Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Merz steht vor Kanzlerwahl Machtwechsel mit Zwischenstopp

Die fünfte schwarz-rote Regierung will am Dienstag ihre Arbeit aufnehmen. Eine der letzten Hürden, die der zukünftigen Regierung noch im Wege steht, ist die Wahl des Kanzlers.
Ein halbes Jahr ist der Bruch der Ampelkoalition her, Deutschland hat mittlerweile ein neues Parlament gewählt. Union und SPD haben den Koalitionsvertrag "Verantwortung für Deutschland" inzwischen unterschrieben und ihre Minister und Ministerinnen vorgestellt. Am Dienstag will die neue Regierung nun auch ihre Arbeit aufnehmen, nur noch die Wahl des Kanzlers steht der künftigen Regierung im Weg. Dann können das Kabinett und der designierte Kanzler Friedrich Merz vereidigt werden – und die Regierungsarbeit kann beginnen.
Noch am Montag um 11.30 Uhr hatte die SPD ihre sechs Minister und Ministerinnen vorgestellt. Schon im Vorfeld war klar, dass Lars Klingbeil das Amt des Finanzministers und Vizekanzlers innehaben wird. Die Union hatte ihre Minister bereits vergangene Woche vorgestellt, bevor überhaupt klar war, dass die SPD-Mitglieder dem Koalitionsvertrag zustimmen werden.
Die Bundeswehr verabschiedet den scheidenden Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) schon am Montagabend um 21 Uhr mit einem Großen Zapfenstreich. Friedrich Merz wird sich direkt am Dienstag als Nachfolger zum Bundeskanzler wählen lassen. t-online gibt einen Überblick über den Fahrplan des CDU-Chefs zur Kanzlerschaft.
Kanzlerwahl und Vereidigung des Merz-Kabinetts
Merz benötigt im Bundestag die Mehrheit aller Bundestagsabgeordneten, um Kanzler zu werden – also mindestens 316 Stimmen. Dem Bundestag gehören 328 Politiker von Union und SPD an. Trotz des dünnen Polsters gilt die Wahl von Merz im ersten Wahlgang als ziemlich sicher. In der Vergangenheit lag das Ergebnis bei der Kanzlerwahl meist unterhalb der Zahl der Koalitionssitze. Es kann aber auch andersherum laufen: 1998 hatten sechs Abgeordnete mehr für Gerhard Schröder (SPD) gestimmt, als die Rot-grüne Koalition Sitze im Bundestag hatte.
Nach seiner Wahl erhält Merz im Schloss Bellevue – ungefähr 1,5 Kilometer Luftlinie vom Bundestag entfernt – von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier seine Ernennungsurkunde. Im Anschluss muss der 69-Jährige wieder zurück in den Bundestag. Dort legt er dann vor dem gesamten Bundestag seinen Amtseid ab. Anschließend folgt die Ernennung und Vereidigung des Kabinetts. Sollte Merz die nötige Mehrheit erhalten, wird er seinen Stellvertreter Lars Klingbeil (SPD) ernennen – auch Vizekanzler genannt.
Neben vielen Gästen wird auch die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel zur Kanzlerwahl erscheinen. Merkel war lange Zeit eine Widersacherin von Friedrich Merz und ihr Verhältnis gilt als angespannt. Zuletzt hatte Angela Merkel den CDU-Vorsitzenden für seine harsche Rhetorik im Wahlkampf und die Abstimmung mit der AfD im Bundestag scharf kritisiert.
Am Nachmittag finden die ersten Amtsübergaben im Kanzleramt und in den Ministerien statt. Olaf Scholz wird Friedrich Merz dann feierlich das Amt des Bundeskanzlers übergeben. Während sich Olaf Scholz von seinen Mitarbeitern verabschieden muss, kann Friedrich Merz sie begrüßen und das Kanzlerbüro beziehen. Seine Kabinettsmitglieder werden währenddessen in den jeweiligen Ministerien empfangen und der Regierungssprecher Stefan Kornelius wird sein Amt bekleiden.
Ein angehender Kanzler unter Druck
Der angehende Kanzler ist noch nicht im Amt, aber schon unter Druck. Während der scheidende Kanzler Olaf Scholz das Kanzleramt mit schlechten Umfragewerten verlässt, wird Friedrich Merz mit historisch schlechten Zustimmungswerten in der deutschen Bevölkerung starten.
Trotzdem: Merz hat sich für die ersten Wochen einiges vorgenommen. In einem Interview mit der Funke-Mediengruppe sagte er: "Die ersten Themen, die wir anpacken werden, sind die verschärften Grenzkontrollen mit Zurückweisungen, aber auch Maßnahmen zum Bürokratierückbau und die Einführung der Aktivrente." Damit seine Regierung das schafft, möchte er den Bundestag später als geplant in die Sommerpause schicken. Eigentlich war die letzte Sitzungswoche vom 7. bis zum 11. Juli geplant, laut Merz soll nun bis tief in den Juli getagt werden.
In den Umfragen konnte die inzwischen vom Verfassungsschutz als auf Bundesebene "gesichert rechtsextremistisch" eingestufte AfD immer mal wieder mit der Union gleichziehen. In einigen Umfragen lag die AfD sogar knapp vor der Union. Die aufgeheizte Stimmung im Land möchte Merz laut eigenen Angaben bis zum Sommer beruhigen.
Ob ihm das gelingt, wird sich zeigen, denn auch in seiner eigenen Partei sind nicht alle mit dem Verhandlungsergebnis im Koalitionsvertrag mit der SPD zufrieden. Gerade die Basis, welche ihn besonders in den Kanzleramtsbestrebungen unterstützt hatte, scheint ihm gerade wegzubröckeln. Die Lockerung der Schuldenbremse entgegen den Versprechungen im Wahlkampf hat viele in der Union verärgert. Hinzu kommen Landesverbände im Osten, welche durch die Abstimmung mit der AfD die bereits labile Brandmauer zur AfD infrage stellen.
Erste Antrittsreise geplant
Wenn alles glattläuft und Friedrich Merz als Kanzler am Dienstag direkt sein Kabinett vereidigen kann, wird er aller Voraussicht nach am Mittwoch direkt nach Paris und Warschau reisen. Frankreich und Polen sind wichtige Nachbarländer und enge außenpolitische Partner Deutschlands. Die Antrittsbesuche in beiden Hauptstädten sind deshalb Tradition. Der designierte Außenminister Johann Wadephul (CDU) wird den neuen Kanzler vermutlich begleiten.
Die Reise ist insbesondere für die Europäische Union wichtig. Nach der Wiederwahl von US-Präsident Donald Trump und dem Zerfall der Ampelkoalition ist man in Brüssel gespannt, ob unter Merz ein außenpolitischer Wechsel kommen wird. Nach einem halben Jahr, in dem das bevölkerungsreichste EU-Land politisch weitestgehend stillstand, hoffen viele auf Veränderung durch den neuen Kanzler.
Direkt nach der ersten Antrittsreise des Kanzlers wird am Donnerstag im Bundestag der Befreiung von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft gedacht. Der Tag jährt sich inzwischen zum 80. Mal. Darauf dürften weitere Staatsbesuche mit seinem künftigen Außenminister folgen. Sowohl innenpolitisch als auch außenpolitisch kommen auf den künftigen Kanzler große Herausforderungen zu.
- Eigene Recherche
- Material der Nachrichtenagentur dpa
- tagesschau.de: "Warum sich Merkel und Merz nicht grün sind"
- tagesschau.de: "Wie der Machtwechsel abläuft"