größtenteils Ruanda profitiert.

  • Mandela-Faktor: Gering.

Emmanuel Macron, Präsident von Frankreich: Er war als Heilsbringer einer neuen Politikbewegung gestartet. Obwohl der Rechtspopulismus europaweit stark geworden ist, schaffte es der charismatische Macron mit der von ihm gegründeten liberalen Partei "En Marche", die rechtsextreme Partei "Front National" um Marine Le Pen in die Schranken zu weisen. Macron übernahm 2017 ein Frankreich, das durch wirtschaftlichen Abschwung zerrüttet und durch Terrorangriffe erschüttert war. Und er machte seine Sache gut: Er brachte Sozialreformen auf den Weg, reformierte die Wirtschaft und wurde zur Stimme Europas. Er wollte die EU umbauen und den zerstrittenen Kontinent wieder zusammenführen.

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Doch der Zauber hielt nicht lange: Die Reformen waren vielen zu unternehmerfreundlich, die Bahnreform entfesselte einen monatelangen Streik der Lokführer, Hochschulen wurden wegen neuer Aufnahmebestimmungen von Studenten besetzt.

Hoffnungsträger ist Macron immer noch. Und wenn er mit seinen frischen Ideen Europa tatsächlich reformieren kann, könnte ein ganzer Kontinent jahrzehntelang davon profitieren. Es wäre Macrons Werk.

  • Mandela-Faktor: Noch ausbaufähig.

Dean Barrow, Premierminister von Belize: Belize ist ein kleines Land in Mittelamerika mit nicht mal einer halben Millionen Einwohnern. Bis 1981 war es Teil der Kolonie Britisch-Honduras. Belize blieb von Kriegen und Bürgerkriegen, wie sie andere mittel- und südamerikanische Länder durchlebten, weitgehend verschont. Auch wirtschaftlich ging es dem Land lange besser als seinen Nachbarn – auch ein Verdienst von Dean Barrow, der seine politische Karriere 1983 im Rat von Belize City begann.

Die Schulden wuchsen, die Unzufriedenheit mit der Regierungspartei ebenfalls. 2008 wurde Barrow und seine Partei UDP mit einem deutlichem Abstand ins Parlament und er zum Präsidenten gewählt. Er war damit der erste farbige Präsident von Belize.

Mandela-Faktor: Ausbaufähig.

Ellen Johnson Sirleaf, Ex-Präsidentin von Liberia: Sie war Aktivistin, wurde verurteilt und ins Exil verbannt. Sie gewann den Friedensnobelpreis und wurde die erste weibliche Präsidentin in Südafrika. Sie gilt als hohe Moralinstanz, so hoch, dass sie als eine von sieben Personen entsandt wurde, um den Völkermord in Ruanda zu untersuchen. Das Leben von Ellen Johnson Sirleaf gleicht dem von Nelson Mandela in vielen Punkten.

Sirleaf hat keine afroamerikanischen Wurzeln, anders als die meisten aus der liberianischen Oberschicht. Ihr Vater ist vom Volk der Gola, ihr Großvater stammt aus Deutschland, ihre Mutter ist Kru. Sie studiert in Harvard, wird – wieder zurück in Liberia – Finanzministerin unter Präsident William Tolbert. Nach dessen Ermordung 1980 geht sie ins Exil nach Kenia, arbeitet für namhafte Banken im Afrika-Geschäft. Fünf Jahre später will sie für den Senat kandidieren.

Weil sie gegen das Regime ist, wird sie inhaftiert, kommt wieder frei und flieht ins Exil. In den 90er Jahren leitet sie die Entwicklungsprogramme der Vereinten Nationen für Afrika. 1997 wird sie Parteichefin der „Unity Party“ und verliert die Wahl. 2006 ist sie dann doch Präsidentin – die erste weibliche des Kontinents. Den Posten kann sie 2011 noch einmal verteidigen, Anfang 2018 tritt sie nicht erneut an.

Für ihren Kampf für die Sicherheit von Frauen und Frauenrechten bekommt Sirleaf die „Presidential Medal of Freedom“, die höchste zivile Auszeichnung der USA, und 2011 den Friedensnobelpreis – ein Preis mit Beigeschmack. Denn sie verteidigt einige Jahre später die Strafverfolgung Homosexueller.

Ein Leben ähnlich Mandelas, eine Frau die viel erlebt und viel erreicht hat: für sich und für die Frauen in Afrika. Damit wird auch nach ihrer Politikkarriere nicht Schluss sein.

  • Mandela-Faktor: Recht hoch.

Moon Jae In, Präsident von Südkorea: Donald Trump feiert sich für die zaghaften Annäherungsversuche zwischen Nordkorea und dem Westen. Dabei hat Südkorea wohl die wirkliche Arbeit hinter den historischen Treffen zwischen Trump und Kim, Wochen zuvor aber bereits zwischen Präsident Moon und Nordkoreas Diktator, geleistet. Schon bei den olympischen Spielen in Pyeongchang wurde das klar: Da starteten die beiden koreanischen Länder mit einem gemeinsamen Team. Auf der Tribüne saß Moon neben Kim Yo Jong, der Schwester des mächtigen Diktators. Es folgten gemeinsame Gespräche, später dann der gemeinsame Grenzübertritt von Kim und Moon. Der Gipfel endete mit vielversprechenden Erklärungen, die beide Seiten umsetzen wollen.

Fernab vom politischen Erfolg muss Moon das auch persönlich bewegen: Sein Vater war aus Nordkorea geflohen und arbeitet während des Korea-Krieges in einem Kriegsgefangenenlager. Moon studiert Jura, protestiert gegen eine Verfassungsänderung, fliegt von der Uni, darf nach seinem Militärdienst sein Studium aber doch noch beenden. Er eröffnet eine Kanzlei, die sich in Menschen- und Bürgerrechtsfragen engagierte. 2003 ist er Stabschef unter Präsident Roh Moo-hyun und kümmert sich nach seinem Tod um dessen persönliche Angelegenheiten. 2012 wird er wieder politisch aktiv, kündigt seine Präsidentschaftskandidatur an, unterliegt aber denkbar knapp. Besser klappt es im zweiten Anlauf, 2017 wird er als Präsident vereidigt.

Seine Regierungszeit ist noch nicht lang, trotzdem gelang bereits die historische Annäherung mit Nordkorea. Durch ihn könnte der Frieden auf die koreanischen Halbinsel Wirklichkeit werden.

  • Mandela-Faktor: Durchaus hoch.

Abiy Ahmed, Ministerpräsident von Äthiopien: Die Wirtschaft seines Landes wächst rasant – so rasant wie in keinem anderen auf der Welt. Trotzdem ist Äthiopien gezeichnet. Von der hohen Bevölkerungszahl und den ärmlichen Verhältnissen, in denen viele Menschen leben müssen. Von Analphabetismus und einer halben Million Aids-Waisen. Und von einem 20 Jahre andauernden Krieg mit seinem Nachbarn Eritrea. Weil es Uneinigkeiten über den Grenzverlauf im Nordwesten gab, wurde der Konflikt erbarmungslos geführt. Zehntausende Tote und Hunderttausende Flüchtlinge auf beiden Seiten waren die Folge. 2000 war der Krieg zwar offiziell vorbei, nicht aber die Scharmützel an der Grenze. So ging es viele Jahre lang.

Bis Anfang Juli 2018. Da teilte Äthiopiens Regierungschef Abiy Ahmed nach einem Treffen mit dem eritreischen Präsidenten Isayas Afewerki mit, dass nach jahrzehntelanger Feindschaft die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen beider Länder vereinbart wurde. Besiegelt wurde das Ganze mit einer symbolischen Geste, Fernsehbilder zeigten, wie sich die Präsidenten immer wieder um die Arme fallen. Ahmed war da gerade einmal zwei Monate im Amt und hatte sein Wahlkampfversprechen bereits eingelöst: Eine Friedenslösung mit dem Nachbarland.

Nun ist geplant, Botschaften und Grenzen wieder zu öffnen sowie Flugverbindungen wiedereinzurichten und Häfen zugänglich zu machen. Außerdem kündigte Ahmed im Juli an, sich an die Grenzen, die von einer internationalen Schiedskommission aufgestellt wurden, „vollständig“ zu halten. Aus den umstrittenen Gebieten will er seine Armee komplett zurückzuziehen.

20 Jahre lang sorgte der Konflikt der beiden Nachbarn für Flucht und Armut. Er schien unlösbar. Keine zwei Monate nach seinem Amtsantritt hat Ahmed aus Feinden anscheinend Freunde machen können. Der Weg zur Versöhnung ist noch lang. Aber die Hoffnung ist groß.

  • Mendala-Faktor: Hoch.
Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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