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Saarland-Wahl: Absolute Mehrheit für die SPD! Wie konnte das denn passieren?


SPD-Triumph im Saarland
Wie konnte das denn passieren?


Aktualisiert am 28.03.2022Lesedauer: 5 Min.
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Anke Rehlinger: Sie wird wohl neue Ministerpräsidentin des Saarlands.Vergrößern des Bildes
Anke Rehlinger: Sie wird wohl neue Ministerpräsidentin des Saarlands. (Quelle: Lukas Barth/reuters)

Die SPD stellt nach mehr als 20 Jahren wieder den Regierungschef im Saarland. Die CDU stürzt ab, die sogenannten kleinen Parteien werden ihrem Namen gerecht. Aber was bedeutet das alles? Die wichtigsten Erkenntnisse.

Gerade einmal rund eine Million Menschen leben im Saarland. Das sind deutlich weniger als in der Region Hannover. Würde dort heute ein neuer Regionspräsident gewählt, nähme die Republik dies wohl nur eher beiläufig zur Kenntnis.

Doch ein Bundesland kann noch so überschaubar sein: Die Wahl eines Landtags ist eben wichtiger als die eines Kreistages. Sie gilt immer als Stimmungstest für die Politik in Berlin. Und sie beeinflusst natürlich auch die föderalen Machtverhältnisse, weil sie sich auf die Zusammensetzung des Bundesrates auswirkt.

Klein, aber wenigstens ein bisschen oho – das ist also das implizite Motto der Landtagswahl im Saarland.

Zumal das Ergebnis eindeutig ist: Nach mehr als 20 Jahren stellt die SPD wieder den Ministerpräsidenten, kann sogar allein regieren. Die CDU stürzt auf deutlich unter 30 Prozent ab, erzielt ihr schlechtestes Ergebnis seit über 60 Jahren – und muss in die Opposition. Die Linke schafft es genauso wie die FDP nicht in den Landtag. Die Grünen müssen noch zittern, bis das amtliche Endergebnis vorliegt.

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Was aber bedeutet das Ergebnis von Saarbrücken über das Saarland hinaus? Welche grundsätzlichen Lehren lassen sich aus dem Wahlergebnis vom Sonntag ziehen?

1. Es gibt eben doch noch echte Volksparteien

Bei der Bundestagswahl im September erlebten Union und SPD ein Desaster: Sie kamen zusammen nicht einmal mehr auf 50 Prozent – und damit auf so wenig Unterstützung wie nie zuvor. Doch auch vor einem halben Jahr war die Situation für Christ- und Sozialdemokraten im Saarland nicht ganz so schlecht. Hier kamen sie gemeinsam auf mehr als 60 Prozent.

Ein Grund für die überdurchschnittlichen Ergebnisse dürfte in ihrem sehr hohen Organisationsgrad liegen: Jeweils knapp zwei Prozent der Wahlberechtigten im Saarland waren Ende 2019 Mitlieder der SPD und der CDU – und damit weit mehr als etwa in Bayern, wo die CSU seit Jahrzehnten dominiert, oder in NRW, das lange als Stammland der SPD galt.

Mit Ausnahme von 2009 kamen CDU und SPD bei den vergangenen Landtagswahlen gemeinsam auf Werte zwischen rund 65 und fast 90 Prozent. Auch das Resultat vor fünf Jahren (CDU mehr als 40 Prozent, SPD knapp 30 Prozent) glich für beide im Vergleich zur bundesweiten Situation einem Traumergebnis.

Überhaupt zeigt die Geschichte der saarländischen Landtagswahlen, dass mal die SPD gewann, mal die CDU. Dass die Christdemokraten zuletzt deutlich vor der SPD lagen, hatte vor allem mit der Rolle von Oskar Lafontaine zu tun.

Auch wenn die Lage für SPD und CDU im Saarland besonders komfortabel ist, zeigt das Ergebnis eben auch, dass beide Parteien zumindest in weiten Teilen von Westdeutschland noch immer die größten sind. Und Anke Rehlinger kann für sich nun immerhin beanspruchen, die Ministerpräsidentin mit dem besten SPD-Ergebnis zu sein.

2. Nicht jeder Ministerpräsident ist ein Zugpferd

Eine Erkenntnis der Landtagswahlen im vergangenen Jahr lautete: Auf den Ministerpräsidenten kommt es an. Ob die Sozialdemokratinnen Malu Dreyer und Manuela Schwesig in Rheinland-Pfalz und Mecklenburg-Vorpommern oder Reiner Haseloff (CDU) und Winfried Kretschmann (Grüne) in Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg: Im Schlussspurt vor der Wahl legte die Partei zu, die den Regierungschef stellte. Es gab also implizite Direktwahlen der Ministerpräsidenten.

Bis auf Manuela Schwesig hatten allerdings alle erwähnten Amtsinhaber auch schon davor Landtagswahlen gewonnen. Der saarländische Noch-Ministerpräsident Tobias Hans kam erst 2018 ins Amt, als Annegret Kramp-Karrenbauer nach Berlin wechselte. Die Wahl am Sonntag war damit seine erste als Ministerpräsident – und er war kein echtes Zugpferd. Das zeigen auch seine im Vergleich zu anderen Länder-Regierungschefs eher mauen Zustimmungswerte.

Regierungschefs, die erstmals antreten, haben es also offenbar schwerer als jene, die schon länger im Amt sind. Sollte sich diese Regel bestätigen, wären das nicht ganz so gute Nachrichten für Hendrik Wüst (CDU), der erst seit wenigen Monaten NRW-Ministerpräsident ist und bald eine Wahl bestehen muss. Es wäre allerdings eine Beruhigung für Daniel Günther (CDU) und Stephan Weil (SPD), die im Mai und Oktober als Regierungschefs von Schleswig-Holstein und Niedersachsen bestätigt werden wollen.

3. Interner Streit zerstört die Glaubwürdigkeit

Grüne, Linke und FDP lagen bereits in den Umfragen jeweils bei rund fünf Prozent. Besonders die Linke, die 2009 noch weit über 20 Prozent holte, machte zuletzt nur noch negative Schlagzeilen: Kurz vor der Wahl kündigte Oskar Lafontaine an, die Partei zu verlassen, nachdem er sie einst mitgegründet hatte. Lafontaine war – damals noch als SPD-Mitglied – von 1985 bis 1998 selbst Ministerpräsident in Saarbrücken und dominierte zu dieser Zeit die Politik vor Ort nach Belieben. Sein Spitzname lautete nicht umsonst "Napoleon von der Saar".

Bei den Grünen sorgte ebenfalls ein langjähriger Landesparteichef für Unruhe. Hubert Ullrich zettelte 2021 dermaßen Chaos an, dass es zur Bundestagswahl keine rechtsgültige Liste gab. Die Grünen waren schlicht nicht mit der Zweitstimme wählbar. Auch wenn die Partei nun etwas besser abschnitt als bei der Landtagswahl 2017, ist das im Vergleich mit anderen Ländern bescheidene Ergebnis auch eine Quittung für die selbstverschuldete Unruhe.

Linke und Grüne verbindet, dass dort zuletzt Machtkämpfe tobten, die schon seit Langem schwelten. Kaum etwas macht Parteien für die Wähler aber so unattraktiv wie Zerstrittenheit.

Das musste bereits vor rund zehn Jahren auch die FDP erfahren: Nachdem die damalige Regierungschefin Annegret Kramp-Karrenbauer wegen der chaotisch agierenden Liberalen vor Ort das Jamaika-Bündnis beendete, landete die Partei bei der folgenden Wahl nur bei 1,2 Prozent. Auch 2017 scheiterte sie deutlich an der Fünfprozenthürde. Zwar lief es dieses Mal besser, aber vom Ergebnis 2009 (9,2 Prozent) ist die Partei weit entfernt.

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4. In Berlin muss niemand in Panik verfallen

Für das Saarland kommt der Regierungswechsel nach mehr als 20 Jahren einem Rumms gleich, für die Bundespolitik bedeutet er aber eher ein leises Rumpeln. Die SPD ist natürlich froh, der Union nach so langer Zeit einen Ministerpräsidenten-Posten abgenommen zu haben – und dann auch noch mit einem so deutlichen Ergebnis. Von Saarbrücken geht damit auch das Signal aus: Die Sozialdemokraten brauchen keine Gegner, die sich wie bei der Bundestagswahl selbst zerlegen, um zu gewinnen.

Ähnlich positiv ist die Bedeutung der Landtagswahl für die Ampel insgesamt: Alle Parteien der Berliner Koalition haben zugelegt, wenn auch unterschiedlich stark. Häufig werden regionale Wahlen dazu genutzt, Regierungen auf Bundesebene abzustrafen.

So bitter der Absturz für die CDU im Saarland auf ihr schlechtestes Ergebnis seit mehr als 60 Jahren auch ist, der neue Parteichef Friedrich Merz muss keine Konsequenzen aus dem Ergebnis fürchten. Er ist erst seit Januar im Amt und verlieh der Union im Bundestag zuletzt eine hörbare Oppositionsstimme – und damit wieder Selbstbewusstsein. Seine Bilanz bleibt deshalb positiv.

Aber die Schonfrist für Merz ist nun wohl vorüber. Bei den anstehenden Landtagwahlen in Schleswig-Holstein (8. Mai) und im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen (15. Mai) muss die CDU punkten. Denn dort sind ebenfalls Christdemokraten Ministerpräsidenten. Und der Trend vom Sonntag ist zumindest nicht vielversprechend.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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