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Baerbocks Taurus-Ringtausch mit London? "Ein Rohrkrepierer"


Taurus-Plan von Baerbock
"Ein Rohrkrepierer"


Aktualisiert am 14.03.2024Lesedauer: 5 Min.
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Außenministerin Baerbock und ihr britischer Amtskollege Cameron geben eine Pressekonferenz: Zuvor hatte es Spannungen zwischen Deutschland und Großbritannien gegeben.Vergrößern des Bildes
Außenministerin Baerbock und ihr britischer Amtskollege Cameron: Die Grünen-Politikerin will das Scholz-Veto gegen Taurus offenbar nicht akzeptieren. (Quelle: Bernd von Jutrczenka/reuters)

Weil Scholz der Ukraine keine Taurus liefern will, soll ein Ringtausch der Ukraine helfen. Doch selbst die Befürworter trommeln nur mit halber Kraft. Damit steht eigentlich schon fest: Daraus wird nichts.

Es war das zweite Mal in seiner Amtszeit, dass der deutsche Bundeskanzler den Joker zog. "Ich bin der Kanzler, und deshalb gilt das", sagte Olaf Scholz (SPD) vor wenigen Tagen vor einer Schülergruppe und zementierte damit sein Veto gegen eine Lieferung deutscher Marschflugkörper an die Ukraine.

Scholz verwies auf seine Richtlinienkompetenz, wie er es zuvor erst ein Mal gemacht hatte, als sich Robert Habeck (Grüne) und Christian Lindner (FDP) Ende 2022 wegen deutscher Atommeiler rauften. Scholz, ansonsten kein Freund der Basta-Politik, sah sich offenbar gezwungen, in der teils hochemotional geführten Taurus-Debatte einen Pflock einzuschlagen, der Zweifel zerstreuen soll und klarmacht: Der deutsche Regierungschef hat entschieden, und jetzt ist Ruhe im Karton.

Doch das Kanzlermachtwort verhallte schnell. Der Grüne Anton Hofreiter warf Scholz gemeinsam mit CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen wenig später in einem Gastbeitrag vor, in der Taurus-Frage "Angst und Schrecken zu verbreiten". Die Union drohte dem Kanzler gar mit einem Untersuchungsausschuss und versucht, mit einem erneuten Taurus-Antrag am Donnerstag die Ampelreihen zu spalten – teilweise mit Erfolg. Scholz' dünnhäutiger Auftritt am Mittwoch im Bundestag, wo er von den Abgeordneten zum Taurus gegrillt wurde, könnte dem sogar noch Vorschub leisten.

Verbündete erhöhen Druck auf Scholz

Auch von den Verbündeten steigt der Druck auf den deutschen Kanzler. Neben Frankreichs Staatschef Macron, der plötzlich den Antreiber Europas spielt, schalteten sich auch die Briten in die Taurus-Debatte ein. In einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" hatte sich der britische Außenminister David Cameron kürzlich für einen Ringtausch mit Großbritannien offen gezeigt.

Bei dem Tauschgeschäft würden die Deutschen eine bestimmte Anzahl an Taurus-Waffen nach London liefern, während die Briten im Gegenzug weitere Marschflugkörper vom Typ Storm Shadow an Kiew abgeben. Rund 400 dieser Lenkwaffen sollen die Briten bereits geliefert haben.

Ausgerechnet die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) verlieh dem Vorstoß eine gewisse politische Schlagzahl, als sie bei "Caren Miosga" – offenbar unabgesprochen mit Scholz – den Ringtausch als "Option" bezeichnete. Das nächste Veto des Kanzlers dauerte keine 24 Stunden. Eine Taurus-Lieferung gebe es "weder direkt noch indirekt", so Scholz am Montag. Der Kanzler versuchte einmal mehr, die Debatte abzubinden.

Lenkungswirkung nahe Null

Dass dies überhaupt nicht klappte und Taurus das bestimmende Thema auch dieser Woche wurde, zeigt einerseits wie im Brennglas, wie wenig Lenkungswirkung der Kanzler mittlerweile auf die öffentliche Debatte hat. Verstärkt wird dieser Eindruck andererseits noch dadurch, dass beim Ringtausch selbst bei den Befürwortern kaum Begeisterung aufkommt.

Zugespitzt: Scholz schafft es derzeit nicht einmal, eine Debatte abzuwürgen, die sowieso kaum jemand will.

Wie gering die Zustimmung zum Ringtausch ist, zeigt sich bereits daran, dass selbst die glühendsten Verfechter einer Taurus-Lieferung auffallend schmallippig werden. So nannte CDU-Chef Friedrich Merz den Ringtausch nur "die zweitbeste Option" und auch sein Parteikollege, der wortgewandte Außenpolitiker Roderich Kiesewetter, will lieber einen "richtigen" Ringtausch mit der Taurus-Nation Südkorea, damit die Ukraine auch wirklich die effektivsten Systeme statt der leistungsschwächeren Storm Shadow erhalte.

"Höchst bedenklich"

Auch bei den Taurus-Freunden in der Ampel wird nur mit halber Kraft getrommelt. "Bevor gar keine Marschflugkörper geliefert werden, ist es aber immer noch besser, der Ukraine im Rahmen eines Ringtauschs Storm Shadow zur Verfügung zu stellen", sagt der Grünen-Politiker Anton Hofreiter t-online.

Wichtiger sei es jedoch, dass die Bundesregierung die Ukraine direkt mit deutschen Taurus-Systemen beliefere, um die Versorgungslinien der russischen Streitkräfte in der besetzten Ukraine zu kappen. Es sei "höchst bedenklich, dass der Bundeskanzler das offensichtlich nicht möchte", so Hofreiter.

"Typisch deutsche Scheindebatte"

Auch bei der FDP findet die Idee kaum Anklang. Der verteidigungspolitische Sprecher der Liberalen im Bundestag, Alexander Müller, nennt die Debatte einen "Rohrkrepierer". Die Ukraine bräuchte die Taurus-Systeme vor allem, um Ziele weit hinter der Front zu treffen, wozu britische Storm Shadow nur begrenzt in der Lage seien. Großbritannien wiederum könne wenig mit den deutschen Marschflugkörpern anfangen, weil sie bisher nicht an britische Eurofighter angebracht werden könnten.

In der Kanzlerpartei stößt das ungleiche Tauschgeschäft mit den Briten erwartungsgemäß ebenfalls auf wenig Gegenliebe. Der SPD-Bundestagsabgeordnete und ehemalige Drohnenpilot Johannes Arlt nennt den Ringtausch eine "nutzlose Debatte", die niemandem wirklich etwas bringe. "Wir würden die Briten mit State-of-the-Art-Material der Bundeswehr versorgen, während die Ukrainer die wesentlich weniger leistungsfähigen Storm Shadow erhalten."

Der SPD-Politiker nennt den Ringtausch eine "typisch deutsche Scheindebatte", die nach dem Muster ablaufe: "Es ist schon alles gesagt, aber nicht von mir."

Der Ukraine rennt die Zeit davon

Auch der militärische Nutzen eines Ringtauschs ist Experten zufolge begrenzt. Für Fabian Hoffmann von der Universität Oslo ist er immerhin die "beste Option unter schlechten Alternativen", wenn die Alternativen hießen, dass die Ukraine weder den Taurus noch andere Marschflugkörper erhalte. Taurus und Storm Shadow seien zwar ähnliche Systeme, aber wegen seiner hohen Reichweite von über 500 Kilometern und seines präziseren Zünders sei der Taurus die überlegenere Waffe.

Hoffmann warnt, dass die Zeit für die Ukraine ablaufe. Von den rund "400 bis 600" britischen Storm Shadow und französischen Scalp-Flugkörpern sei ein großer Teil bereits verschossen. Der Experte schätzt die monatliche Verbrauchsrate auf 30 bis 50. Seinen Berechnungen zufolge sind die ukrainischen Marschflugkörperarsenale Ende des Jahres oder Anfang 2025 erschöpft. Wenn Deutschland schon keine Taurus direkt schicke, könnte ein Ringtausch zumindest die "Nachhaltigkeit des Arsenals" erhöhen, so Hoffmann.

Ohne die weit reichenden Waffen aus dem Westen werde es für die Ukrainer schwierig bis unmöglich, "Hochwertziele im Hinterland" wie Munitions- und Logistikdepots zu zerstören, sagt Hoffmann. Doch sei das in der jetzigen Kriegslage besonders wichtig, in der die Russen die Oberhand gewännen und ein Kollaps der ukrainischen Front immer wahrscheinlicher werde. Marschflugkörper seien keine "Gamechanger", aber könnten das Vorrücken der russischen Kriegsmaschine verlangsamen und zugleich weitere ukrainische Offensiven vorbereiten.

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Cameron wollte Scholz "aus der Patsche helfen"

Hoffmanns Warnung wird wahrscheinlich verpuffen. Die politische Rückendeckung für den Ringtausch scheint so gering, dass es unwahrscheinlich ist, dass es am Ende zu einem Tauschgeschäft mit den Briten kommen wird. Auch wenn das Auswärtige Amt laut einem "FAZ"-Bericht offenbar weiter daran festhält. Mit "besser als nichts" lassen sich politische Debatten zwar führen, aber nicht gewinnen.

Dass die Idee überhaupt durch das politische Berlin geistert, liegt wohl eher daran, dass das Lager der Kanzlerkritiker versucht, die Taurus-Debatte irgendwie am Köcheln zu halten. Der verteidigungspolitische Sprecher der FDP, Alexander Müller, vermutet hinter dem Vorstoß des britischen Außenministers vor allem politische Motive: "Cameron wollte Kanzler Scholz womöglich aus der Patsche helfen, der mit seinem Taurus-Nein unsere Verbündeten immer stärker verunsichert."

Dass ein Ringtausch in Deutschland ernsthaft diskutiert werde, zeige, wie "absurd" die Debatte hierzulande mittlerweile sei, so Müller: "Wenn der Kanzler deutsche Soldaten komplett heraushalten will, sollte er die Briten fragen, ob sie die Programmierung der Taurus für die Ukraine übernehmen."

Zu der Idee gibt es noch kein Kanzler-Veto. Doch man kann sich ausmalen, was Scholz wohl davon hält.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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