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FDP im Umfragetief – Djir-Sarai warnt: "Deutschland ist zu teuer geworden"


FDP-Generalsekretär Djir-Sarai
"Das hat konkrete Folgen für Deutschland"

  • Florian Schmidt
InterviewVon Florian Schmidt

Aktualisiert am 16.04.2024Lesedauer: 7 Min.
Interview
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"Wir Liberale wollen den Standort Deutschland wieder wettbewerbsfähig machen", sagt Djir-Sarai. (Quelle: Dominik Butzmann/t-online)

FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai warnt vor zusätzlichen Belastungen für die Unternehmen in Deutschland. Und erklärt, warum er fest daran glaubt, dass die Liberalen bei der Bundestagswahl 2025 zweistellig abschneiden.

Deutschlands Wirtschaft kommt nicht vom Fleck. Zwar brummt der Arbeitsmarkt, weil überall Fachkräfte fehlen. Zugleich aber warnen sämtliche Ökonomen: Dieses Jahr gibt's kein Wachstum – und wenn sich nicht schleunigst etwas ändert, wird das vermutlich auch in den nächsten Jahren so bleiben.

Einer, den das sehr umtreibt, ist FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai. Er und die Liberalen haben für sich erkannt: Ihre Ideen für eine bessere Wirtschaftspolitik können nicht nur das Land wieder fit machen, sondern idealerweise auch die FDP aus dem aktuellen Umfragetief führen.

Djir-Sarai empfängt im dritten Stock des Hans-Dietrich-Genscher-Hauses in Berlin-Mitte, der Parteizentrale der FDP. Ein großes, helles Büro, schwarzes Ledersofa, an den Wänden hängen abstrakte Malereien in Blau und Gelb, den einst klassischen Parteifarben. "Habe ich alles so gelassen, als ich hier einzog", sagt Djir-Sarai, was klingt wie: Keine Zeit für so was, gibt ja viel zu tun. Zumal in Zeiten wie diesen, die zusätzlich von der Eskalation im Nahen Osten geprägt sind, der Region, in der Djir-Sarai die ersten zehn Jahre seines Lebens aufwuchs.

t-online: Herr Djir-Sarai, Sie sind in Teheran geboren, haben das iranische Regime immer scharf kritisiert – und sagen jetzt, nach dem Angriff auf Israel: Die Iran-Politik Europas und Deutschlands war naiv. Warum haben wir uns von den Mullahs einlullen lassen?

Bijan Djir-Sarai: Wir haben in Europa nie so richtig verstanden, wie das iranische Regime funktioniert. Und deshalb haben wir unterschätzt, was dessen wahren Absichten sind: Der Iran will den Nahen Osten destabilisieren. Die Mullahs wollen Israel auslöschen. Derweil haben wir in Europa zu lange nur versucht, das Atomabkommen zu retten. Das war ein Fehler.

Sollte das Atomabkommen jetzt aufgekündigt werden?

Nein, so weit würde ich nicht gehen. Aber wir brauchen dennoch eine andere Iran-Politik, eine ganz neue Strategie, wie wir mit dem Regime umgehen wollen.

Wie sollte die aussehen?

Der wichtigste Schritt ist, die iranischen Revolutionsgardisten auf die EU-Terrorliste zu setzen. Nur so lassen sie sich direkt sanktionieren, etwa ihre Bankkonten in der EU einfrieren. Das trifft den Iran an einer empfindlichen Stelle und schmerzt mehr als etwa der Abbruch der diplomatischen Beziehungen. Uns muss eines klar sein: Das, was dort passiert, hat ganz konkrete Folgen auch für uns, hier in Deutschland.

Wie meinen Sie das?

Die Fluchtbewegungen der vergangenen Jahre, etwa aus Syrien, hängen entscheidend mit dem Agieren des Iran zusammen, der den syrischen Diktator Assad im Bürgerkrieg unterstützt hat. Grundsätzlich: Wir werden uns mehr um den Nahen Osten kümmern müssen, wenn sich die Amerikaner mehr dem pazifischen Raum und China zuwenden. Und das gelingt uns übrigens nur als wirtschaftlich starkes Land.

Genau dafür setzen Sie sich gerade besonders ein: Sie wollen die "Wirtschaftswende" und beklagen zugleich den Reformstau, so als wäre die FDP nicht seit zweieinhalb Jahren Teil der Bundesregierung. Wie erklären Sie den Bürgern Ihre eigene Untätigkeit?

Diese Formulierung ist mir zu überspitzt und sie geht am eigentlichen Kern vorbei: Die aktuelle wirtschaftliche Misere hat ihren Ursprung in den vergangenen gut zehn Jahren, die geprägt waren von CDU/CSU-geführten Regierungen. Die Merkel-Jahre waren teuer für unser Land. Damals wurden Reformen verschlafen, die unser Wachstum heute hemmen. Wir haben deshalb ein ganz klares Ziel: Die FDP will den Wohlstand in Deutschland bewahren. Wohlstand ist kein Naturgesetz, er fällt nicht vom Himmel. Wir müssen etwas dafür tun, wir müssen ihn uns erarbeiten. Dafür stehen wir, das ist unsere Aufgabe in der Koalition. Wenn das die FDP nicht macht, dann macht's keiner.

Der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck hat sich immerhin dasselbe Ziel gesetzt.

Es ist gut, dass wir die Analyse teilen. Aber die Schlussfolgerungen sind unterschiedlich: Wir Liberale wollen den Standort Deutschland wieder wettbewerbsfähig machen, die Rahmenbedingungen insgesamt verbessern. Das heißt konkret weniger Steuern und Abgaben, weniger Bürokratie, mehr Fachkräfte, bessere Arbeitsanreize, mehr bezahlbare Energie und stabile Finanzen. Dafür setzen wir uns ein. Denn Wirtschaftskraft ist die Grundlage für Wohlstand und Wehrhaftigkeit, für Freiheit und Sicherheit. Herr Habeck will einzelne Branchen mit Steuergeld subventionieren, das halten wir für wenig hilfreich.

Und wer wird sich am Ende durchsetzen?

Natürlich werden wir Kompromisse finden müssen. Das wird nicht leicht, aber das wird klappen. Denn der wirtschaftliche Aufschwung Deutschlands liegt im Interesse aller, auch in dem des Bundeskanzlers.

Tut Olaf Scholz genug, um die Wirtschaft im Land zu stärken?

Der Bundeskanzler ist gerade in China und wirbt dort nicht zuletzt für die Interessen deutscher Unternehmen.

Was sind denn Ihrer Ansicht nach die drei wichtigsten Punkte, damit es spätestens im Wahljahr 2025 wieder aufwärts geht mit der Konjunktur?

Erstens: Die Steuer- und Abgabenlast muss sinken, für die Firmen aber, auch die Mitte der arbeitenden Bevölkerung. Der Wirtschaftsstandort Deutschland ist zu teuer geworden. Deshalb setzen wir uns ein für die schrittweise Abschaffung des Solidaritätszuschlages, den eine halbe Million Unternehmen immer noch zahlen. Außerdem wollen wir die Einkommensteuer automatisch an die Inflation anpassen – also einen sogenannten Tarif auf Rädern. Zweitens: Die Bürokratie muss weiter abgebaut werden, sie lähmt unser Land.


Quotation Mark

Wir können gar nicht so viel Bürokratie abbauen, wie die EU-Kommission neue aus Brüssel nachkippt


Bijan Djir-Sarai


Wir haben da schon viel beschlossen, aber etwa mit einem Belastungsmoratorium für die nächsten fünf Jahre und der Reduzierung von Berichtspflichten für kleine und mittlere Unternehmen wäre noch viel mehr möglich. Hier ist aber auch die EU gefragt: Wir können in Deutschland gar nicht so schnell Bürokratie abbauen, wie die CDU-geführte EU-Kommission mit Ursula von der Leyen an der Spitze uns neue aus Brüssel nachkippt. Das muss endlich ein Ende haben!

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Und der dritte Punkt?

Drittens müssen wir die Arbeitsanreize verbessern, damit mehr Menschen in Arbeit kommen und Lust haben, mehr zu leisten. Der Mangel an Arbeitskraft wird die größte Gefahr für unseren Wohlstand. Deshalb schlagen wir unter anderem vor, eine begrenzte Anzahl von Überstunden steuerfrei zu stellen. Da geht aber noch mehr: Die Zuverdienstregeln im Bürgergeld müssen beispielsweise leistungsgerechter werden. Die Menschen müssen einfach wieder zu der Überzeugung gelangen: In Deutschland lohnt es sich zu arbeiten.

Soli weg, Einkommenssteuer runter, Steuervorteile für Überstunden: Wenn all das käme, kostete das den Fiskus Milliarden – zugleich muss die Regierung im Haushalt 2025 einen zweistelligen Milliardenbetrag einsparen. Wie passt das zusammen?

Deutschland hat kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem. Wenn die Regierung zwei Drittel ihres Jahresbudgets für die Sozialsysteme ausgibt, dann ist der Staatshaushalt in meinen Augen nicht gesund. Es wäre schon viel gewonnen, wenn wir in den nächsten zwei, drei Jahren nicht noch zusätzliche Sozialausgaben produzierten.

Aber gespart hätte der Finanzminister mit solch einem Moratorium noch keinen Cent.

Das stimmt, allerdings nur auf den ersten Blick. Auf den zweiten wird schnell klar: Ohne immer neue Sozialleistungen wird es attraktiver zu arbeiten. Und das hat einen doppelten Effekt. Wenn mehr Menschen aus dem Bürgergeld in Arbeit kommen, spart das dem Staat Ausgaben – und zugleich gewinnt er neue Einnahmen aus der Steuer. Ähnlich verhält es sich mit den Firmen: Wenn wir die entlasten, generiert das Wachstum, was am Ende wieder zu höheren Steuereinkünften führt.

Besonders die Sozialdemokraten sind gegen ein "Update" beim Bürgergeld, wie es die Liberalen fordern. Wie wollen Sie da eine Einigung mit dem Koalitionspartner erzielen?

Unser Sozialstaat ist eine große Errungenschaft für unser Land, ich will ihn bewahren. Aber derjenige, der arbeitet, muss immer mehr in der Tasche haben als jemand, der nicht arbeitet. Ich bin mir sehr sicher, dass das auch die Sozialdemokraten so sehen.

Ein weiterer Streitpunkt mit der SPD ist die richtige Rentenpolitik. Warum sticheln Sie und Ihre Parteikollegen da immer wieder, obwohl sich die Regierung gerade auf eine Reform geeinigt hat und obwohl Sie wissen, dass es in dieser Koalition kaum eine Anhebung des Renteneintrittsalters geben wird?

Weil es nun mal unsere Überzeugung ist. Langfristig kommen wir um ein höheres Renteneintrittsalter nicht herum. Und viele wollen auch gern länger arbeiten. Deshalb machen wir uns schon heute für eine Flexibilisierung stark. Gleiches gilt für die "Rente mit 63". Aus meiner Sicht war sie ein Fehler, darum sage ich das auch – selbst wenn wir den in der Ampel kaum korrigieren können.

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(Quelle: Dominik Butzmann/t-online)

Der Generalsekretär

Bijan Djir-Sarai kam 1976 in Teheran zur Welt und lebte die ersten zehn Jahre seines Lebens im Iran. Die Kindheitserfahrungen in der Islamischen Republik bezeichnet er als prägend für sein politisches Engagement. 1987 kam er nach Deutschland, wo bereits sein Vater studiert hatte. 1996 trat er in die FDP ein, nach seinem BWL-Studium zog er 2009 erstmals in den Bundestag ein, wo er sich als Außenpolitiker einen Namen machte. 2022 wählte ihn der Parteitag zum Generalsekretär.

Umgekehrt erwägen SPD und Grüne regelmäßig, die Schuldenbremse auszusetzen, die FDP lehnt das ebenso regelmäßig reflexartig ab. Gäbe es aus Ihrer Sicht irgendein Szenario, in dem man dieses Jahr die Schuldenbremse aussetzen könnte?

Nein, zumindest kein absehbares. Die Schuldenbremse ist eine Inflationsbremse, zudem in der Verfassung verankert und sie erlaubt nur im sehr engen Rahmen ein Aussetzen, etwa durch plötzlich auftretende Naturkatastrophen. Ja, es gibt in dieser Koalition Leute, die würden, selbst wenn ein Sack Reis umfällt, gern sofort die Schuldenbremse aussetzen. Das ändert aber nichts daran: Sie gilt und wir werden sie nicht aufweichen.

Und was ist, wenn die USA ihre Hilfszahlungen an die Ukraine einstellen und Deutschland als Geldgeber einspringen muss, um die Sicherheit in Europa zu gewährleisten?

Das ist derzeit eine rein hypothetische Frage. Sollte es tatsächlich so kommen, wäre Deutschland nicht allein gefragt, dann bräuchte es eine Antwort aller europäischer Staaten.

Blicken wir abschließend noch auf die Partei: In Umfragen ringt die FDP derzeit mit der Fünfprozenthürde – trotz der sehr vielen Vorschläge und Ideen, die Sie gerade in der Wirtschaftspolitik präsentieren. Wie sehr fürchten Sie, nächstes Jahr aus dem Bundestag zu fliegen?

Ich schaue nicht auf die Fünfprozenthürde. Ich schaue auf zehn Prozent und mehr, die wir nächstes Jahr bei der Bundestagswahl erreichen können. Ich bin überzeugt: Wir werden nächstes Jahr zum dritten Mal in Folge zweistellig abschneiden.

Was macht Sie da so sicher?

Das wichtigste Thema des Wahlkampfs wird die Wirtschaft und die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Und das verbinden die Menschen zu Recht wie kein zweites mit der FDP. Es ist unsere Bestimmung, zu diesem Thema die richtigen Lösungen zu liefern. Und das wird uns auch gelingen.

Ende des Monats laden Sie zum Bundesparteitag nach Berlin. Auf wie viel Krawall und Ampel-Bashing stellen Sie sich ein?

Der Parteitag wird nicht krawallig. Wir werden viel über die Wirtschaftspolitik beraten und überlegen, wie wir Deutschland wieder fit machen. Das ist die zentrale Herausforderung, darum geht's jetzt.

Herr Djir-Sarai, vielen Dank für dieses Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Persönliches Gespräche mit Bijan Djir-Sarai am 15. April 2024
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