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Tagesanbruch: Türkei und Ukraine – Zwei Wahlen, zwei gefährliche Welten


Was heute wichtig ist
Ein deutliches Signal gegen Erdogan

MeinungVon Florian Wichert

Aktualisiert am 01.04.2019Lesedauer: 7 Min.
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Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
Recep Tayyip Erdogan bei der Pressekonferenz am Abend.Vergrößern des Bildes
Recep Tayyip Erdogan bei der Pressekonferenz am Abend. (Quelle: Lefteris Pitarakis/dpa-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages – heute von mir als Stellvertreter von Florian Harms:

WAS WAR?

Zwei Länder stehen nach ihren Wahlen am gestrigen Sonntag im Fokus: Die Türkei mit ihren Kommunalwahlen und die Ukraine mit ihrer Präsidentschaftswahl.

Zwei unterschiedliche Länder, zwei verschiedene Wahlen – und doch gibt es eine große Gemeinsamkeit: Beide stecken in einer schlimmen Krise. In beiden Ländern wächst der Wunsch nach Veränderung. In beiden Ländern hängt von der jeweiligen Wahl wahnsinnig viel ab.

Nehmen wir die Türkei: Das Land ist in der Rezession, die Arbeitslosenquote liegt nach offiziellen Angaben mittlerweile bei 13,5 Prozent. Die Zahl ist damit innerhalb eines Jahres um eine Million angestiegen, die Inflation um unglaubliche 20 Prozent. Die Lira hat also massiv an Wert verloren. Lebensmittel sind nun besonders teuer. Die Löhne haben sich dagegen kaum verändert. Nach der Wahl drohen weitere drastische wirtschaftliche Einschnitte. Ein großes Dilemma. Für viele Türken geht es um existenzielle Fragen, beispielsweise wie sie ihre Familie versorgen sollen. Türkei-Experte Kristian Brakel, Leiter der Heinrich-Böll-Stiftung in Istanbul, hat das Ausmaß der Krise bei t-online.de erklärt.

Für Präsident Erdogan galten die Wahlen als Stimmungstest, weil es um die Vormachtstellung seiner Partei insbesondere in Istanbul und Ankara ging. Das Ergebnis: Seine Partei, die AKP, hat deutliche Einbuße hinnehmen müssen. Ein Signal gegen Erdogan. Der schiebt natürlich weiterhin die Schuld an der Wirtschaftskrise auf das Ausland oder die Opposition. Immerhin merken langsam viele Bürger, dass es nicht nur daran liegen kann. Der Präsident ist angeschlagen – aber ein Ende seiner Macht ist noch lange nicht in Sicht. Erdogan hat noch aus jedem Rückschlag irgendwie Profit herausschlagen können und am Ende noch mehr Einfluss gewonnen.

Nehmen wir die Ukraine, die mindestens genauso krisengeschüttelt ist.

Können Sie sich Stefan Raab als Bundeskanzler vorstellen? Oder Dieter Nuhr? Oder Bastian Pastewka? Ich möchte gar nicht erst mit Atze Schröder kommen. Was in Deutschland absurd klingt, ist in der Ukraine Realität. Dort steht der Komiker Wladimir Selenski tatsächlich vor der Wahl zum neuen Präsidenten. Selenski hat es gestern bereits in die Stichwahl gegen Amtsinhaber Poroschenko geschafft – und ist dabei am 21. April nun sogar Favorit.

Es ist kaum zu glauben: Selenski hat große Teile der Bevölkerung überzeugt – ohne ein wirklich belastbares Programm und ohne jegliche Erfahrung in der Politik. Eine Witze-Tour und eine erfolgreiche TV-Show reichten ihm. In "Diener des Volkes" spielte er kurioserweise bereits das Staatsoberhaupt, wie Sie im Video meiner Kollegen Philip Friedrichs und Melanie Lueft sehen.

Ein Land am Abgrund – und jetzt auch noch ein Komiker an der Spitze?

Die Ukraine ist gebeutelt von Russland-Krieg, Korruption und einer wirtschaftlichen Dauerkrise – von Anschuldigungen und Verwicklungen des alten Präsidenten Poroschenko. Laut IWF-Statistiken ist es das ärmste Land Europas. Die Regierung scheiterte mit geplanten Privatisierungen. Nur mühsam erkennt man positive Entwicklungen seit der von Europa und den USA unterstützten Maidan-Revolution 2014. Einen Staatsbankrott beispielsweise konnten die Ukrainer zumindest verhindern.

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Selenski in der Stichwahl um das Präsidentenamt? Das zeigt vor allem eines: Die riesige Sehnsucht nach Veränderung. Dass es den Leuten fast egal ist, wo der frische Wind herkommt. Hauptsache, es ändert sich etwas Grundlegendes.

Gewinnt Selenski erwartungsgemäß, hat er zumindest eine Chance: Viel schlimmer kann es in der Ukraine nicht mehr kommen.


Für sie kamen schon 20.000 Menschen zur Bühne am Brandenburger Tor. Sie wird bei Auftritten von Personenschützern abgeschirmt. Sie wird überall mit Sprechchören gefeiert. Und sie gewann am Wochenende einen Sonderpreis bei der "Goldenen Kamera" und hielt eine Rede, die einige Zuschauer zu Tränen rührte. Sie ist 16 Jahre jung und für viele ein Popstar.

Nein, die Rede ist nicht von einer Musikerin, nicht von einer Schauspielerin und auch nicht von einem YouTube-Star. Sondern von Greta Thunberg, der schwedischen Klimaaktivistin, die die Bewegung "Fridays for Future" weltweit ins Leben gerufen und Millionen Jugendliche für Demonstrationen mobilisiert hat. Am Wochenende hat sie eine neue Stufe der Popularität in Deutschland erreicht.

Eine Klimaaktivistin als Popstar – das ist ungewöhnlich. Und sagt etwas über unsere Gesellschaft aus. Jugendlichen wird oft Politikverdrossenheit, Gleichgültigkeit oder gar eine Verrohung der Sitten nachgesagt. Gut, dass das offenbar nicht auf alle zutrifft.


WAS STEHT AN?

Immer die gleichen Sieger? Nichts ist langweiliger. Das gilt für Wahlen in der Politik genau wie beim Mensch-ärgere-Dich-nicht-Spielen mit der Familie.

Oder beim Fußball. Und wenn Sie sich ein wenig dafür interessieren, dürfen Sie sich auf eine spektakuläre Woche und eine große Berichterstattung bei t-online.de freuen.

Die Bundesliga und das Rennen um die Meisterschaft sind spannend wie seit Jahren nicht. Nach sechs Titeln in Folge für Bayern könnte mit Borussia Dortmund endlich mal ein anderer Verein jubeln. Dortmund liegt vorn und muss am Samstag nach München – zum direkten Duell. Die Verantwortlichen haben mit der psychologischen Kriegsführung schon jetzt begonnen.

Kann Dortmund in München gewinnen? Darum geht es im "Zweikampf der Woche" mit Heiko Ostendorp. Ich behaupte: Vier Argumente sprechen eindeutig für den BVB. Eines davon: Die Dortmunder scheinen in dieser Saison die wahren Bayern zu sein.


Dieser Entwurf könnte Leben retten und die Gesundheitspolitik revolutionieren: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und Co. stellen ab 10 Uhr den ersten Gesetzesentwurf für neue Organspende-Regeln vor. Ein Entwurf ist für eine "doppelte Widerspruchslösung". Demnach gilt jeder als Organspender, man soll dazu aber noch "Nein" sagen können. "Nein" können sonst auch Angehörige sagen. Deshalb also "doppelt".

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Besonders gut "Nein" sagen können: die Brexit-Briten. Florian Harms war bei der "politischen Bankrotterklärung" in London vor Ort, also beim dritten "Nein" des Parlaments zum angedachten Deal von Premierministerin Theresa May. Auch heute wird im Parlament heiter weiter debattiert – über mögliche Brexit-Alternativvorschläge und eine Online-Petition für einen Verbleib in der EU. In den vergangenen Tagen hatten mehr als sechs Millionen Briten die Petition unterzeichnet. Die Regierung sagte zu einer möglichen Rücknahme der Austrittserklärung allerdings schon: "Nein". Sie fühle sich weiter an das Referendum von 2016 gebunden, bei dem eine knappe Mehrheit für den Brexit gestimmt hatte. Gegen 21 Uhr soll mal wieder abgestimmt werden. Nicht unwahrscheinlich, dass am Ende wieder ein "Nein" steht.

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Smarte Roboter, neue Geschäftsmodelle, schnelles Internet – das sind Dinge, mit denen man Angela Merkel nicht unbedingt in Verbindung bringt. Eigentlich. Seit einigen Monaten arbeitet die Bundeskanzlerin allerdings gegen den Vorwurf an, die Bundesregierung habe unter ihrer Führung das Thema Digitalisierung verschlafen. Heute eröffnet sie mit einem Rundgang die Hannover Messe mit rund 6.500 Ausstellern unter dem Motto "Industrial Intelligence". Trotz der Bemühungen: Die Digitalisierung hat die Regierung natürlich trotzdem verschlafen.


Und noch mehr Termine:

  • Polizei und Staatsanwaltschaft informieren heute über den Ermittlungsstand, nachdem Ende Dezember vier junge Männer aus Afghanistan und dem Iran in der oberpfälzischen Stadt Amberg zwölf Passanten attackiert und verletzt haben sollen.
  • EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ist heute bei einer Sondersitzung des saarländischen Landtags in Saarbrücken zu Gast.
  • Am morgigen Dienstag beginnt der Prozess um die Neckermann-Pleite aus dem Jahr 2012. Der Insolvenzverwalter verlangt knapp 20 Mio. Euro von ehemaligen Managern. Die große Frage: Zu welchem Zeitpunkt hätte die Führung die Insolvenz erklären müssen?

WAS LESEN ODER ANSCHAUEN?

In Marokko ist der Islam Staatsreligion. Fast alle etwa 35 Millionen Menschen dort sind Muslime. Doch es leben auch Christen in Marokko. Laut Vatikan etwa 23.000. Die Mehrheit von ihnen sind Zugezogene. Papst Franziskus hat Marokko nun einen zweitägigen Besuch abgestattet, um Mut zu machen. "Die Christen sind in diesem Land nur eine kleine Minderheit. In meinen Augen stellt diese Tatsache aber kein Problem dar", sagte er grundsätzlich. Das ist aber leider völlig oberflächlich.

Sie sind Fremde in ihrem eigenen Land. Vor zwei Jahren drohte ihnen sogar noch die Todesstrafe. Sie müssen ihre Religion verstecken und ihren Glauben heimlich praktizieren. Sandra Sperling und Arno Wölk erzählen deshalb in einem Video von den Betroffenen und einem Leben unter ständiger Bedrohung.


Weil die Ära Merkel nun bald zu Ende gehen wird, darf man schon mal die Frage aufwerfen, was von ihr bleiben wird? Jonas Schaible hat das getan. Ihm ist vor anderthalb Jahren in Merkels Reden und Handeln ein Leitmotiv aufgefallen. Er hat festgestellt: Die Bundeskanzlerin arbeitet seit Monaten intensiv an ihrem Erbe. Wie das aussehen soll, erfahren Sie hier.


Neue Regeln auf Mallorca, das Aus für ein soziales Netzwerk, und für manche Bundesbürger gibt es mehr Geld vom Staat – wenn sie es rechtzeitig beantragen. Claudia Hamburger hat für Sie zusammengetragen, was sich ab April für Verbraucher ändert.


WAS KÖNNTE SIE AMÜSIEREN?

"In den April schicken" – haben Sie auf dem Schirm, wo diese Redewendung und der Aprilscherz überhaupt herkommen?

Eine Theorie geht auf eine Kalenderreform von Karl IX. in Frankreich zurück. Der verschob 1564 den Jahreswechsel vom 1. April auf den 1. Januar. Alle, die aus Unwissenheit oder Tradition weiter am 1. April Neujahr feierten, wurden als Narren verspottet. Es gibt aber noch mindestens drei weitere Theorien.

Wie auch immer: Wenn Ihnen noch die passende Idee fehlt, um jemanden in den April zu schicken: Hier gibt es 12 Tipps – vom Drucker mit angeblicher Sprachfunktion bis zum ekligen Käfer im Lampenschirm, der gar nicht echt ist.

Ich wünsche Ihnen einen lustigen Start in die Woche. Morgen schreibt wie gewohnt Florian Harms den Tagesanbruch.

Ihr

Florian Wichert
Stellvertretender Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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