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Tagesanbruch: Fraktionsvorsitzende im Bundestag – alle straucheln, einer gewinnt


Was heute wichtig ist
Alle straucheln, einer gewinnt

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 09.04.2019Lesedauer: 6 Min.
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Fraktionsvorsitzende der Bundestagsparteien.Vergrößern des Bildes
Fraktionsvorsitzende der Bundestagsparteien. (Quelle: Benjamin Springstrow/t-online.de-Montage)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

Herr Trump verliert mal wieder zwei wichtige Mitarbeiter und die USA drohen der EU mit neuen Strafzöllen, aber wir schauen heute Morgen trotzdem woanders hin:

WAS WAR?

Der Preis für die Untertreibung des Monats geht an das US-Regionalkommando Afrika. Aufgrund "gesteigerter Unruhe" habe man ein Kontingent "vorübergehend verlegt", um auf die "Sicherheitslage am Boden" zu reagieren. Gemeint ist: Unter Hochdruck wurden US-Soldaten aus einer fremden Hauptstadt evakuiert, die von einer Armee von Milizionären angegriffen und zugleich von einem wilden Sammelsurium anderer Milizen verteidigt wird, während eine weitere Milizionärs-Armee herbeieilt, um der ersten Armee in die Flanke zu fallen. Ja, Sie haben es vielleicht erraten: Bei so viel chaotischem Schlachtenlärm kann es nur um Libyen gehen.

Die Konfliktlinien innerhalb des gescheiterten Staates in Nordafrika mögen verwirrend sein, aber dass sie uns etwas angehen, haben wir inzwischen auf die harte Tour gelernt. Zum einen hängen wir bis zum Hals mit drin. Schließlich hat die Nato dort erst die Truppen von Diktator Gaddafi in Grund und Boden gebombt und das Land anschließend der Anarchie überlassen. Deutschland hat dazu immerhin Jein gesagt. Zum anderen stechen in Libyen viele Schlauchboote von Flüchtlingen in See. Migration nach Europa und Winkelzüge libyscher Warlords sind zwei Seiten einer Medaille.

Wir sollten uns deshalb dringend dafür interessieren, wer jetzt vor den Toren der Hauptstadt Tripolis zum Showdown erschienen ist: die "Libysche Nationalarmee". Es ist fast schon selbstverständlich, dass sich hinter dem offiziösen Namen nicht die Armee der international anerkannten Regierung verbirgt – sondern eine Truppe, die gegen sie kämpft. Chef dieser Armee ist General Chalifa Haftar, der mächtigste Warlord des Landes, der seine Basis im Osten Libyens hat. Vor einigen Wochen hat er die Ölfelder im Süden erobert, jetzt setzt er zum finalen Schlag an, der ihn endgültig auf den Chefsessel befördern soll. Unterstützt wird er von Saudi-Arabien, den Emiraten und Ägypten, außerdem darf er Russland zu seinen Freunden zählen und sich über militärische Tipps aus Frankreich freuen. Ideologisch zeigt Haftar sich flexibel, sein inhaltliches Programm ist: er selbst.

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Sehen wir hier den Aufstieg eines neuen Gaddafi, der diktatorisch herrscht, aber wenigstens der Gesetzlosigkeit ein Ende bereiten kann? Wahrscheinlich nicht. Die jüngsten Siege der "Libyschen Nationalarmee" wurden mit wenig Waffengewalt errungen. Kriegsmüdigkeit und Geld haben örtliche Milizen auf Haftars Seite gezogen und ihm schnelle Erfolge beschert. Sein Angriff auf Tripolis schweißt jetzt aber seine Gegner zusammen. Die stärkste Miliz im Westen Libyens, kampferprobte Einheiten aus Misrata, eilt der belagerten Regierung zur Hilfe. Für den General aus dem Osten ist die Zeit der leichten Siege vorbei. Eher werden wir nun noch mehr Chaos und Blutvergießen sehen. Bewahrheitet sich das, wird uns die Kunde davon schnell auch in Europa erreichen. Sie kommt per Schlauchboot.


WAS STEHT AN?

Das ambitionierteste Projekt der Bundesregierung erfährt seltsamerweise nur wenig Aufmerksamkeit der Bundesregierung: Wirtschaftsminister Peter Altmaier droht an der Energiewende zu scheitern. Die Kritik an dem Saarländer schwillt von Tag zu Tag lauter an und kommt inzwischen nicht mehr nur aus Verbänden und Unternehmen, sondern auch aus den eigenen Reihen. Schon wird gemunkelt, die rettende Ausfahrt für Altmaier könne eigentlich nur noch ein Pöstchen in Brüssel sein. Der Minister selbst sieht sein Wirken freilich viel weniger kritisch und eilt von einem Termin zum nächsten. Heute Morgen eröffnet er die Internationale Energiewende-Konferenz in Berlin. Vielleicht erklärt er dort endlich, wie er das ambitionierteste Projekt der Bundesregierung noch zu retten gedenkt. Sonst wird es bald Zeit fürs Blinken.


Peter Altmaier ist nicht der Einzige, der eine unglückliche Figur macht, andere leisten ihm dabei Gesellschaft. Und fast alle müssen sie sich heute in den Sitzungen der Bundestagsfraktionen ihren eigenen Leuten stellen: Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus hat es geschafft, den Zauber des Neuanfangs nach der Abwahl Volker Kauders binnen eines halben Jahres in herbe Enttäuschung bei vielen CDU/CSU-Abgeordneten zu verwandeln. Der neue Boss nehme keine Positionen ein, heißt es, sei gar “unpolitisch“. FDP-Fraktionschef Christian Lindner wiederum gelingt es nicht, Kapital aus der Erschlaffung der Groko zu schlagen, was auch daran liegen könnte, dass er ständig Diskutieren mit Moralisieren verwechselt. SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles steht eh ständig unter friendly fire, seit ihrer letzten Gesangseinlage umso mehr. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter wiederum steht im Schatten des neuen Polit-Messias Robert Habeck. Katrin Göring-Eckardt ist halt Katrin Göring-Eckardt. Die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel muss sich mit einer Parteispendenaffäre herumschlagen, ihr Co-Chef Alexander Gauland wird den Ruch des Ewiggestrigen nicht los. Einzig Dietmar Bartsch, Fraktionsvorsitzender der Linken, ist derzeit fein raus: Nach dem angekündigten Rückzug seiner Rivalin Sahra Wagenknecht kommt in der Partei keiner mehr an ihm vorbei (dafür kommt die Partei kaum mehr irgendwo vor).

“Die meisten Kämpfer und Siegertypen kommen aus hungrigen Bevölkerungsschichten, nicht aus den satten“, hat der legendäre Schnellläufer Armin Hary gesagt. Sitzen im Bundestag womöglich zu viele Satte?


Vier Tage bleiben Theresa May noch, um dem Abgrund des harten Brexit auszuweichen. Vier Tage, in denen sie alles versuchen will, um ihren Austritts-Deal mit der EU doch noch vom Parlament absegnen zu lassen – oder ihn (und sich) in die nächste Verlängerung zu retten. Und nun hat das Londoner Parlament die Regierungschefin erneut in ihre Schranken verwiesen. Gegen Mays Willen stimmte das Oberhaus für eine Gesetzesvorlage, die dem Parlament mehr Kontrolle über den Brexit-Prozess zusichert. Das Brexit-Memory ist inzwischen so unübersichtlich geworden, dass selbst Profis den Überblick verlieren. Deshalb möchte ich Ihnen gemeinsam mit meinem Kollegen Stefan Rook eine kleine Hilfestellung anbieten:

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Heute reist Frau May zunächst nach Berlin und trifft sich gegen 12 Uhr mit der mächtigsten Frau Europas, Angela Merkel. Danach flitzt sie rüber nach Paris, wo sie gegen 18 Uhr den stolzesten Mann Europas, Emmanuel Macron, trifft. May wird versuchen, bei beiden für das zu werben, was sie morgen auf dem entscheidenden EU-Sondergipfel in Brüssel vorschlagen will. Was genau das ist? Weiß noch niemand. Vielleicht weiß Frau May es heute Morgen, Stand 6 Uhr, selbst noch nicht. Sind ja aber noch sechs Stunden Zeit, um einen Plan zur Rettung Großbritanniens auszuhecken. Gleichzeitig laufen in London die Verhandlungen mit der Oppositionspartei Labour auf Hochtouren. Deren Stimmen braucht die angeschlagene Premierministerin, weil sie selbst keine Mehrheit mehr hat. Ausgang? Offen.

Morgen muss sich Frau May um 13 Uhr einer Befragung im Unterhaus stellen. Das wäre eine prima Gelegenheit, ihren Deal ein viertes Mal zur Abstimmung zu stellen. Ob es dafür dann endlich eine Mehrheit gibt? Ebenfalls offen.

Anschließend jettet Frau May nach Brüssel, wo sie vermutlich um eine Verlängerung der Austrittsfrist bis zum 30. Juni bitten wird. Dem vom Oberhaus verabschiedeten neuen Gesetz zufolge dürfen die Volksvertreter Mays Antrag bei der EU nun genau überprüfen und gegebenenfalls auch ändern. Der Bitte Mays wird die EU aber wohl sowieso nicht nachkommen, wenn ihr Deal bis dahin nicht unterzeichnet worden ist. Stattdessen wird man den Briten dann eine “Flextension” anbieten, also eine flexible Verlängerung um bis zu zwölf Monaten: In dem Moment, in dem der Vertrag vom Parlament in London endlich und wirklich und tatsächlich gebilligt würde, wären die Briten raus. Stimmen die Abgeordneten erstens dieser Verlängerung und zweitens dem Deal bis zum 22. Mai zu, müsste Großbritannien nicht an den Europawahlen teilnehmen und der Schlamassel würde sich endlich lichten. Gelingt das nicht, droht doch noch der Abgrund (und dem Europaparlament eine Legitimationskrise).

Haben Sie alles verstanden? Macht nichts, Sie sind nicht allein. Ich werde in den kommenden Tagen versuchen, gemeinsam mit unserer Politikchefin Tatjana Heid und ihrem Team das Knäuel für Sie zu entwirren. Außerdem finden Sie jede News in unserem Brexit-Blog.


Der Wahlkampf war schmutzig, die Rivalen schenken sich nichts: Heute wählt Israel ein neues Parlament. Der amtierende Ministerpräsident Benjamin Netanjahu vom Likud liefert sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit seinem Herausforderer, dem ehemaligen Armeechef Benny Gantz vom Oppositionsbündnis Blau-Weiß. “Im Vergleich zu Netanjahu wirkt Gantz wie ein Neuling. Aber in der Politik herrscht manchmal eine gewisse Dialektik, und so könnte der Nachteil zum Vorteil umschlagen“, analysiert unser Kolumnist Gerhard Spörl. Am späten Abend wissen wir mehr.


WAS LESEN UND ANSCHAUEN?

Kluge Politiker reden nicht nur, sondern hören auch zu. Aber wenn sie genug gehört haben, dann handeln sie – andernfalls beschwören sie den Unmut ihrer Zuhörer herauf. Vor diesem Problem steht nun CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer, schreibt der Kollege Eckart Lohse in der “FAZ“.

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Julia Reda spielte eine zentrale Rolle beim Widerstand gegen die Urheberrechtsreform im EU-Parlament. Nach der Abstimmungsniederlage trat sie aus der Piratenpartei aus und empfahl, diese nicht zu wählen – weil einem Kandidaten der Partei sexuelle Belästigung vorgeworfen wird. Im Interview mit meinen Kollegen Helge Denker und Patrick Diekmann antwortet Reda auf die Kritik an ihrem Schritt.


WAS AMÜSIERT MICH?

Zutaten für den dreistesten Einbruch, den sie je gesehen haben? Ein Bagger, ein Auto, zwei Räuber – und ein Geldautomat.

Ich wünsche Ihnen einen sicheren Tag.

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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