TV-Duell gegen Wagenknecht Plötzlich gefriert Weidels Lächeln
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Das TV-Duell zwischen AfD-Chefin Alice Weidel und BSW-Chefin Sahra Wagenknecht offenbart deutliche Unterschiede zwischen ihren Parteien – und Schwächen vor allem bei einer Frontfrau.
Erwartet wurde die Populismus-Superschlacht: AfD-Chefin Alice Weidel traf am Mittwochabend beim Fernsehsender Welt auf BSW-Chefin Sahra Wagenknecht. Rund eine Stunde lang diskutierten die Frontfrauen der beiden "Dagegen"-Parteien miteinander.
Wie verlief das TV-Duell? Was konnte man als Zuhörer lernen, worüber ließ sich schmunzeln? Und: Wer von den beiden hat gewonnen?
Der Auftritt: Kampf der "scharfen Rhetorikerinnen"
Beide Parteichefinnen werden von Berichterstattern gerne gleichermaßen als "scharfe Rhetorikerinnen" beschrieben. Im direkten Vergleich allerdings zog Alice Weidel den Kürzeren. Wagenknecht argumentierte ihre Linien stringent durch, ließ sich weder vom Moderator noch von Weidel aus der Bahn werfen. In die Karten spielte Wagenknecht, dass Außenpolitik im Duell viel Raum einnahm, um die sich in der AfD-Führung nicht Weidel, sondern ihr Co-Chef Tino Chrupalla kümmert.
Weidel wirkte gerade bei diesen Themen nicht sattelfest und wechselte häufiger die Richtung. Zu spüren war da, wie sehr sie Machtpolitikerin ist, die sich durch Opportunismus an der Spitze der AfD hält – nicht Ideologin und Programmatikerin. Lücken, die Weidel als designierte AfD-Kanzlerkandidatin eigentlich schließen muss, bevor sie in den Bundestagswahlkampf mit seinen TV-Duellen zieht.
Das Verhältnis zueinander: Wagenknecht zeigt Weidel die kalte Schulter
Gerne hätte Weidel eine Front mit Wagenknecht gebildet. Die AfD-Chefin bewundert Wagenknecht recht öffentlich, in der Vergangenheit hat sie sich immer wieder positiv über sie geäußert. "Sie ist wahnsinnig populär und spricht besonders im Osten dieselben Wähler an wie wir", sagte sie t-online bereits im Oktober 2022, als das BSW noch nicht gegründet war. Das klang fast nach Schwärmerei.
Gerade deswegen nimmt Weidel Wagenknecht aber auch als Gefahr für die AfD wahr – und hat besonders in den vergangenen Wochen, in denen sich das BSW anschickte, aus dem Stand zur Regierungspartei in drei ostdeutschen Bundesländern zu werden, öffentlich hart gegen die Partei geschossen.
Wagenknecht hält Weidel genau das in ihrem ersten Statement vor: Als "nützliche Idiotin" für die etablierten Parteien, als "Steigbügelhalterin" und "U-Boot" habe Weidel sie und das BSW beschimpft, klagt Wagenknecht. "Das finde ich ehrenrührig."
Dennoch versucht Weidel immer wieder, Wagenknecht im Verlauf des Gesprächs für sich einzunehmen, zum Beispiel als sie dem Moderator beim Thema Russland vorwirft, es werde "uns beiden" ein Vorwurf der Russlandnähe gemacht, den sie scharf zurückweise. Wagenknecht aber zeigt ihr die kalte Schulter.
Die Außenpolitik: Differenzen beim Israel-Gaza-Krieg
Als Friedensparteien verkaufen sich AfD wie BSW. Beim Thema Russland und dem Krieg in der Ukraine sind sich die beiden Parteichefinnen denn auch größtenteils einig: Schuld an Putins Angriffskrieg hat vor allem die Nato, Schluss müsse sein mit Kämpfen.
Deutliche Unterschiede zeigen sich beim zweiten globalen Krisenherd: dem Nahostkonflikt. Weidel will ihre Partei ganz an der Seite Israels verorten: Den 7. Oktober habe sie mit ihren "jüdischen Freunden" verbracht, behauptet sie. Und zugestehen will sie Israel, was sie der Ukraine nicht zubilligt: "Jedes Land hat ein Recht auf Selbstverteidigung."
Wagenknecht hingegen bleibt ganz "Friedensfrau": Sie bezeichnet Israels Reaktion auf den Terror der Hamas vom 7. Oktober als "genauso schlimmes Verbrechen"; kritisiert Israels Regierung und Kriegsführung unter Benjamin Netanjahu; spricht über gestorbene Kinder, Frauen und Unschuldige, die nicht aus den bombardierten Regionen fliehen könnten. "Schade, dass die AfD sich so einseitig an Seite der Netanjahu-Regierung stellt", sagt sie. "Das zeigt, dass sie nicht glaubwürdig sind als Friedenspartei."
Weidel knickt daraufhin ein wenig ein. "Keine deutschen Waffen nach Israel", sagt sie. "Deutschland ist nicht in der Lage, Waffen zu liefern."
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Der irrste Moment: Weidels Lachen
Auf die Frage, wen die beiden in den USA wählen würden ("Harris oder Trump?") fängt Weidel plötzlich an zu lachen – und kriegt sich nicht mehr gefangen. Während sie weiterspricht und Trump lobt – zum Beispiel dafür, in seiner Amtszeit keine Kriege begonnen zu haben – lacht sie immer wieder los. Warum, lässt sich nicht erschließen, nicht nur Wagenknecht scheint das zu irritieren.
Die Migration: Wagenknechts Taxifahrer
Gefragt nach der restriktiven Migrationspolitik des BSW arbeitet Wagenknecht an einem plastischen Beispiel den Unterschied zur AfD heraus: Ausreisepflichtige sollten gehen, bestätigt sie, geduldete Flüchtlinge aber sollten bleiben. Sie spricht von einem Taxifahrer im Saarland, Syrer, 2015 nach Deutschland gekommen, der deutschen Sprache mächtig, mit Job, mit Haus, mit Familie gut integriert. Die AfD wolle solche Menschen wieder abschieben nach Syrien. "Ich finde, das ist doch unmenschlich", kritisiert Wagenknecht.
Weidel bestätigt: Ja, alle Syrer sollten wieder zurück in ihre Heimat. Es ist die offizielle Linie der AfD: Flüchtlinge sollen Aufenthalt nur für die absolut notwendige Zeit erhalten, nach Syrien und Afghanistan solle schon lange wieder abgeschoben werden. "Wir wollen eine qualifizierte Einwanderung haben nach ganz strengen Kriterien", so Weidel. Das Land werde durch Ausländerkriminalität aus den Angeln gehoben.
Wagenknecht weist auf die Teile in der AfD hin, die noch wesentlich weitreichendere Pläne als Weidel haben und "millionenfache 'Remigration'" fordern. "Ich finde es unverantwortlich, Leuten, die hier angekommen sind, die hier Familie haben, Angst zu machen, dass sie abgeschoben werden." Man müsse über die Menschen reden, die sich nicht integrieren wollten und gegen Regeln verstießen.
Die Extremismus-Frage: Wagenknecht treibt Weidel mit Höcke in die Ecke
Wo von "Remigration" die Rede ist, ist Björn Höcke nicht weit: Wagenknecht treibt Weidel mit den Rechtsextremisten in der AfD und ihrer eigenen opportunistischen Haltung in die Ecke. Ein Thema, das Weidel sichtbar unangenehm ist. Plötzlich gefriert ihr Lächeln.
2017 noch habe Weidel selbst Höcke aus der Partei werfen wollen, wirft die BSW-Frontfrau ihr vor. Sätzelang liest Wagenknecht vom Papier Zitate von Höcke vor: von der "wohltemperierten Grausamkeit", mit der er gegen "schwache Volkskörper" vorgehen will zum Beispiel. Weidel sei anders, sie sei kein Höcke. Aber: "Das ist, was ich Ihnen vorwerfe: Dass Sie sich von diesen Leuten einspannen lassen, weil Sie spüren, dass die Höckes in Ihrer Partei immer stärker werden", sagt Wagenknecht.
Weidel bleiben da wenig Gegenargumente. Sie versucht es zunächst mit der klassischen AfD-Strategie, einfach das Gegenteil von dem zu behaupten, was wahr ist. Bei der AfD hätten Extremisten keinen Platz, behauptet sie. Die Vertreter der Bundesregierung hingegen würden ständig die Gesetze brechen, indem sie zum Beispiel die Grenzen nicht schützten und Vereine wegen Rechtsextremismus verböten. Weidels steile These: "Die Extremisten sind in den etablierten Parteien zu finden."
Dann geht sie zum Gegenangriff über: Wagenknecht sei seit 1991 in der SED, in der PDS, dann in der Linken gewesen – und lange habe sie eine leitende Funktion in der Kommunistischen Plattform ausgefüllt. Sie habe in ihren Büchern Venezuela und Kuba gelobt und als Vorbild bezeichnet.
Wagenknecht kritisiert Weidel zunächst dafür, dass sie schlecht informiert sei. Dann räumt sie ein: Sie habe tatsächlich Venezuela und Kuba gelobt und in den 1990er-Jahren "Dinge vertreten, aus purem Trotz", die sie selbst heute für "ziemlich abenteuerlich" halte. Das aber tue sie schon lange nicht mehr, sie habe sich geändert. Und: Die von Weidel kritisierten Inhalte seien "mehr als 20 Jahre alt". Rasch kann sie das Thema wieder auf Höcke lenken und behält die Überhand.
Koalition? Plötzlich schwimmt Wagenknecht
Am stärksten schwimmt Wagenknecht bei der Frage nach einer Koalition mit der AfD. Sie will sich nicht auf ein klares Ja oder Nein einlassen, sondern kapriziert sich wieder auf Höcke: "Ich will nicht, dass so ein Mensch Verantwortung hat." Das gelte es zu verhindern. Auf diese Weise lässt sie ein Tor für die Zukunft weit offen: eine AfD ohne Höcke, das wäre dann vielleicht doch was?
Es ist eine kurzsichtige Personalisierung in einer wichtigen Frage: Denn in der AfD ist bei Weitem nicht alleine Höcke das Problem. Wagenknecht versucht hier die ständige Dämonisierung seiner Person zu nutzen – und gibt dem Rest der Partei so einen unverdienten Freibrief.
Die Siegerin des Duells
Auch wenn beide Parteichefinnen auf den ersten Blick einiges ähnlich sehen mögen, im Detail wird klar: Mindestens genauso viel trennt Wagenknecht und Weidel – und auch ihre Parteien.
Weidel versuchte, die AfD so gemäßigt zu verkaufen wie nur möglich. Für das große TV-Format war das wichtig, innerparteilich aber könnte ihr das noch Ärger bringen. Ähnlich lief es schon für Höcke nach einem TV-Duell gegen Voigt: Die Radikalen in der Partei waren gar nicht zufrieden mit ihm.
Trotz Weidels Selbstverharmlosungs-Strategie für das große Publikum arbeitete Wagenknecht deutlich heraus, wie wenig rechtsstaatlich große Teile der AfD im Vergleich zum BSW agieren. Auch argumentativ und rhetorisch ging der Sieg deutlich an Wagenknecht. Weidels Schwärmen könnte damit jetzt ein Ende haben.
- Eigene Beobachtungen im TV-Duell